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Wissenschaft
"Was sollen wir tun?" - Diese Grundfrage der Ethik stand im Mittelpunkt der Tagung "Internationale Gerechtigkeit", die unter der Leitung des Politikwissenschaftlers Karl Graf Ballestrem an der Katholischen Universität Eichstätt (KUE) stattgefunden hat. Die Themenpalette war breit gefächert und reichte von den theoretischen Grundlagen einer möglichen weltweiten Gerechtigkeit bis hin zu konkreten praktischen Problemen, wie sie sich zum Beispiel im Völkerrecht, bei Fragen der Staatsbürgerschaft oder im Verhältnis zwischen reichen und armen Ländern ergeben. Mehr als fünfzig führende Wissenschaftler, vorwiegend aus den Bereichen Politikwissenschaft und Philosophie, sowie zahlreiche Besucher nahmen an der dreitägigen Veranstaltung teil.
Einen Eindruck von der Fülle der Probleme, die entstehen, wenn für internationale Beziehungen Handlungsprinzipien zur Gerechtigkeit aufgestellt werden sollen, vermittelte das Eröffnungsreferat von Franz Magnis-Suseno. Der in Indonesien lebende Jesuitenpater, der sich besonders um die Versöhnung zwischen Christen und Moslems verdient gemacht hat, wies darauf hin, dass es schwierig sei, die Situation in seiner Wahlheimat von außen zu beurteilen. Zwar habe die Androhung eines internationalen Tribunals für Osttimor im vergangenen Herbst dazu beigetragen, dem Morden durch das Militär ein Ende zu bereiten. Dennoch könnten vorschnelle Festnahmen von Militärangehörigen das empfindliche Gleichgewicht im Land stören und dadurch zu einem Rückschlag für die Demokratie führen. Politische Ethik müsse deshalb immer eine Güterabwägung einschließen, so Suseno. Der Pater sprach sich zudem entschieden gegen internationale Sanktionen aus - Wirtschaftsboykotte träfen ohnehin nur die Ärmsten.
Ähnlich argumentierte auch der österreichische Philosoph Peter Koller: Er betonte, in allen innerstaatlichen Angelegenheiten müssten die Nationen nach "eigenem Gutdünken handeln dürfen". Das bedeute aber nicht, dass sie machen könnten, was sie wollen. Als wichtigste Leitsätze für das internationale Zusammenleben machte der am Institut für Rechtssoziologie in Graz lehrende Wissenschaftler ein Kriegs- und Gewaltverbot sowie Verteilungsgerechtigkeit aus: "Wir können doch nicht so tun, als ob es die Armen dieser Welt einfach nicht gäbe oder als ob sie an ihrem Elend selbst Schuld seien", so Koller.
Auch dem New Yorker Politologen Thomas Pogge ging es um die Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich. Vor allem sein Vorschlag zur Einführung einer globalen Rohstoffdividende hat den Deutsch-Amerikaner bekannt gemacht. Darin geht Pogge davon aus, dass die Erde und ihre Rohstoffe allen Menschen gemeinsam gehören. Fördert nun zum Beispiel ein Land Erdöl, so müsse es eine Abgabe in einen Fonds zahlen; aus diesem Topf würden dann nach einem bestimmten Schlüssel all jene Länder bedient, die entweder gar kein Erdöl fördern oder lediglich in geringen Mengen.
Pogges Vorschlag stieß während der Tagung jedoch auch auf Widerspruch: André Habisch, Eichstätter Professor für Christliche Gesellschaftslehre, zum Beispiel vertrat die Ansicht, dass es heute keine Ausbeutung mehr gebe, sondern allenfalls eine "elementare Beziehungslosigkeit". Statt über Umverteilung nachzudenken, sollte man sich besser Gedanken über den Aufbau von Beziehungen machen, forderte Habisch.
Auch die Referate zum Völkerrecht, in denen es unter anderem um die Frage ging, wann ein Krieg als gerecht bezeichnet werden kann, spaltete die Zuhörer. So wurde diskutiert, dass der Krieg drei Dimensionen habe, nämlich eine juristische, eine politische und eine moralische. Der Kosovokrieg habe gegen bestehendes Völkerrecht verstoßen und sei auch politisch und moralisch ein Fehler gewesen, so der Frankfurter Völkerrechtler Michael Bothe. "Militärische Interventionen als Instrument, um mehr Gerechtigkeit in der Welt durchzusetzen: Wir sollten wahrlich über Besseres nachdenken."
Autorin: Kerstin Zyber
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Politik, Recht
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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