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Wissenschaft
Jenaer Tagung analysierte die Ästhetik des modernen Raums
Jena (24.01.00) Im 20. Jahrhundert erfährt der Mensch nicht nur eine stete Beschleunigung der Zeit, auch der Raum wird zunehmend unbeständiger, unvertrauter. "In der Moderne ist der Raum überhaupt nicht eindeutig definierbar", weist Dr. Sigrid Lange auf ein Problem, das auch den von ihr geleiteten Workshop "Die Ästhetik des Raumes und die Räume des Ästhetischen in der Moderne" vom 20. - 22. Januar an der Friedrich-Schiller-Universität Jena beschäftigte.
Auf der einen Seite öffnet der technische Fortschritt die Welt. Doch die immer rascher mögliche Überschreitung von Räumen verunsichert gleichzeitig, sie entbehrt der Ruhepunkte, sie entwurzelt die Menschen. Solche Erfahrungen spiegeln die Künste seit Anfang des 20. Jahrhunderts in typischen Topoi wider: Die Großstadt symbolisiert Entfremdung in Bildern des Chaos, der Dynamik des Verkehrs, der Unübersichtlichkeit. Sein topographisches Pendant findet das rastlose Leben in den Transiträumen: Hotels, Bahnhöfe, Häfen, die nicht zum Verweilen bestimmt sind und dennoch als Warteräume definiert werden können. In Opposition zur Geschwindigkeit ist das ziellose oder zielgerichtete Warten eine Grundbefindlichkeit des modernen Menschen.
Literatur-, Film- und Kulturwissenschaftler sowie eine größere Anzahl von Studierenden, die die Tagung besuchten, erörterten, wie die Künste die Befindlichkeit im und das neue Verhältnis zum Raum reflektieren. Dazu gehört, dass sich "die unerforschten Gebiete weniger auf der Landkarte, als in uns selbst befinden", erläutert Dr. Lange. Unheimliche Tiefendimensionen des Raumes spiegeln die Abgründe des Unbewussten oder sie werden in der Fläche rationalisiert: als Ornament oder geometrische Struktur. Aus der mit der Kamera erfassten Vogelperspektive des Flugzeugs erstarren von Menschen bewohnte Kulturräume zu kalkulierbaren Flächen - eine Sicht, die nicht zuletzt durch die Kriegstechnik vermittelt wurde und in literarischen und bild-künstlerischen Darstellungen ihren Niederschlag fand. Aber auch auf dem Boden der Wirklichkeit formieren sich "Ornamente der Masse" (Siegfried Kracauer), in denen der Einzelne weder von außen noch von sich selbst mehr als Individuum wahrnehmbar wird.
Vorrecht der Künste ist der Entwurf neuer Räume. Imaginäre Räume entstehen in architektonischen Projekten, auf Theaterbühnen und im Film. Sie zeigen in kristallinen Gebilden und aus Licht konstruierten Räumen das Verlangen nach Transparenz, diskutieren aber zugleich das Verhältnis von imaginären Sphären und empirischer Realität. Mediale Räume wie Theater und Kino teilen selbst den Illusionsraum und den Raum der Zuschauer voneinander ab und stellen realiter die Frage nach dem Verhältnis von Wirklichkeit und Imagination, aber auch nach der Identität des Einzelnen im Hier und Jetzt. Die Lebensformen der "neuen Sachlichkeit" zwingen den Menschen zum "Funktionieren" in der Öffentlichkeit, im Privaten aber erlebt er seine psychischen Dramen. Auch dafür haben die Künste symbolische Räume und Narrationen gefunden - zum Beispiel die Bühne oder Zirkuskuppel, unter der ein Artist über dem Abgrund einen Balanceakt um Leben und Tod vorführt. Dass dieser (Lebens-)Künstler auch ein anderer Mensch ist, kann man nur hinter den Kulissen erfahren.
Die Tagung hat vielfältige, in den Künsten exponierte Aspekte der Beziehung von Mensch und Raum in den Blick genommen. In der Publikation der Beiträge werden sie im einzelnen nachzulesen sein.
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Axel Burchardt M. A.
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931041
Fax: 03641/931042
E-Mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Kunst / Design, Musik / Theater, Philosophie / Ethik, Religion, Sprache / Literatur
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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