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29.09.2006 13:21

Soziale Netzwerke in der Politischen Kultur des 19. Jahrhunderts

Marietta Fuhrmann-Koch Öffentlichkeitsarbeit
Georg-August-Universität Göttingen

    Initative Pro Geisteswissenschaften: Fördermittel für Publikationsprojekt

    Mit "Sozialen Netzwerken in der Politischen Kultur des 19. Jahrhunderts" befasst sich ein Publikationsprojekt der Göttinger Kulturanthropologin Prof. Dr. Carola Lipp: Die Wissenschaftlerin untersucht am Beispiel der Stadt Esslingen Mikroprozesse der politischen Formierung. Analysiert werden unter anderem Strukturen der liberalen Bewegung im Vormärz sowie Mechanismen der politischen Mobilisierung in der Zeit der Märzrevolution. Von besonderer Bedeutung sind hier Aspekte wie Generation, Alter, Verwandtschaft oder Nachbarschaft. Dabei geht es nicht nur um das bürgerliche Esslingen, sondern auch um Politisierungsprozesse im Handwerker- und Arbeitermilieu. Basis der Forschungen bildet eine in Deutschland einmalige Datenbank: Dort sind alle Personen registriert, die zwischen 1790 und 1855 in Esslingen gelebt haben. Für die zweijährigen Arbeiten stellen Fritz Thyssen Siftung und VolkswagenStiftung Fördermittel in Höhe von 200.000 Euro im Rahmen der Initiative "Pro Geisteswissenschaften" zur Verfügung. Diese Opus Magnum-Förderung beinhaltet ein Freistellungsangebot für herausragende Forscher, die ein großes wissenschaftliches Werk verfassen wollen. Das Vorhaben ist am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie der Universität Göttingen angesiedelt.

    Pressemitteilung
    Göttingen, 29. September 2006 / Nr. 311/2006

    Soziale Netzwerke in der Politischen Kultur des 19. Jahrhunderts
    Initative Pro Geisteswissenschaften: Fördermittel für Publikationsprojekt

    (pug) Mit "Sozialen Netzwerken in der Politischen Kultur des 19. Jahrhunderts" befasst sich ein Publikationsprojekt der Göttinger Kulturanthropologin Prof. Dr. Carola Lipp: Die Wissenschaftlerin untersucht am Beispiel der Stadt Esslingen Mikroprozesse der politischen Formierung. Analysiert werden unter anderem Strukturen der liberalen Bewegung im Vormärz sowie Mechanismen der politischen Mobilisierung in der Zeit der Märzrevolution. Von besonderer Bedeutung sind hier Aspekte wie Generation, Alter, Verwandtschaft oder Nachbarschaft. Dabei geht es nicht nur um das bürgerliche Esslingen, sondern auch um Politisierungsprozesse im Handwerker- und Arbeitermilieu. Basis der Forschungen bildet eine in Deutschland einmalige Datenbank: Dort sind alle Personen registriert, die zwischen 1790 und 1855 in Esslingen gelebt haben. Für die zweijährigen Arbeiten stellen Fritz Thyssen Siftung und VolkswagenStiftung Fördermittel in Höhe von 200.000 Euro im Rahmen der Initiative "Pro Geisteswissenschaften" zur Verfügung. Diese Opus Magnum-Förderung beinhaltet ein Freistellungsangebot für herausragende Forscher, die ein großes wissenschaftliches Werk verfassen wollen. Das Vorhaben ist am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie der Universität Göttingen angesiedelt.

    Die Bestände der Datenbank umfassen eine komplette Familienrekonstruktion von rund 8.000 Ehen aller Religionen sowie 150.000 Verwandschaftsrelationen, die weit zurück bis in das 18. Jahrhundert reichen und selbst Beziehungen vierten Grades abbilden. Die sozialen Daten stammen überwiegend aus Bürger- und Wählerlisten, aus Steuerprotokollen und Einwohnerverzeichnissen sowie aus Bürgerwehrunterlagen. Hinzu kommen zahlreiche Informationen zum politischen Verhalten der Bevölkerung und zu den politischen Aktivitäten der erwachsenen Bewohner in der ersten Hälfe des 19. Jahrhunderts. Die Beziehungsnetze lassen sich mit Hilfe strukturierter Netzwerkanalysen visualisieren, die in Kooperation mit Informatikern erstellt werden. Sie zeigen, wie sich einzelne Akteure im Gesamtgefüge der politischen Handlungsfelder positionierten. Die Datenanalyse beginnt im Jahr 1802, als die ehemals freie Reichsstadt Esslingen - ein frühres Zentrum der Industrialisierung - vom Königreich Württemberg in Besitz genommen wurde, und reicht bis zur Revolution von 1848/49, die auf die Schaffung eines demokratisch verfassten, einheitlichen deutschen Nationalstaates zielte.

    Die Auswertung der Datenbestände macht es zum Beispiel möglich, soziale Prozesse wie die Verarmung bestimmter Schichten direkt zu verknüpfen mit der Frage nach einer politischen Partizipation der betroffenen Gruppe. "Strukturelle Vorgänge bekommen so ,ein Gesicht', und die alte Frage nach dem Zusammenhang von Soziallage und Aktion lässt sich unter diesen Aspekten differenzierter beantworten", betont Prof. Lipp, die auch die verwandtschaftlichen Verflechtungen in Repräsentativorganen der Stadt analysieren wird. "Die Wahlen im 19. Jahrhundert waren Personen-, nicht Parteiwahlen, weshalb soziale Netzwerke eine wichtige Rolle in politischen Entscheidungen spielten. Die Wählerschaft bevorzugte durchgehend Personen aus bestimmten Verwandtschaften, denen sie aufgrund ihrer Amtserfahrung und wirtschaftlichen Potenz entsprechende Kompetenz in der Politik zuschrieb. Politische Lager bildeten sich erst kurz vor der Revolution heraus. Über lokale Wahlbewegungen konnten auch nichtbürgerliche Gruppen in die Stadtführung vordringen", betont Prof. Lipp. Von ihren Untersuchungen erwartet sie daher auch neue Erkenntnisse zur politischen Partizipation von Mittel- und Unterschichten, die in den Forschungen zu Stadtbürgertum und frühem Liberalismus eher vernachlässigt worden sind.

    Kontaktadresse:
    Prof. Dr. Carola Lipp
    Georg-August-Universität Göttingen
    Philosophische Fakultät
    Institut für Kulturanthroplogie/Europäische Ethnologie
    Friedländer Weg 2, 37085 Göttingen
    Telefon (0551) 39-5348, Fax (0551) 39-2232
    e-mail: carola.lipp@phil.uni-goettingen.de


    Weitere Informationen:

    http://www.kaee.uni-goettingen.de/personal/lipp


    Bilder

    Stadtansicht von Esslingen
    Stadtansicht von Esslingen

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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