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22.02.2000 18:05

Pflanzenfasern ersetzen Glasfasern in neuartigen Verbundwerkstoffen

Stefan Schwendtner Stabsstelle Zentrale Kommunikation
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    Klassische Kulturpflanzen wie Hanf und Lein erleben eine Renaissance. Ihre Fasern können vielleicht schon bald bei der Herstellung von High-Tech-Produkten eine Rolle spielen. Pflanzenfasern werden zunehmend als Armierungselemente in modernen Kunststoffen eingesetzt. Auf diesem Gebiet entstehen gegenwärtig zahlreiche neue technologische Lösungen. Im Vergleich zu Glasfasern, die häufig als Verstärkungskomponenten genutzt werden, bieten Pflanzenfasern eine Reihe von Vorteilen. Sie sind deutlich leichter, gesundheitlich unbedenklich, mehrfach nutzbar und einfach zu entsorgen.
    Am Institut für Acker- und Pflanzenbau der Martin-Luther-Universität hat eine Forschergruppe um Prof. Dr. Wulf Diepenbrock jetzt eine Studie abgeschlossen, in der die Eignung von Öllein als Faserlieferant untersucht worden ist. Ölleinfasern kommen demnach auch als Rohstoff für nicht textile Anwendungen in Frage.
    Zur Zeit läuft in Zusammenarbeit mit zwei mittelständischen Unternehmen ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördertes Projekt. Hierbei werden die Qualitätsanforderungen an den Faserrohstoff für eine Verarbeitung im Spritzgießverfahren analysiert.

    Dass Pflanzenfasern wichtige Rohstoffe für die Textilindustrie sind, ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist hingegen, dass Stängel- oder sogenannte Bastfasern - auch über ganz hervorragende mechanische Eigenschaften verfügen. Als Festigungsgewebe in Pflanzenstängeln sorgen sie für ein Maß an Stabilität, das trotz aller Ingenieurskunst von keiner architektonischen Konstruktion je erreicht werden wird. Das Verhältnis von Durchmesser zur Höhe des Stängels beträgt beispielsweise beim heimischen Lein etwa 1:400. Der Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz hätte bei einem Sockeldurchmesser von 32 m über 12 km hoch gebaut werden können, wenn Stahlbetonkonstruktionen auch nur annähernd so stabil wären, wie der fasergestützte Leinstängel. Diese sagenhaften Eigenschaften der Pflanzenfasern wurden schon vor einigen Jahren von der Industrie entdeckt. Bislang erfolgt die industrielle Weiterverarbeitung allerdings vorwiegend für einfache Produkte mit geringer Wertschöpfung. Beliebt sind Pflanzenfasern für die Herstellung ökologisch unbedenklicher Dämmstoffe. Autohersteller verwenden sie etwa in Formpressteilen wie Hutablagen und Türverkleidungen, deren mechanische Beanspruchung eher gering ist.
    High-Tech-Potential von Pflanzenfasern nutzen

    "Mit diesen einfachen Anwendungen ist das Potential von Pflanzenfasern noch nicht ausgeschöpft", erklärt Dr. Eckhard Grimm, der zusammen mit Prof. Diepenbrock das Forschungsvorhaben leitet, "wenn es gelingt den pflanzlichen Rohstoff so zu erzeugen, dass die mechanischen Fasereigenschaften geringen Schwankung unterliegen, dann werden Pflanzenfasern auch für technologisch anspruchsvolle Produkte interessant."
    Im Rahmen eines bereits abgeschlossenen Projektes wurden hauptsächlich die Eigenschaften von Öllein-Fasern analysiert. "Wir mußten zunächst einmal das Testverfahren dem Material und seinen Nutzungsmöglichkeiten anpassen", so Grimm, "wirklich zuverlässige Vergleichsdaten sind noch immer rar, da es für Bastfasern bisher keine einheitlichen Prüfmethoden gibt."
    "Die Studie hat uns Aufschluß über das Leistungsvermögen der Öllein-Fasern gegeben", berichtet Dipl.-Ing. Heinrich Rennebaum, der der Gruppe als Doktorand angehört, "wir wissen heute, wo die Unter- und Obergrenzen der Faserleistung liegen." Nicht zufällig konzentrierten sich die Arbeiten auf Öllein: Die Vermarktung von zwei Produkten, dem Leinöl und der Faser, läßt wirtschaftliche Vorteile erwarten. Dem Pflanzenzüchter können Hinweise gegeben werden, welche Merkmale zu berücksichtigen sind, um geeignete Sorten für eine solche Doppelnutzung zu entwickeln.
    Der Einsatz von Pflanzenfasern als Armierung in Verbundwerkstoffen setzt eine zuverlässige mechanische Analyse voraus. Nur so können reproduzierbare Eigenschaften in hochwertigen Verbundwerkstoffen garantiert werden. Im Labor von Grimm werden Pflanzenfasern u.a. auf Zugfestigkeit, Dehnung und Feinheit geprüft. Aus diesen Parametern lassen sich Qualitätsstandards ableiten - eine wichtige Voraussetzung für die industrielle Nutzung und Vermarktung insbesondere heimischer Fasern. Deutsche Produzenten behaupten sich nur dann gegenüber einer starken, internationalen Konkurrenz, so die einhellige Meinung der Faserspezialisten, wenn sie den Markt mit Fasern gleichbleibender, möglichst hoher Qualität bedienen können.

    Industrielle Nutzung durch praxisnahe Forschung

    Seit kurzem arbeitet die Forschergruppe gemeinsam mit zwei Unternehmen an einem Projekt mit dem Titel "Substitution von Glasfasern in Spritzgießteilen durch Pflanzenfasern - Aufbau einer technologischen Linie". Im Mittelpunkt steht die Entwicklung einer integrierten technologischen Lösung von der landwirtschaftlichen Rohstoffproduktion bis hin zu einem marktfähigen Endprodukt. Herkömmliche Maschinentechnik wird an die Verarbeitung von Pflanzenfasern angepasst. Grimm ist optimistisch: "Wir hoffen sehr, dass durch diese Arbeiten ein Tor für eine breite, intelligente Anwendung von Bastfasern aufgestoßen wird."

    Stefan Schwendtner

    Kontakt:
    Prof. Dr. Wulf Diepenbrock
    Dr. Eckhard Grimm
    Landwirtschaftliche Fakultät
    Institut für Acker- und Pflanzenbau
    Tel. 5 52 25 97
    Fax 5 52 71 19
    Mail: grimm@landw.uni-halle.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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