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07.04.2000 11:21

Werkstatt Evolution: zurück zum Ursprungs-Insektenbauplan

Jürgen Abel M. A. Pressestelle
Universität Bayreuth

    Dem Bayreuther Genetiker Dr. Ernst A. Wimmer ist zusammen mit US-Forschern eine Art künstliche "De-Evolution" gelungen, indem sie stammesgeschichtlich abgeleitete Prozesse der Fliegenentwicklung durch Herumbasteln in einen Zustand zurückführten, der dem ursprünglichen Insektenbauplan entsprechen soll.

    Bayreuther Genetiker und US-Forschern gelang eine Art künstliche De-Evolution:
    BASTELWERKSTATT EVOLUTION: ZURÜCK
    ZUM URSPRÜNGLICHEN INSEKTENBAUPLAN
    Hinweise auf Art und Weise des Ablaufs von Evolutionsprozessen

    Bayreuth (UBT). Nobelpreisträger François Jacob distanzierte sich 1977 in dem Science-Artikel "Evolution and Tinkering" von der Vorstellung, Evolution sei das Produkt "zielgerichteter Ingenieursleistungen". Während Ingenieure von Anfang an durch Verwendung speziell gefertigter Teile auf eine Optimierung ihres Produkts abzielen, arbeitet die Evolution vielmehr wie ein Bastler, der versucht, bereits vorhandene Materialien neu zusammenzusetzen. Die Produkte bleiben jedoch Flickwerk. Wie vielschichtig solche evolutionären Flickarbeiten ausgebildet sein können, zeigte Dr. Ernst Wimmer (Universität Bayreuth) zusammen mit Kollegen der New York University, USA, am Beispiel der Embryonalentwicklung der Taufliege auf (Science vom 31. März 2000). Wimmer und den US-Forschern Alan Carlston, Phoebe Harjas, Terry Turner und Claude Desplan gelang eine Art künstliche "De-Evolution", indem sie stammesgeschichtlich abgeleitete Prozesse der Fliegenentwicklung durch Herumbasteln in einen Zustand zurückführten, der dem
    ursprünglichen Insektenbauplan entsprechen soll.

    Im Laufe der Keimesentwicklung eines vielzelligen Organismus empfangen Embryonalzellen Positionsinformationen, die ihr
    Entwicklungsschicksal bestimmen. Die Zellen reagieren dabei auf Molekül-Gradienten, die konzentrationsabhängig die Zellidentität festlegen und so zu einer klar gegliederten räumlichen Anordnung von Zellaktivitäten führen. Entsprechende Moleküle werden als Morphogene bezeichnet. Die graduelle Verteilung des Proteins Bicoid im frühen Fliegenembryo war historisch gesehen das erste klare
    Indiz für die Existenz gestaltbildender Gradienten. Funktionelle Untersuchungen haben dem Bicoid-Gradienten beispielhaften Charakter verliehen: niedrige Konzentrationen von Bicoid führen zur Ausbildung des Brustbereichs, während hohe Konzentrationen den Kopfbereich festlegen. Allerdings wurde das Gen bicoid anscheinend erst durch eine Gen-Duplikation in der stammesgeschichtlichen
    Entwicklungslinie der Fliegen hervorgebracht, d.h. bicoid scheint erst während der Evolution der Fliegen entstanden zu sein, was die Frage aufwirft, wie primitivere Insekten ihren Körperbauplan festlegen.

    Da das stammesgeschichtlich konservierte Protein Hunchback in der Fliege gestaltbildenden Charakter bei der Hinterleibsentwicklung gezeigt hatte, haben Wimmer und die New Yorker Wissenschaftler untersucht, ob und welche Bicoid-Funktionen möglicherweise durch Hunchback ersetzt werden können. Die Re-Etablierung des vermuteten, ursprünglichen Regulationskreises, in dem Hunchback
    das Morphogen Bicoid ersetzt, zeigte, dass der Brustbereich des Fliegenembryos auch ohne die Funktion von Bicoid ausgebildet werden kann. Dies veranschaulicht zum einen die Vielschichtigkeit, mit der embryonale Entwicklungsprozesse angelegt sind, da sich zwei nicht verwandte Proteine in ihrer Funktion partiell ersetzen können. Zum anderen deutet das Ergebnis auch darauf hin, wie die Embryonalentwicklung in Insekten, in denen kein bicoid Gen gefunden wurde, gesteuert werden könnte.

    Darüber hinaus geben die Ergebnisse einen Hinweis auf die Art und Weise, wie Evolutionsprozesse abgelaufen sein könnten. Die genetische Bastelei, welche die Keimesentwicklung der Fliege in den angenommenen, stammesgeschichtlich ursprünglicheren Zustand
    zurückversetzt hat, beruht rein auf Veränderungen der Ablesemuster und Ableseintensitäten vorhandener Gene. Derartige subtile Änderungen stellen auch die wahrscheinlichsten Grundlagen für Evolutionsmechanismen dar. Denn, wie François Jacob bereits 1977formulierte, "benötigten nur die wenigen großen Schritte in der Evolution den Erwerb neuer Information. Spezialisierung und Diversifikation dagegen geschahen durch die unterschiedliche Benutzung derselben strukturellen Information. ... Es ist mehr eine Sache der Regulation als der Struktur". (eaw)

    Weitere Informationen bei:

    Dr. Ernst A. Wimmer
    Universität Bayreuth
    Lehrstuhl für Genetik
    Universitätsstr. 30
    D-95440 Bayreuth

    Tel. ++49-(0)921-555813
    Fax: ++49-(0)921-552710
    e-mail: Ernst.Wimmer@uni-bayreuth.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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