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Wissenschaft
Info Nr. 03/98 vom 20.02.1998
"Mit grossem Schatz von Wuertz wider kommen seind"
Deutsches Schiffahrtsmuseum erwarb fuenf wertvolle Bände
Reisebeschreibungen des Nuernberger Bibliothekars und Buchverlegers Levinus Hulsius, herausgegeben in der Zeit von 1598 bis 1630
Waldemar Koch Stiftung in Bremen spendete die Kaufsumme
Der Nürnberger Bibliothekar und Buchverleger Levinus Hulsius war ein außerordentlich kreativer und tüchtiger Geschäftsmann, ein fleißiger Autor dazu. Zwischen 1598 und 1630 verfaßte oder bearbeitete er viele Beschreibungen der abenteuerreichen und gefahrvollen Übersee- und Entdeckungsfahrten vornehmlich der Holländer, aber auch der Engländer und Franzosen. Das Echo bei den deutschen Lesern war nicht zuletzt deswegen so stark, weil nach heutigen Erkenntnissen ein bedeutender Teil der Besatzungsmitglieder auf den holländischen Schiffen aus dem "Reich" stammte. Dieser historische Hintergrund bildete das Motiv für einen Kraftakt: Das Deutsche Schiffahrtsmuseum (DSM) in Bremerhaven setzte im vergangenen Jahr alle Hebel in Bewegung, um ein von einem holländischen Antiquariat angebotenes fünfbändiges Konvolut der außerordentlich raren Reisebeschreibungen des Levinus Hulsius in seinen Besitz zu bringen.
Der Coup ist gelungen - aber nur, weil die Waldemar Koch Stiftung in Bremen für das finanzschwache Museum den Kaufpreis, um es seemännisch auszudrücken, auf die Back blätterte. "Das Angebot war für uns aus wissenschaftlicher Sicht ein ausgesprochener Glücksfall, überstieg aber unsere derzeitige investive Leistungsfähigkeit bei weitem" sagt Dr. Albrecht Sauer, Leiter der Bibliothek, und freut sich über die großzügige Hilfe aus Bremen.
Der Ankauf dürfte auch in Bonn mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen worden sein. Schließlich geht es auf eine Empfehlung des Wissenschaftsrates zurück, daß sich das DSM seit einigen Jahren verstärkt dem Ausbau des ebenfalls von Dr. Sauer betreuten Forschungs- und Ausstellungsbereiches "Schiffahrt der Frühen Neuzeit" widmet.
Diese Epoche, die vom Zeitalter der Entdeckungen um 1500 bis zum Beginn der Industrialisierung um 1800 reicht, ist im nationalen Museum bislang unterrepräsentiert gewesen. Bei den Entdeckungs- und Eroberungsfahrten im 16. Jahrhundert spielten die damaligen deutschen Teilstaaten unmittelbar nur eine geringe Rolle. Dafür entfalteten einige oberdeutsche Familien, allen voran die Welser, die schon unmittelbar nach der Rückkehr Vasco da Gamas von seiner zweiten Indienfahrt im Jahre 1503 in Lissabon präsent waren und kurz darauf selbst Schiffe nach Indien ausrüsteten, eine um so größere Geschäftigkeit, die sich - unter spanischer Flagge - bis hin zu reger Beteiligung am Zuckerrohranbau auf Hispaniola und Goldbergbau in Venezuela entwickelte. Venezuela stand für einige Jahrzehnte sogar unter welserscher Herrschaft. Später engagierten sich auch die Fugger im ostindischen Gewürzhandel und in den Erorberungszügen gen Westen. Kurzfristig waren sie sogar im Besitz der gesamten Westküste Südamerikas. Als holländische Kaufleute im Jahre 1602 die Vereinigte Ostindische Kompanie gründeten, deren Schiffe im 17. Jahrhundert die Weltmeere beherrschten und die mit staatsgleichen Befugnissen ein gewaltiges Kolonialreich in Indochina errichtete, wurde Amsterdam zum Treffpunkt für deutsche Seeleute und Abenteurer: Die nicht gerade volkreichen Niederlande waren allein kaum imstande, die Mannschaften für ihre Schiffe zu stellen. Oberdeutsche Handwerker, norddeutsche Seeleute, Söldner, Wundärzte, Schreiber, aber auch Mittellose, Vagabunden und Straffällige suchten und fanden einen beruflichen Neubeginn, der nicht selten ohne glückliche Heimkehr endete. Diese Zeit behandeln die Reisebeschreibungen, die das DSM nun angekauft hat. Der erste Einzelband ist zugleich der kostbarste: Er berichtet über die erste, 1595 gestartete niederländische Reise nach Ostindien unter Cornelis de Houtman und enthält mehrere Karten, darunter eine eingebundene Weltkarte mit den Weltumsegelungen von Magellan (1522) und Drake (1577). Die zweite niederländische Reise nach Ostindien, die der Band 2 zum Inhalt hat, traten Schiffe unter dem Kommando wiederum von Cornelis de Houtman und von Jacob van Neck an. Levinus Hulsius wählte dafür den werbewirksamen Titel "Ander Schiffart. In die Orientalische Indien. So die holländischen Schiff (Welche im Martio 1598 ausgefaren, davon die 2. letzte im Mayo 1600. mit grossem Schatz von Würtz wider kommen seind) verricht, Nürnberg 1602." Äußerst rar und darum besonders wertvoll ist auch der für die Erforschung der nationalen Schiffahrtsgeschichte unverzichtbare Band 22 der von Levinus Hulsius publizierten Buchreihe: Darin beschreibt ein deutscher Teilnehmer, der aus Straßburg stammende Adolph Decker, ausführlich die Weltumseglung des Jacques l'Hermite, die von 1623 bis 1626 dauerte. Auch bei Band 7 griff Dr. Sauer zu. Darin wird über die Reise des Pieter de Marees (1600 - 1602) nach Guinea berichtet, das im atlantischen Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Westindien damals eine bedeutende Rolle spielte. Die Handelsgüter waren vor allem Gold, Elfenbein und - Sklaven. Band 15 schließlich, der nun in Bremerhaven verwahrt wird, behandelt die Reise des Robert Coverte nach Kambodscha. Sein blumiger Titel: "Fünffzehende Schiffart. Warhafftiger und zuvor ni erhörter Bericht eines Engelischen, welcher mit einem Schiff, die Auffart genand, in Cambia, dem eussersten Theil Ost Indien, Schiffbruch gelidden, zu Landt durch unbekande Königreich gereiset ... Sampt einer Glaubwürdigen offenbarung dess Grossmächtigen Keysers, der grosse Mogoll genadt, etc. unter Capitein Robert Coverte, Hanau 1617." Den Ankauf der beiden letzten Bände hatte Dr. Sauer zwar "nur" als wünschenswert bezeichnet, weil sie eindrucksvoll zeigen, wie weitgespannt das Feld war, über das die deutsche Leserschaft im damaligen Sinne "aktuell" informiert wurde. Die Waldemar Koch Stiftung aber gab ihrem Herzen einen Stoß und das Geld dennoch für das gesamte Konvolut.
Abbildungen siehe http://www.dsm.de/2preo.htm
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie
überregional
Es wurden keine Arten angegeben
Deutsch
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