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21.12.1999 10:56

Pressekonferenz: Die Wirtschaftslage zum Jahreswechsel 1999

Elisabeth Wolf-Csanády Redaktion, Presse, Konferenzen
ifo Institut für Wirtschaftsforschung

    Auf der Pressekonferenz am 21.12.1999 stellt das ifo Institut für Wirtschaftsforschung seine aktuelle Konjunkturprognose für das Jahr 2000 vor.

    Auf der Pressekonferenz am 21.12.1999 in München gab Prof. Hans-Werner Sinn, Präsident des ifo Instituts für
    Wirtschaftsforschung, folgende Erklärung ab:
    Das ifo Institut wird derzeit grundlegend umstrukturiert. Die traditionelle
    Basis des ifo Instituts liegt bei seinen weltweit beachteten monatlichen Konjunkturumfragen.
    Diese Basis soll erhalten und durch die Nutzung des Internets bei den Umfragen noch
    stärker aktualisiert werden. Als zweites Standbein wird neben den Konjunkturumfragen
    in Zukunft der internationale Institutionenvergleich vorrangig entwickelt, um der Globalisierung
    und dem Interesse am Vergleich der institutionellen Regelungen verschiedener Länder zu
    entsprechen. Ein neuer Arbeitsbereich "Internationaler Institutionenvergleich" hat die
    Aufgabe, das so entstehende Wissen systematisch aufzubereiten und in einer Datenbank
    zu sammeln. Die Datenbank heißt "DICE". Das ist das englische Wort für Würfel, aber wir
    bezeichnen damit die "Databank for Institutional Comparisons in Europe".
    Das ifo Institut wird politiknäher arbeiten und zu diesem Zweck Fragen der öffentlichen Finanzen
    und der Arbeitsmärkte in den Vordergrund stellen. Zwei neue Arbeitsbereiche, nämlich "Öffentliche
    Wirtschaft" sowie "Sozialpolitik und Arbeitsmärkte" werden diese Aufgaben wahrnehmen. Andere
    Bereiche wurden gleichzeitig zusammengefasst und gestrafft. Die Politiknähe kommt auch durch
    die nun in unregelmäßiger Folge, aber tagesaktuell an die Presse verteilten ifo Standpunkte zum
    Ausdruck. Ein Sammelheft mit den ersten zehn Standpunkten dieses Jahres ist gerade erschienen.
    Dazu gehören Themen wie "Rente mit 60", "Teilkapitaldeckung der Rente", "Steuerreform" oder "Transrapid".
    Das ifo Institut wird sich stärker als bislang auch in die internationale Diskussion einbringen.
    Zu diesem Zweck hat es zusammen mit der Universität München die CESifo GmbH gegründet,
    unter deren Dach das Center for Economic Studies (CES) und das ifo Institut zusammenarbeiten.
    CESifo wird neue Publikationsorgane in englischer Sprache herausbringen, internationale
    Konferenzen organisieren, Forschungsprojekte mit externen Wissenschaftlern organisieren
    sowie Video-Vorlesungen und Wirtschaftsdaten über das Internet verbreiten. Es hat bereits
    über zweihundert international wohlbekannte Forscher zu einem wissenschaftlichen
    Forschungsnetzwerk zusammengeführt.

    Traditionell berichtet das ifo Institut bei seiner Dezember-Pressekonferenz über wichtige
    aktuelle Wirtschaftsprobleme. Neben der Konjunkturlage sind zwei Themen von besonderer
    Bedeutung:

    Der Euro

    Der Euro ist schwach, weil die Zinsen in den USA konjunkturbedingt hoch sind. Bei sich
    ändernder Konjunkturlage kann das derzeit zum Dollar-Raum bestehende Zinsdifferential
    wieder abnehmen mit der Folge, dass der Euro als Anlagewährung attraktiver wird.
    Das würde auch den Kurs erhöhen. Die hohe amerikanische Auslandsverschuldung,
    das hohe US-Leistungsbilanzdefizit sowie die wirtschaftliche Größe Europas im Vergleich
    zu den USA werden Anlagen in Euro-Papieren langfristig immer attraktiver machen. Ein hoher
    Euro-Kurs kann deshalb langfristig erwartet werden.

    Der Aufholprozess in den neuen Bundesländern

    Der Aufholprozess ist seit längerem ins Stocken geraten. Alarmierend ist der Umstand,
    dass die Ausrüstungsinvestitionen je Erwerbstätigen im Jahr 1998 erstmals seit 1992 wieder
    unter das Westniveau gefallen sind (90%). Dies ergibt sich aus der Investorenrechnung,
    die das ifo Institut im Auftrag des Bundesfinanzministeriums durchführt. Bedenklich ist
    auch, dass in den neuen Bundesländern noch immer mehr als jede dritte Mark, die dort
    ausgegeben wird, aus dem Westen stammt. Vom Ziel, in den neuen Bundesländern eine
    sich selbst ernährende Volkswirtschaft zu schaffen, ist Deutschland nach wie vor sehr weit
    entfernt. Die Fehler der Vereinigungspolitik zeigen sich jetzt in aller Schärfe.

    Aktuelle Konjunkturlage

    Die gegenwärtige Konjunktursituation ist insgesamt als rosig zu bezeichnen. Zwar ist die
    gewerbliche Wirtschaft der neuen Bundesländer nur verhalten optimistisch, was die
    Absatzerwartungen betrifft, doch zeigen im Westen alle Indikatoren nach oben. In
    der letzten Woche hat der erneute, starke Anstieg des ifo Geschäftsklima-Index für
    internationales Aufsehen gesorgt. Die Aufschwungkräfte kommen nur zu einem
    geringen Maße vom inländischen Konsum, sondern sind - neben einer gewissen
    Investitionsbelebung - vor allem auf die sich rasch verbessernde weltwirtschaftliche
    Konjunkturlage zurückzuführen. Die Asienkrise ist vorbei, und auch in der EU werden
    sowohl die Wirtschaftslage als auch die Wirtschaftserwartungen von den Experten,
    die das ifo Institut vierteljährlich auf aller Welt befragt, positiv beurteilt.
    Die positive Konjunkturentwicklung sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen,
    dass die deutsche Wirtschaft nach wie vor unter erheblichen Strukturproblemen leidet,
    die eine nachhaltige Belebung der Beschäftigungslage ausschließen.

    Zur zukünftigen Entwicklung der Konjunktur berichtete Dr. Willi Leibfritz,
    Leiter des Bereichs Konjunktur und Finanzmärkte:

    Prognose 2000: Mehr Wachstum und etwas weniger Arbeitslose

    Weiterhin günstige Rahmenbedingungen für den Aufschwung

    Die weltwirtschaftlichen Bedingungen für eine Fortsetzung des Aufschwungs in Deutschland im Jahr 2000
    sind günstig. In den asiatischen Schwellenländern und in Japan steigt die Produktion wieder. Von der
    amerikanischen Wirtschaft werden selbst bei einem abgeschwächten Wachstum ("Soft-landing"-Szenario)
    weiterhin positive Impulse auf die Weltwirtschaft ausgehen, was die Überwindung der Krisen
    insbesondere auch in Lateinamerika erleichtert. In Westeuropa gewinnt der Aufschwung im Jahr 2000
    an Kraft und an Breite; dabei werden die konjunkturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern
    geringer. Der reale Welthandel wird im Jahr 2000 um etwa 7 % expandieren, nach reichlich 4 % im Jahr 1999.
    Der Ölpreis dürfte vom gegenwärtigen Niveau kaum noch steigen und im Durchschnitt 2000 bei 22 US-Dollar
    pro Barrel liegen, nach 18 Dollar im Durchschnitt 1999. Die monetären Rahmenbedingungen einschließlich
    des Wechselkurses regen derzeit aufgrund der Abwertung des Euro die Konjunktur deutlich an; der
    expansive Effekt wird sich allerdings im Verlauf des Jahres 2000 insbesondere wegen der unterstellten
    Festigung des Euro-Kurses verringern. Die Kerninflationsrate wird sich im EWU-Durchschnitt nur
    wenig beschleunigen; in Deutschland wird die Preissteigerungsrate auf der Verbraucherstufe im
    Jahresdurchschnitt 2000 nicht zuletzt wegen der zweiten Stufe der Ökosteuer mit 1,2 % etwas höher
    sein als in diesem Jahr (0,6 %).
    Das Preisziel der Europäischen Zentralnotenbank (Inflationsrate unter 2 %) bleibt im Jahr 2000
    ungefährdet, zumal die Lohnpolitik in den Ländern der EWU zu moderaten Abschlüssen führen
    dürfte; im Frühjahr 2000 ist in Deutschland und in der gesamten EWU im Vorjahresvergleich mit
    überdurchschnittlich hohen Preissteigerungsraten zu rechnen, die mit den niedrigen Rohölpreisen
    im Frühjahr 1999 in Zusammenhang stehen (Basiseffekt); sie werden im weiteren Jahresverlauf wieder
    abnehmen. Die Finanzpolitik wirkt in Deutschland und auch im Durchschnitt der EWU-Länder in Folge
    der Rückführung der Budgetdefizite zwar kurzfristig nachfragedämpfend, doch ist dieser Effekt relativ
    gering; das staatliche Finanzierungsdefizit nimmt im Durchschnitt der EWU-Länder von etwa 1 œ %
    auf etwa 1 Π% des Bruttoinlandsprodukts ab und in Deutschland von 1,5 % auf 1,3 %.

    Produktionsanstieg beschleunigt sich...

    Die wichtigsten in die Zukunft weisenden Indikatoren, wie Auftragseingänge in der Industrie und ifo
    Geschäftserwartungen, signalisieren eine weitere Festigung der Konjunktur. Die Industrieproduktion
    dürfte im Jahr 2000 wieder zum Motor der Konjunktur werden und um rund 3 œ % zulegen. Die
    Bauwirtschaft wird sich nur allmählich erholen. Die realen Umsätze der konsumnahen Sektoren
    dürften sich in Folge der beschleunigt steigenden Realeinkommen und der sich leicht bessernden
    Lage auf dem Arbeitsmarkt merklich erhöhen. Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt im Jahr
    2000 sowohl im Jahresverlauf als auch im Jahresdurchschnitt um 2 œ bis 3 % zunehmen, spitz gerechnet
    um 2,7 %.

    ...Arbeitslosenzahl sinkt etwas

    Die Arbeitslosigkeit wird wegen der besseren Konjunktur und des geringeren Arbeitskräfteangebots
    im Jahr 2000 voraussichtlich stärker zurückgehen als in diesem Jahr. Die Beschäftigung dürfte sich im
    Jahresdurchschnitt um knapp 150 000, im Jahresverlauf sogar um eine Viertelmillion erhöhen. Im
    Durchschnitt des Jahres 2000 wird die Arbeitslosigkeit in Deutschland um reichlich 200 000 Personen
    auf knapp 3,9 Mill. sinken; im Jahresverlauf dürfte der Rückgang der Arbeitslosenzahl mehr als 300 000
    betragen. Entlastet wird der Arbeitsmarkt vom Rückgang des Arbeitsangebots um ca. 0,2 Mill. In den
    neuen Bundesländern wird die Arbeitslosenzahl - trotz einer leichten Abnahme im Verlauf - im
    Jahresdurchschnitt ähnlich hoch bleiben wie 1999 (rund 1,35 Mill. oder 17,5 %), in Westdeutschland
    wird sie auf reichlich 2,5 Mill. sinken (1999: 2,75 Mill. oder 8,8 %).

    Wirtschaftspolitik bleibt gefordert

    Der Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion in Deutschland wird im Jahr 2000 um Ÿ Prozentpunkte
    stärker als das Potentialwachstum bzw. das Trendwachstum sein, so dass der gesamtwirtschaftliche
    Auslastungsgrad entsprechend steigt. Ende 2000 dürfte das BIP seinen mittelfristigen Trendwert wieder
    nahezu erreicht haben. Selbst wenn die weltwirtschaftlichen und die monetären Rahmenbedingungen mittelfristig
    günstig bleiben - was keinesfalls gesichert ist - dürfte sich das Wirtschaftswachstum in den Jahren nach 2000
    allerdings wieder auf den Potentialpfad von rund 2% abschwächen. Ein Wachstumspfad von 2 œ bis 3 %
    und eine Senkung der Arbeitslosenzahl unter 3 Mill. wären mittelfristig aber erreichbar, wenn es gelänge,
    die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit zu senken. Bei einem Produktivitätszuwachs von 1 œ bis 2 % könnte
    dann die Beschäftigung Jahr für Jahr um rund 1 % zunehmen. In diesem Szenario würde die Beschäftigung
    jährlich um rund 350 000 steigen und die Zahl der Arbeitslosen um gut 200 000 zurückgehen. Im Jahr 2003
    würde die Arbeitslosigkeit noch 3,2 Mill. oder knapp 8 % betragen, im Jahr 2005 noch 2 Ÿ Mill. oder 6 Ÿ %.
    Insbesondere die Lohnpolitik, die Steuerpolitik und die Sozialpolitik sind gefordert, die Weichen dafür zu stellen.
    Ansonsten würde auch mittelfristig die Arbeitslosenzahl nur wenig zurückgehen.

    ifo Institut für Wirtschaftsforschung
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Kurt Vogler-Ludwig
    Tel. +49-89-9224-1371
    Fax +49-89-9224-1461


    Weitere Informationen:

    http://www.ifo.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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