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Wissenschaft
Eine Ursache für Lese-Rechtschreibschwäche experimentell bestätigt
Jena (12.01.00) An Lese-Rechtschreibschwäche - auch Legasthenie genannt - leiden in Deutschland rund acht bis vierzehn Prozent der Schüler. Sie verwechseln z. B. Buchstaben oder Wortteile und können auch als Erwachsene weder korrekt lesen noch schreiben. Eine Ursache aus dem vielfältigen Bedingungsgeflecht hat jetzt Prof. Dr. Ewald Johannes Brunner vom Institut für Erziehungswissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena genauer untersucht. "Die Verwechslung von Buchstaben ist nicht nur Ausdruck, sondern kann auch Ursache der Störung sein", hat Brunners Team mit einem Experiment nachgewiesen. "Es ist bei Erstklässlern ganz normal, dass sie ähnliche Buchstaben anfangs miteinander verwechseln", erläutert der Pädagogische Psychologe. "Problematisch wird es erst dann, wenn diese Schwierigkeiten nicht ausgeräumt, sondern übergangen werden". Sobald betroffene Schüler dem Lerntempo nicht folgen können und der Lehrer dies nicht bemerkt und berücksichtigt, geraten diese Schüler in einen Teufelskreis, in dem unbewältigte Lernschwierigkeiten den weiteren Lernprozess behindern. Am Ende kann ein handfestes Legasthenieproblem stehen.
Die Jenaer Erziehungswissenschaftler bewiesen ihre Verwechslungshypothese mit einem leicht nachvollziehbaren, computergestützten Experiment. "Wir haben japanische Schriftzeichen benutzt, um das Lesen lernen mit erwachsenen Versuchspersonen zu simulieren", erklärt Brunner. "Unter den Schriftzeichen befanden sich einige, die anderen zum Verwechseln ähnlich sehen". Die Testpersonen - deutsche Studierende - sollten sich mehrere Schriftzeichen einprägen, hatten dazu aber unterschiedlich wenig Zeit. Das Ergebnis des Tests fiel entsprechend differenziert aus: Während sich einige Studierende fast alle Zeichen merken konnten, behielten andere nur etwa die Hälfte, eine dritte Gruppe versagte - wie vermutet - völlig.
Im zweiten Teil des Experiments wurden auf einem Bildschirm Wörter angezeigt, die aus den zuvor gelernten Silben bestanden. Die Testpersonen mussten diese Wörter auswendig lernen. Die Jenaer Forscher erwarteten, dass vor allem die "Halblerner" Wörter mit ähnlichen Silben miteinander verwechseln würden, da sie sich zwar etliche Zeichen aus dem ersten Teil des Experiments merken konnten, allerdings nicht verwechslungssicher. Das entspricht der Situation der Nachzügler in der Schule, die das anfängliche Verwechseln von Buchstaben aus Zeitmangel nicht haben überwinden können. Der Versuch bestätigte die Ausgangshypothese: "Die Intensität des Silbenlernens beeinflusste in unserem Experiment maßgeblich das Ergebnis des Wortlernens", resümiert Prof. Brunner.
Als Konsequenz aus diesen Untersuchungen ergibt sich für die Schulpraxis, dass vorbeugende Maßnahmen bereits im Vorschulalter einsetzen sollten. "Mit auffälligen Vorschulkindern und Erstklässlern sollten Konzentrationsübungen und Übungen zur Unterscheidung verwechselbarer Buchstaben bzw. anderer leicht verwechselbarer Zeichen gemacht werden", schlägt Prof. Brunner vor.
Sein Lehrstuhl bietet Lehrern und Eltern betroffener Kinder Unterstützung bei der Bekämpfung von Lernstörungen und Schulversagen an. Dafür wurde eigens eine Informations- und Anlaufstelle am Jenaer Institut gegründet. "Dass ein Bedarf nach solchen Projekten besteht", so Brunner, "zeigt die hohe Zahl der Ratsuchenden".
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Ewald Johannes Brunner
Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Jena
Otto-Schott-Str. 41
07743 Jena
Tel.: 03641/945340 oder 945345
Fax: 03641/945342
E-Mail: s5brew@rz.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Axel Burchardt M. A.
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931041
Fax: 03641/931042
E-Mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Pädagogik / Bildung, Psychologie, Sprache / Literatur
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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