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14.11.2006 10:26

Die Furcht vor den "Anderen" - den Juden

Dr. Ute Schönfelder Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Prof. Frindte von der Universität Jena legt Streitschrift "Inszenierter Antisemitismus" vor

    Jena (14.11.06) Geiziger seien sie, raffgieriger und unehrlicher - zugleich aber auch erfolgreicher, ehrgeiziger und klüger. "So beschreiben die Deutschen die Juden im Vergleich zu den Christen", stellt Prof. Dr. Wolfgang Frindte von der Friedrich-Schiller-Universität Jena fest. Der Kommunikationspsychologe und sein Team hat in einer repräsentativen Studie über 400 Menschen etwa 30 Eigenschaften vorgelegt und gefragt, inwieweit diese eher auf die eine oder andere religiöse Gruppe zutreffen.

    Das Ergebnis hat Frindte nicht überrascht. "Es macht das zwiespältige Verhältnis deutlich, in dem Christen und Juden von jeher leben". Ihre "Ambivalenz" sei es jedoch auch, die die Juden für autoritär eingestellte und nationalistisch denkende Menschen geradezu als Feindbild prädestiniere. "Die Juden sind das einzige Volk, dass über die ganze Welt verstreut lebt", erklärt Prof. Frindte. "Für Nationalisten, die sich als ein Volk in einem Staat definieren, ist die Internationalität der Juden deshalb ein Dorn im Auge".

    In seinem gerade erschienenen Buch "Inszenierter Antisemitismus" geht Wolfgang Frindte den Ursachen und Erscheinungsformen des "modernen" Antisemitismus auf den Grund. "Dieser inszeniert sich vorzugsweise als Skandal", fand der Autor heraus. Etwa durch medienwirksam in Szene gesetzte Tabubrüche. "Denken Sie z. B. an die Flugblattaffäre von Jürgen Möllemann", erinnert Frindte. Kurz vor der anstehenden Bundestagswahl 2002 ließ der damalige FDP-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen an alle Haushalte in diesem Bundesland Flugblätter verteilen. Darin griff Möllemann den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon scharf an. "Was als ,liberale Kritik' an der Politik Israels daher kam, war jedoch nichts anderes als antisemitische Propaganda", so Frindte.

    Dass es sich dabei um keinen Einzelfall handelte, belegt der Psychologe der Jenaer Universität in seinem Buch. In historischen Exkursen zeichnet er die Geschichte des inszenierten Antisemitismus nach und verknüpft diese mit zahlreichen eigenen Erhebungen und aktuellen Bezügen. So untersuchten Frindte und seine Kollegen etwa den Zusammenhang von Nationalismus und Antisemitismus oder welche Rolle Antisemitismus als Triebfeder für Ausländerfeindlichkeit unter Jugendlichen spielt.

    "Den ,modernen' Antisemiten geht es nicht um Anfeindungen einzelner Juden", schlussfolgert der Kommunikationspsychologe. Ihr Ziel sei vielmehr die Vernichtung der Juden als Volk. "Dabei gibt sich der ,moderne' Antisemitismus betont ,nicht-antisemitisch' und ist so wieder salonfähig geworden", behauptet Frindte. Es reichen Andeutungen und Anspielungen, in denen etwa den Juden eine Mitschuld an ihrer Vertreibung und Ermordung zugeschrieben und der Holocaust verniedlicht wird.

    Mit seinem als "Streitschrift" untertitelten Buch will Wolfgang Frindte deshalb nicht nur Antisemitismus aufdecken und kenntlich machen, sondern auch eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema in Gang setzen. Denn nach wie vor sei der Antisemitismus genau das, was er zu sein vorgibt: eine tödliche Gefahr für Juden und sonst nichts, schließt sich Frindte bereits eingangs seines Buches einem Zitat der jüdischen Publizistin Hannah Ahrendt an. Und: "Tödliche Gefahren muss man bekämpfen."

    Bibliographische Angaben:
    Frindte, Wolfgang: "Inszenierter Antisemitismus. Eine Streitschrift", VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2006. 29,90 Euro. ISBN: 3-531-15101-0

    Kontakt:
    Prof. Dr. Wolfgang Frindte
    Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Am Steiger 3 / Haus 1, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945280
    E-Mail: wolfgang.frindte[at]uni-jena.de


    Bilder

    Cover der neuen Publikation von Prof. Frindte von der Universität Jena.
    Cover der neuen Publikation von Prof. Frindte von der Universität Jena.

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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