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22.01.2007 12:22

In Promotionsverbünden strukturiert promovieren

Michael Seifert Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Neues Förderprogramm für den wissenschaftlichen Nachwuchs

    Die Universität Tübingen hat ein neues Instrument der Promotionsförderung, die Promotionsverbünde, geschaffen, um den wissenschaftlichen Nachwuchs in eine strukturierte Promotionsförderung einzubinden. In Promotionsverbünden, die kleiner sind als die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkollegs, werden die Doktoranden in neue disziplinäre Forschungsprojekte eingebunden und erhalten eine Ausbildung mit bestmöglichen Betreuungs- und Qualifizierungsprogrammen. Die neue Maßnahme soll zu größerer Erfolgswahrscheinlichkeit einer Promotion führen, die Netzwerkbildung zwischen den Doktoranden fördern und die Promotionsphase verkürzen. Insgesamt wurden auf Vorschlag der Forschungskommission vom Rektorat sieben Promotionsverbünde eingerichtet, die über zwei Jahre hinweg mit bis zu 74.000 Euro pro Jahr gefördert werden können.

    Das neue Förderprogramm ist ein Vorgriff auf eine universitätsweite Graduiertenakademie, die die Universität Tübingen in ihrem Zukunftskonzept in der Exzellenzinitiative beantragt hatte. Nachdem nun das Zukunftskonzept wegen der fehlenden Bewilligung einer Graduiertenschule nicht zum Zuge kommen wird, setzt die Universität ihre Bemühungen um die Ermöglichung von strukturiertem Promovieren aus eigenen Mitteln um. Es ist vorgesehen, pro Jahr mehrere neue Promotionsverbünde mit je 5 bis 7 Stipendiaten in der Landesgraduiertenförderung und Infrastrukturmaßnahmen zu fördern. Promotionsverbünde erfordern eine gemeinsame Antragstellung von drei bis vier Hochschullehrern aus unterschiedlichen Disziplinen mit einem disziplinübergreifenden Rahmenthema.

    Die Themen der jetzt neu gegründeten sieben Promotionsverbünde sind:

    Von der molekularen Wechselwirkung zum biologischen Signal
    Abgrenzung - Ausgrenzung - Entgrenzung: Gender als Prozess und Resultat von Grenzziehungen
    Funktion und Pathophysiologie der Sinneszellen im Innenohr
    Identifizierung und Validierung von Arzneistofftargets
    Römischer bis neuzeitlicher Bergbau in Wiesloch (Baden) aus lagerstättenkundlicher, historischer und archäologischer Sicht
    Ikonen - Leitfiguren. Zur Analyse von Prozessen kultureller Normeinschreibung
    Bedrohte Ordnungen: Wahrnehmung von Gefährdungen und bestandsichernde Gegenstrategien von der Antike bis zur Gegenwart.

    Anlage

    Von der molekularen Wechselwirkung zum biologischen Signal

    Sprecher:
    Prof. Dr. Erwin Schleicher, Medizinische Fakultät
    Weitere beteiligte Wissenschaftler:
    Prof. Dr. Günter Gauglitz, Fakultät für Chemie und Pharmazie
    PD Dr. Rainer Lehmann, Medizinische Fakultät
    Prof. Dr. Thilo Stehle, Fakultät für Chemie und Pharmazie

    Viele essentielle Vorgänge in lebenden Organismen werden durch die Bindung von Botenstoffen (Hormone u.ä.) an spezifische, zellständige Rezeptoren reguliert. Die molekularen Mechanismen der Signalübertragung vom Extra- in den Intrazellularraum und die dadurch ausgelöste biologische Antwort sind bislang sehr unvollständig bekannt. Die Aufklärung dieser Vorgänge erfordert vielfältige Expertisen u. a. in der Bestimmung biologischer Antworten nach Stimulierung durch physiologische und pathologische Agenzien, Nachweis biochemischer Signalübertragungswege, Strukturanalyse von Proteinen und quantitative Bestimmung der Wechselwirkung von Bindungspartnern von Signalkomponenten. Diese vielfältige Expertise kann nur durch Kooperation von verschiedenen Disziplinen erreicht werden. Die angestrebte Plattform bietet für Doktoranden außerordentlich günstige Möglichkeiten interdisziplinär zu arbeiten und die Regulation von biologischen Vorgängen und deren Störung in einem Gesamtkonzept zu erlernen und zu bearbeiten.

    Abgrenzung - Ausgrenzung - Entgrenzung: Gender als Prozess und Resultat von Grenzziehungen

    Sprecherin:
    Prof. Dr. Ingrid Hotz-Davies, Seminar für Englische Philologie
    Weitere beteiligte Wissenschaftlerinnen:
    Prof. Dr. Regine Gildemeister, Institut für Soziologie,
    Prof. Dr. Dorothee Kimmich, Deutsches Seminar
    Prof. Dr. Schamma Schahadat, Slavisches Seminar
    Prof. Dr. Stefanie Würth, Deutsches Seminar / Skandinavistik

    Die Kategorie "Geschlecht", das gesamte sex-gender-System, ist das Resultat einer kulturellen Setzung. Es handelt sich dabei um Prozesse der Grenzziehung, Abgrenzung, Ausgrenzung, aber auch der kontinuierlichen Grenzüberschreitung, deren Sanktionierung oder Legitimierung. Der Promotionsverbund möchte sich daher der Frage widmen, wie unter konkreten Umständen, in spezifischen literarischen Texten, in konkreten historischen Konstellationen Grenzziehungen vorgenommen bzw. repräsentiert werden, wie und für wen diese Grenzen durchlässig oder überschreitbar sind, wie sie gegen Auflösung gesichert sind. Diesen Fragestellungen soll mithilfe verschiedener Methoden nachgegangen werden, wie sie etwa in der Soziologie und in den verschiedenen Fächerkulturen der beteiligten Philologien gepflegt werden. Unter der Vorgabe einer gemeinsamen Arbeit am "Text" sollen die Fragen nach der Grenzsetzung als sozialer Praxis und performativem Akt, der Grenze als Resultat, nach den Differenzen zwischen den beiden Räumen jenseits der Grenzen und nach den Zwischenräumen verhandelt werden.

    Funktion und Pathophysiologie der Sinneszellen im Innenohr

    Sprecherin:
    Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. habil. Marlies Knipper, Molekulare Neurobiologie, HNO-Klinik
    Weitere beteiligte WissenschaftlerInnen:
    Dr. rer. nat. Jutta Engel, Physiologisches Institut
    Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. habil. Peter Ruth, Pharmazeutisches Institut
    Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. hc. Nikolaus Blin, Institut für Anthropologie und Humangenetik
    PD Dr. med. Markus Pfister, Molekulare Genetik, HNO-Klinik

    Der Promotionsverbund "Funktion und Pathophysiologie der Sinneszellen im Innenohr" bündelt bestehende Forschungsaktivitäten von Molekularbiologen, Pharmazeuten, Genetikern, Medizinern und Biophysikern. Besonders qualifizierte Doktoranden sollen durch diesen Promotionsverbund Einblicke in klinisch relevante Forschungstrategien aus dem Bereich der Entstehung und Vermeidung von Schwerhörigkeiten bekommen. Die Doktoranden haben die Möglichkeit, die revolutionäre Neuentwicklung der zellspezifischen Deletion von Genkonstrukten als Technik zur Beantwortung komplexer Fragen - wie die nach der Entstehung von Prädispositionen für Schwerhörigkeiten - kennenzulernen. Die Kollegiaten sollen durch die individuelle und kombinierte zellspezifische Deletion funktionell gekoppelter Gene der inneren Haarsinneszelle die Folgen für die Einzelzelle und das Gesamtorgan untersuchen. Sie erhalten dadurch die Möglichkeit, diese neuen Techniken in der grundlagen- und krankheitsorientierten Forschung zu nutzen.

    Identifizierung und Validierung von Arzneistofftargets

    Sprecher:
    Prof. Dr. Stefan Laufer, Pharmazeutisches Institut
    Weitere beteiligte WissenschaftlerInnen:
    Prof. Dr. Oliver Werz, Pharmazeutisches Institut
    Prof. Dr. Gabriele Dodt, Interfakultäres Institut für Biochemie
    Prof. Dr. Martin E. Maier, Institut für Organische Chemie
    Prof. Dr. Thomas Ziegler, Institut für Organische Chemie II

    Noch immer bedient sich die pharmakologische Therapie verschiedener Erkrankungen zahlreicher Arzneistoffe, die zwar schon sehr lange angewandt werden und sehr gute Wirksamkeit zeigen, jedoch die molekulare Wirkweise häufig unklar und die zellulären Zielstrukturen (Targets) nur teilweise bekannt sind. Das übergeordnete Ziel des Forschungsprogramms des Promotionsverbundes ist die Identifizierung von pharmakologisch relevanten Targets für ausgewählte entzündungshemmende Arzneistoffe im weitesten Sinne. Es sollen Mechanismen und Targets identifiziert werden, mit Hilfe derer die bereits bekannte Pharmakodynamik und Pharmakokinetik auf molekularer Ebene besser verständlich wird. Aus der gewonnenen Kenntnis soll die Möglichkeit genutzt werden, Arzneistoffe zu profilieren und weiterzuentwickeln. Methodischer Ansatz für dieses Projekt ist die Immobilisierung von Arzneistoffen für einen Target-Fishing-Approach, woran sich die funktionelle Charakterisierung der Arzneistoff-Targetinteraktion anschliesst. In diesem Zusammenhang kommt der Entwicklung neuer Linkersysteme besondere Bedeutung zu. Dies soll durch einen interagierenden Promotionsverbund verschiedener Disziplinen der "life sciences" in einem integrativen Ansatz erfüllt werden. Zusammenfassend soll es gelingen, mit einer interdisziplinär zusammengesetzten Gruppe von Wissenschaftlern gemeinsam eine Strategie der Arzneistoffentwicklung voranzutreiben und dabei Targets und Wirkungsweisen von prominenten Arzneistoffen zu erforschen, mit dem langfristigen Ziel, entzündungshemmende Arzneistoffe mit verbesserter Pharmakodynamik und Pharmakokinetik zu entwickeln.

    Römischer bis neuzeitlicher Bergbau in Wiesloch (Baden) aus lagerstättenkundlicher, historischer und archäologischer Sicht

    Sprecher:
    Prof. Dr. Gregor Markl, Institut für Geowissenschaften
    Weitere beteiligte Wissenschaftler:
    Prof. Dr. Sönke Lorenz, Institut für geschichtliche Landeskunde und historische Hilfswissenschaften
    Prof. Dr. Ernst Pernicka, Institut für Ur- und Frühgeschichte

    Der hier beantragte Promotionsverbund befasst sich mit der historischen, archäologischen und geowissenschaftlichen Bearbeitung der Blei-Zink-Silber-Lagerstätte Wiesloch bei Heidelberg, Die Besonderheiten von Wiesloch sind im Detail:
    aus historischer Sicht: Es ist römischer, karolingischer, mittelalterlicher, frühneuzeitlicher und neuzeitlicher Bergbau nachweisbar; Wiesloch war vermutlich neben Melle in Südfrankreich die zweite wichtige Quelle für Silber in karolingischer Zeit, noch vor den berühmten "ottonischen" Vorkommen im Harz.

    aus geologischer Sicht: Das Erzlager von Wiesloch befindet sich nahe der Oberfläche und steht im Muschelkalk mehrere Meter mächtig an. Wiesloch zeigt neben der Anreicherung von Silber eine Anreicherung von Thallium, wie sie weltweit nur wenige Lagerstätten (anderen Typs) aufweisen. Da Thallium extrem giftig ist, eröffnet dies neben der lagerstättengeologischen Perspektive auch wichtige umweltrelevante Fragestellungen.

    aus archäologischer Sicht: Die im Gelände sichtbaren vormittelalterlichen Bergbau- und Verhüttungsspuren sind gewaltig. Hinzu kommt, dass aus der Umgebung von Wiesloch reichlich mittelalterliche Metallartefakte in Form von Münzen (z. B. Speyrer oder Wormser Pfennig) oder Kirchendächern (aus Blei) erhalten sind, die die Bedeutung des Bergbaues im Mittelalter abzuschätzen helfen.

    Die Verbindung der drei Disziplinen in fünf Dissertationen wird diese bedeutende Lagerstätte kulturgeschichtlich und geologisch umfassend bearbeiten und wir erwarten, ein Standardbeispiel mitteleuropäischer Bergbaugeschichte und international ungewöhnlicher Lagerstättengenese zu entschlüsseln.

    Ikonen - Leitfiguren.
    Zur Analyse von Prozessen kultureller Normeinschreibung

    Sprecher:
    Prof. Dr. Klaus Ridder, Deutsches Seminar
    Weitere beteiligte Wissenschaftler:
    Prof. Dr. Georg Braungart, Deutsches Seminar
    Prof. Dr. Bernd Engler, Englisches Seminar
    Prof. Dr. Joachim Knape, Seminar für Allgemeine Rhetorik

    Der Promotionsverbund soll an exemplarischen Fällen untersuchen, wie kulturelle Umbruchs- und Stabilisierungsprozesse durch die Etablierung von Leitfiguren befördert oder überhaupt erst initiiert werden. Erforscht wird dabei, entsprechend den beteiligten Disziplinen, wie solche Leitfiguren in Texten literarisch und rhetorisch inszeniert werden. Erst die Inszenierung gibt den jeweiligen kulturellen Normen und Orientierungsmustern ein 'Gesicht', macht abstrakte Leit- und Richtlinien zu Leitfiguren. In diesem Sinne der Inszeniertheit, der Anschaulichkeit, kann man auch von kulturorientierenden Ikonen sprechen. Was leisten solche Ikonisierungen, und welche Gefahren bergen sie? Orientierung an gemeinsamen Leitfiguren stiftet bzw. fördert Integrationsprozesse und Gruppenidentität, grenzt aber auch aus und schafft Bilder des 'Anderen', 'Fremden' und 'Feindlichen' (negative Leitfiguren). Der Promotionsverbund wird der Frage nachgehen, durch welche Strategien und Mechanismen Leitfiguren entstehen und inszeniert werden und auf welche Weise sie gesellschaftlich-kulturelle Prozesse steuern.

    Bedrohte Ordnungen: Wahrnehmung von Gefährdungen und bestandsichernde Gegenstrategien von der Antike bis zur Gegenwart

    Sprecher:
    Prof. Dr. Georg Schild, Historisches Seminar

    Weitere beteiligte Wissenschaftler:
    Prof. Dr. Jürgen Leonhardt, Philologisches Seminar
    Prof. Dr. Mischa Meier, Historisches Seminar
    Prof. Dr. Anton Schindling, Historisches Seminar

    Historiker haben sich seit je her mit der Entstehung, Struktur und Bedrohung sozialer, politischer und religiös determinierter Ordnungen menschlicher Gesellschaften befasst. Die fortschreitende Differenzierung innerhalb des Fachs Geschichte hat jedoch dazu geführt, dass sich unterschiedliche Ansätze zur Erforschung solcher Ordnungen und ihrer Bedrohungen entwickelt haben. Der geplante Promotionsverbund schlägt Brücken sowohl innerhalb des Fachs als auch zwischen der Geschichtswissenschaft und benachbarten Disziplinen. Historiker unterschiedlicher Arbeitsgebiete werden kooperieren, um Fragen nach Ordnungen und ihren Bedrohungen mit einem neuen Ansatz zu untersuchen, den wir als integrativ bezeichnen. Ereignisse und Strukturen sollen nicht wie bisher in Einzelschichten, sondern in einem übergreifenden historischen Kontext analysiert werden. Eine zweite Brücke bringt Historiker und Philologen zusammen. Das Ziel ist es, durch die prominente Einbeziehung der Altphilologie eine über 2000 Jahre währende historische Kontinuität europäisch-westlicher Denktraditionen, die durch das Lateinische verkörpert wird, zu erforschen.

    EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit o Michael Seifert
    Wilhelmstr. 5 o 72074 Tübingen
    Tel.: 0 70 71 o 29 o 7 67 89 o Fax: 0 70 71 o 29 o 5566
    E-Mail: presse1@verwaltung.uni-tuebingen.de
    Wir bitten um Zusendung von Belegexemplaren!


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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