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18.02.2000 15:46

In Qumran lebte eine religiöse Gemeinschaft

Dr. Thomas Pleil Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

    Qumran war ein Versammlungs- und Arbeitsort einer speziell organisierten religiösen Gemeinschaft. Dies ist ein Ergebnis eines natur- und geisteswissenschaftlichen Forschungsprojekts, das heute und morgen in einem Symposion an der Katholischen Universität Eichstätt (KUE) erörtert wird. Damit scheinen die bis heute in der Wissenschaft diskutierten Interpretationen, Qumran sei eine Niederlassung der Essener, eine Wintervilla, ein Handelsplatz mit Steuerstelle, ein Militärstützpunkt, eine Feinledergerberei oder ein landwirtschaftlicher Gutsherrensitz gewesen, widerlegt. Die Siedlung Qumran am Toten Meer ist seit etwa 50 Jahren, als dort Textfragmente von etwa 800 Schriftrollen aus dem 2. und 1. Jahrhundert vor Christus gefunden wurden, ein wichtiges Thema wissenschaftlicher und religiöser Debatten. Die Schriften geben Aufschluss über das antike Judentum und beleuchten den Hintergrund des frühen Christentums.

    Bei der heute in der Eichstätter Universitätsbibliothek eröffneten Ausstellung "Jericho und Qumran - Zum Umfeld der Bibel" wurde auf die ursprünglich geplante erstmalige Präsentation von Skelettteilen aus Qumran verzichtet. Statt dessen zeigt die Universität Fotos der jetzt zum ersten Mal systematisch untersuchten Knochenfunde aus Qumran, die seit den fünfziger Jahren unbeachtet in Deutschland lagerten. Die Entscheidung, die Funde nicht direkt auszustellen, begründet Veranstalter Prof. Dr. Bernhard Mayer damit, dass die Universität nicht Gefahr laufen wolle, religiöse Gefühle von Juden zu verletzen. Besonders für ultraorthodoxe Juden gelten archäologische Grabungen als Störung der Totenruhe. Unabhängig von dieser Diskussion werden Skelettfunde aus Jericho aus der Zeit um 7.000 vor Christus in der Eichstätter Ausstellung gezeigt, und die wissenschaftlichen Ergebnisse zu Qumran und Jericho in einem Symposion präsentiert.

    Dieses ist wissenschaftlich von besonderer Bedeutung, da bisher vorwiegend aufgrund der Interpretation der Schriftrollen versucht wurde, das Leben in Qumran zu rekonstruieren. Mit den Untersuchungen der Skelettteile war es nun möglich, naturwissenschaftliche Methoden einzubeziehen. In einem interdisziplinären Forschungsprojekt, das von dem Münchner Anthropologen DDr. Olav Röhrer-Ertl und dem Eichstätter Philosophen PD Dr. Ferdinand Rohrhirsch geleitet wurde, wurden Methoden der Philosophie, Anthropologie, Archäologie, Botanik, Geologie, Hydrologie, Paläoökologie und Physik angewandt. Die Untersuchung der Skelettteile, aber auch Bodenproben, helfen nun, das Leben in Qumran zur Zeit Jesu besser rekonstruieren zu können.

    Dabei zeigte sich unter anderem, dass in Qumran Männer und Frauen lebten. Die Tatsache, dass Männer und Frauen auf den drei Friedhöfen von Qumran bestattet worden waren, lässt Rohrhirsch darauf schließen, dass Qumran nicht von einer zölibatären, mönchsähnlichen Gemeinschaft besiedelt war. Diese Gemeinschaft bewirtschaftete Qumran nach Art der orientalischen Oasenkultur; die Haupterträge wurden durch Dattelpalmenzucht erbracht. Eine halbstationäre Viehzucht könne darüber hinaus angenommen werden. Die anthropologischen Untersuchungen ergaben, dass die Bewohner Qumrans intensive körperliche Arbeit nicht gewohnt waren und daher einer sozialen Führungsschicht angehörten. "Die Anlage der Siedlung Qumran scheint nicht primär auf Wohnzwecke mit 'privaten Bereichen' ausgerichtet zu sein, sondern sich spezifischen Gemeinschaftsfunktionen unterzuordnen", erklärt Rohrhirsch. Die bauliche Ausführung der Anlage sei einfach und zeige keinen Hang zum Luxus. "Im Gegensatz dazu steht das Wassernutzungs- und -leitungssystem, das weit über die zu erwartenden Dimensionen hinausgeht". Durch den Nachweis einer kontinuierlichen Wasserversorgung besteht nach Ansicht von Rohrhirsch kein Grund mehr, deren primär kultische Funktion in Abrede zu stellen, die demnach in Qumran eine herausragende Rolle gespielt zu haben scheint. Die These, in Qumran habe eine besondere religiöse Gemeinschaft gelebt, wird damit neu zur Diskussion gestellt.


    Weitere Informationen:

    http://www.ku-eichstaett.de/KTF/Neutest/qumran.htm
    http://www.ku-eichstaett.de/zuv/presse/pi/kurth.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie, Philosophie / Ethik, Religion
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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