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Wissenschaft
Eine der größten Gesundheitsstudien weltweit läuft seit zehn Jahren
Die 1996 gestartete bislang größte Bevölkerungsgesundheitsstudie "Study of Health in Pomerania (SHIP)" am Greifswalder Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin läuft bereits seit zehn Jahren im Landesteil Vorpommern. Anlässlich des Jahrestages findet im September in der Universitäts- und Hansestadt Greifswald ein Wissenschaftliches Festsymposium mit nationalen und internationalen Versorgungsforschern sowie eine öffentliche Informationsveranstaltung statt (s. Termine).
Die Studie, die eine Vielzahl an wichtigen und zum Teil erstmals erhobenen repräsentativen Gesundheitsstrukturdaten enthält, ist das Herzstück des interdisziplinären Forschungsschwerpunktes Community Medicine* an der Universität Greifswald. Weltweit werden zurzeit mit großer Spannung die Ergebnisse der gerade abgeschlossenen zweiten Untersuchungswelle erwartet.
Ziel der SHIP ist die umfassende Untersuchung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung in der Region Vorpommern. Zwischen 1997 bis 2001 wurden 4.310 zufällig ausgewählte Probanden auf "Herz und Nieren" überprüft. Von den Teilnehmern liegen detaillierte Angaben zu Lebensweise, beruflichen und privaten Risikofaktoren, der medizinischen Vorgeschichte sowie der familiären und sozialen Krankheitsgeschichte vor. Alle Beteiligten absolvierten darüber hinaus ein umfangreiches klinisches und apparatives Untersuchungsprogramm, einschließlich einer ausführlichen zahnärztlichen Untersuchung und der Bestimmung wichtiger Laborwerte aus Blutproben. Ein Teil des Blutes wurde anschließend tief gefroren und bildet den Grundstock einer großen Probendatenbank.
SHIP zeigt die Gesundheitsprobleme einer ganzen Region auf
Warum sterben Vorpommer früher? Wohin führt Übergewicht und übermäßiger Alkoholkonsum? Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Zahn- und Herzerkrankungen? Wieso sind die Vorpommern Weltrekordler bei Gallensteinleiden? Wie kann in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern künftig die ärztliche Versorgung sichergestellt werden? Das sind nur ein paar der diversen Fragestellungen, die mittels einer gezielten Analyse der etwa 4.000 - 5.000 Einzelwerte jedes Probanden geklärt werden können. Der Gesundheitszustand der Menschen in Vorpommern wurde sozusagen komplett durchleuchtet, da ca. jeder 50. Einwohner an der Studie teilgenommen hat (Ostvorpommern/ Nordvorpommern/Greifswald/Stralsund ohne die Inseln Rügen, Hiddensee, Usedom).
Seit Oktober 2002 wurden die Teilnehmer der ersten SHIP-Studie nochmals untersucht. Die zweite Analysewelle endete im Juli dieses Jahres mit dem 3.277. Probanden. Somit konnten fünf Jahre nach der Erstuntersuchung immerhin 83 Prozent der vorpommerschen Testpersonen im Alter von 27 bis 88 Jahren ein zweites Mal auf ihren gesundheitlichen Zustand gecheckt werden. Hierdurch sind Verlaufsbetrachtungen möglich, die wesentlich genauere Rückschlüsse beispielsweise auf die Wirkung von Risikofaktoren, aber auch von konkreten Versorgungs- und Präventionsansätzen zulassen. Zusätzlich zur Wiederholung der aufwändigen Basisuntersuchungen wurden unter anderem erweiterte Parameter zur Lungenfunktion, des Herzens per Ultraschall, Belastungstests (Spiroergometrie) sowie ein Hautkrebsscreening aufgenommen. Etwa 2.000 Probanden haben zudem erstmals mehrere EKG-Serien mit einem Tele-EKG-Gerät per Telemedizin aus ihrer häuslichen Umgebung an das Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin gesendet. Die Ergebnisse der Studie werden im kommenden Jahr erwartet. Derweil ist bereits die dritte Wiederholungsphase für die Gesundheitsuntersuchungen mit dem gleichen Probandenstamm in Vorbereitung.
Dramatische demographische Entwicklungen beeinflussen die Gesundheitsversorgung
"Otto von Bismarcks berühmter Ausspruch, <Wenn die Welt untergeht, gehe ich nach Mecklenburg, denn dort geht sie 50 Jahre später unter.>, hat sich längst ins Gegenteil verkehrt", betonte der Greifswalder Internist und Epidemiologe Dr. Henry Völzke. Der Nordosten mit der zur Wende jüngsten Bevölkerung Deutschlands wird bis zum Jahr 2012 das Bundesland mit den ältesten Bewohnern. Der demographische Wandel verläuft hier im Zeitraffer, da neben einer hohen Abwanderung junger Menschen gleichzeitig ein verstärkter Zuzug der goldenen Generation und eine deutliche Zunahme der Lebenserwartung zu verzeichnen ist.
Durch diese Dynamiken wird in Mecklenburg-Vorpommern innerhalb der nächsten zehn Jahre die Entwicklung vorweggenommen, die in den westlichen Bundesländern erst in zehn bis 20 Jahren zu erwarten ist. Der Bevölkerungsschwund und der wachsende Anteil älterer Bürger verschärfen die Herausforderungen an die Sicherstellung einer flächendeckenden medizinischen Versorgung. Das nordöstliche Bundesland wird somit zur Modellregion für die Konsequenzen des demographischen Wandels auf die medizinische Versorgung. "Die SHIP-Studie ermöglicht einen einzigartigen Blick in den Spiegel der Gesundheitsprobleme von Morgen", betonte Völzke. Für die Krankenversorgung und Gesundheitsprobleme der Zukunft, sowohl aus fachärztlicher als auch organisatorisch-finanzieller Sicht - bietet die Studie eine unverzichtbare Entscheidungs- und Handlungsgrundlage."
Hintergrund Community Medicine (CM)
Community Medicine (Gemeindemedizin) ist eine bevölkerungsbezogene medizinische Wissenschaft mit starkem Praxisbezug. Im Zentrum steht die Analyse, Vermittlung und Bewertung von Gesundheitsdaten auf der regionalen Bevölkerungsebene. Basiswissenschaften der CM sind Human- und Zahnmedizin, Versorgungsforschung (Epidemiologie) und Biometrie, Sozialmedizin, Demographie, Gesundheitspsychologie und Medizinische Informatik. Forschungsschwerpunkte der CM liegen in der analytischen Epidemiologie und Risikofaktorenforschung, Versorgungsforschung, Gesundheitssystemforschung und Transferforschung. Als Ergebnis bevölkerungsbezogener Forschung und Lehre in der Region sollen neuartige Modelle im Bereich der rationalen Gesundheitsförderung, der ambulanten und stationären Versorgung sowie der Rehabilitation und Pflege entwickelt und in die Praxis umgesetzt werden. Ziele der CM sind die Verbesserung der Lebensqualität der Bevölkerung und die langfristige Sicherung der medizinischen Versorgung.
T e r m i n e
Wissenschaftliches Festsymposium "10 Jahre Study of Health in Pomerania"
Mittwoch, 20. September 2006, 9.00 bis 14.00 Uhr
Hörsaal Alfried Krupp Wissenschaftskolleg, Martin-Luther-Straße 14, Greifswald
Erwartet werden hochkarätige nationale und internationale Referenten zu den Themen Qualitätssicherung in epidemiologischer Forschung, kardiovaskuläre Epidemiologie, Schilddrüsenerkrankungen und metabolisches Syndrom.
09.00 Uhr - Begrüßung
09.30 Uhr - Festvortrag "10 Jahre SHIP", PD Dr. Henry Völzke, Universität Greifswald
Session 1 - 09.50 Uhr
"Epidemiologie - und was dann? Methoden für den Transfer epidemiologischer Ergebnisse"
Prof. Eberhard Greiser, Universität Bremen
"Qualitätssicherung in epidemiologischen Studien"
Prof. Hans-Werner Hense, Universität Münster
Session 2 - 11.10 Uhr
"Regionale Unterschiede in der Ausprägung kardiovaskulärer Risikofaktoren"
Dr. Hannelore Löwel, GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit Neuherberg
"Die Schilddrüse im Alter"
Prof. Georg Brabant, Universität Manchester
Session 3 - 14.15 Uhr
"Parandontitis and Atherosclerosis: What West Pomerania links with New York"
Prof. Moise Desvarieux, Universitäten Paris/New York
"Hepatic Steatosis as Risk Factor for Diabetes"
Prof. David Jacobs, Universität Minneapolis
Einladung zur Öffentlichen Informationsveranstaltung
"10 Jahre Bevölkerungsforschung in Vorpommern"
Die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie und der 10. Jahrestag der Studie "Leben und Gesundheit in Vorpommern" werden als Anlass für eine Veranstaltung genutzt, um die Bevölkerung über neueste Erkenntnisse aus dem Forschungsschwerpunkt Community Medicine zu informieren. Die beiden Vorträge werden umrahmt durch umfangreiche kostenfreie Untersuchungsangebote, wie die Messung des Blutdrucks oder auch Ultraschallaufnahmen der Schilddrüse und Halsgefäße.
Mittwoch, 20. September 2006, 18.00 bis 21.00 Uhr
Hörsaal Alfried Krupp Wissenschaftskolleg, Martin-Luther-Straße 14, Greifswald
Vorträge
"Warum sterben Vorpommern früher als andere?"
PD Dr. Henry Völzke, Universität Greifswald
"Wie sinnvoll sind Hormonmedikamente in den Wechseljahren?"
Prof. Martina Dören, Charité Berlin
Universitätsklinikum Greifswald
Community Medicine/Institut für Epidemiologie
und Sozialmedizin (IES)
PD Dr. med. Henry Völzke
Walther-Rathenau-Straße 48, 17487 Greifswald
T +49 3834 86-77 07
F +49 3834 86-77 01
E voelzke@uni-greifswald.de
http://www.medizin.uni-greifswald.de/epidem/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medizin, Psychologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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