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26.09.2006 13:12

RUB-Studie zur japanischen Geschichte: Universitäten zwischen Faschismus und Besatzungszeit

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Wie beim deutschen Bild der "Stunde Null" gibt es auch in Japan die Vorstellung, mit der Kriegsniederlage im August 1945 habe ein neues Kapitel der Geschichte begonnen. Dies gilt besonders für den Bereich Bildung, in dem die US-amerikanische Besatzungsmacht scheinbar einseitig Reformen von oben verordnet und damit eine Amerikanisierung des Bildungssystems bewirkt hat. Der Japanhistoriker der Ruhr-Universität Bochum Hans Martin Krämer hat dieses Geschichtsbild kritisch beleuchtet und konnte in seiner ausgezeichneten Dissertation ganz überraschende Kontinuitäten über die Epochengrenze 1945 hinweg feststellen. Seine Ergebnisse sind insbesondere für den Vergleich mit Deutschland von großer Bedeutung. Ausgezeichnet wurde seine Arbeit mit dem Wilhelm-Hollenberg-Preis der Gesellschaft der Freunde der RUB für das Jahr 2005.

    Bochum, 26.09.2006
    Nr. 324

    Hochschulreformen von außen?
    Universitäten zwischen Faschismus und Besatzungszeit
    RUB-Studie zur japanischen Geschichte im 20. Jahrhundert

    Wie beim deutschen Bild der "Stunde Null" gibt es auch in Japan die Vorstellung, mit der Kriegsniederlage im August 1945 habe ein neues Kapitel der Geschichte begonnen. Dies gilt besonders für den Bereich Bildung, in dem die US-amerikanische Besatzungsmacht scheinbar einseitig Reformen von oben verordnet und damit eine Amerikanisierung des Bildungssystems bewirkt hat. Der Japanhistoriker der Ruhr-Universität Bochum Hans Martin Krämer hat dieses Geschichtsbild kritisch beleuchtet und konnte in seiner ausgezeichneten Dissertation ganz überraschende Kontinuitäten über die Epochengrenze 1945 hinweg feststellen. Seine Ergebnisse sind insbesondere für den Vergleich mit Deutschland von großer Bedeutung. Ausgezeichnet wurde seine Arbeit mit dem Wilhelm-Hollenberg-Preis der Gesellschaft der Freunde der RUB für das Jahr 2005.

    Bildungsexpansion

    Haben bisherige Studien zur Hochschulpolitik stets entweder die Zeit vor 1945 oder die Nachkriegszeit behandelt, so untersuchte Krämer erstmals beide Perioden gleichgewichtig. Dabei konnte er Kontinuitäten sowohl in den Diskussionen über Bildung, als auch in der praktischen Hochschulpolitik feststellen. Die strukturelle Ausweitung des Hochschulzugangs stand schon in den 1930er Jahren auf der Tagesordnung. Ziel war die Lockerung des bislang über elitäre Oberschulen streng reglementierten Zugangs zu den staatlichen Universitäten durch die Abschaffung eben dieser Schulen. Aber auch Frauen sollten erstmals Zugang zu Universitäten erlangen und Pädagogische Seminare zur Lehrerausbildung zu Pädagogischen Hochschulen aufgewertet werden.

    Chancengleichheit

    Überdies wurde die Expansion des Hochschulzugangs unter dem Schlagwort "Chancengleichheit" diskutiert. Bildungschancen sollten sowohl hinsichtlich sozialer Stellung als auch bezüglich Geschlecht und geographischer Herkunft gerechter verteilt werden. Dass dieser Begriff in der Diskussion der 1930er Jahre vorherrschte, überrascht gerade aus heutiger Sicht: Häufig hält man ihn für eine Erfindung der bildungspolitischen Diskussion der 1960er Jahre.

    Gleichheit und "Volksgemeinschaft"

    Forderungen nach Gleichheit im Bildungswesen gingen vor 1945 nicht wie nach Kriegsende mit Vorstellungen von Demokratie einher. Gleichheit wurde vielmehr als innerhalb einer totalitären Gesellschaft vom Staat zu verwirklichende Vereinheitlichung der sozialen Verhältnisse verstanden. Ein breiter Konsens strebte die Schaffung einer "Volksgemeinschaft" in einer Art "nationalem Sozialismus" an.

    Vergleich mit Deutschland

    An dieser Stelle lassen sich Anknüpfungspunkte für einen Vergleich mit Deutschland finden. Nicht erst der Historiker Götz Aly hat mit seinem im letzten Jahr erschienenen und viel diskutierten Buch "Hitlers Volksstaat" darauf hingewiesen, dass die "Volksgemeinschaft" im nationalsozialistischen Deutschland mehr als nur reine Rhetorik war. Die Berücksichtigung dieses Faktors hilft dabei, die Unterstützung für den Faschismus von unten zu erklären. Der Vergleich mit dem japanischen Fall zeigt, was den deutschen Faschismus einzigartig macht und wo er einem allgemeinen Muster folgte.

    Titelaufnahme

    Hans Martin Krämer: Neubeginn unter US-amerikanischer Besatzung? Hochschulreform in Japan zwischen Kontinuität und Diskontinuität, 1919-1952. Berlin: Akademie Verlag 2006 (317 Seiten, gebunden, 54,80 Euro, ISBN 3-05-004278-8).

    Weitere Informationen

    Hans Martin Krämer, Tel. 0234/32-26256, hans.martin.kraemer@ruhr-uni-bochum.de, Internet: http://www.ruhr-uni-bochum.de/gj/kraemer.html


    Weitere Informationen:

    http://www.ruhr-uni-bochum.de/gj/kraemer.html


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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