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11.04.2000 11:50

Nordsee-Fischarten vom Aussterben bedroht?

Dr. Michael Welling Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des BMELV

    Aktuelle Studie: Von 63 bedrohten Fischarten schwimmen nur vier im Meer

    Unter der Überschrift "Nordsee: 38 Fischarten vom Aussterben bedroht" stand in der Tageszeitung "Die Welt" vom 27. März 2000 zu lesen, dass "durch Überfischung 38 Fischarten, darunter Hering, Kabeljau und Seezunge ... bereits regional vom Aussterben bedroht" seien.

    Dr. Gerd Hubold, Leiter des Instituts für Seefischerei der Bundesforschungsanstalt für Fischerei, macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass sich nach einer aktuellen Analyse der Welternährungsorganisation (FAO 2000) unter 63 weltweit als "vom Aussterben bedroht" eingestuften Fischarten nur vier Meeresfische befinden. Von diesen sind lediglich zwei in der Größenkategorie über 30 cm und damit potenziell kommerziell interessante Arten: der Quastenflosser im Indischen Ozean und der Weiße Hai.

    Die technisierte Meeresfischerei, so Hubold weiter, stützt sich ausschließlich auf weit verbreitete, hoch reproduktive Massenarten. Selbst bei totaler Überfischung unterliegen sie weder einer Fragmentierung ihres Lebensraumes, noch werden sie jemals unter kritische Individuenzahlen dezimiert. Als überfischt gelten Bestände, die so stark befischt wurden, dass sich ein weiterer Fang wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Der derzeit in der Nordsee als überfischt eingestufte Kabeljau zum Beispiel weist noch immer eine Bestandsbiomasse von rund 130.000 Tonnen auf. Das entspricht mindestens 150 Millionen erwachsenen Individuen, hinzu kommen Jungfische in vergleichbarer Anzahl. Von einer Verarmung des Genpools - eine der Gefahren für bedrohten Arten - kann hier also nicht entfernt die Rede sein. Auch wenn die überfischten Bestände auf einen Bruchteil ihrer ehemaligen Größe zurück gehen, sind sie nach allen Kriterien des Artenschutzes noch immer weit von einer Ausrottung entfernt. Die Probleme der Meeresfischerei liegen also nicht im Artenschutz (Ökologie), sondern beziehen sich auf die kommerzielle Übernutzung von regionalen Beständen (Ökonomie).

    Eine biologische Gefährdung findet sich dagegen bei einer Reihe von Süßwasserfischen und in geringerem Umfang auch in Küstengebieten. Als Bedrohungen nennt der Fischereiforscher hier vor allem technische Maßnahmen des Fluss- und Küstenschutzes und die Wasserverschmutzung, die den Zugang zu sauberen Laichgewässern in den Oberläufen der Flüsse (Lachse, Störe) behindern. Auch die Einbürgerung rabiater Neuarten - wie in den afrikanischen und nordamerikanischen Seen geschehen - kann zur Ausrottung der ursprünglichen Arten führen.

    Die pauschale Verteufelung der Fischerei als Zerstörer der marinen Umwelt lenkt nach Auffassung Hubolds von den wesentlichen Problemen einer vielfachen Übernutzung der Meere als Wirtschaftsraum ab. Zwar könne die Fischerei die Umwelt beeinträchtigen, etwa durch Beifänge oder Veränderungen am Meeresboden. Die Lösung dieser Probleme rangiert im Rahmen der internationalen Fischereiabkommen und der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU hoch oben auf der Prioritätenliste. Aber im Gesamtbild unseres Umgangs mit den Meeren stellt der geregelte Fischfang einen eher vertretbaren Eingriff dar. Schwerer wiegt, dass die Meere, auch die Nordsee, immer noch als Mülldeponie missbraucht und von einer dramatisch angewachsenen Schifffahrt mit Anstrichfarben, Altöl und Ballastwasser verschmutzt werden. Zusätzlich können Schiffsunglücke zu katastrophalen Belastungen führen. Kiesentnahme, Öl- und Gasförderung, Pipelines, Strom- und Kommunikationskabel, militärische Übungen und eine zunehmende Besiedelung an den Küsten tragen darüber hinaus zu einem ständigen Druck auf die Meere bei.

    Internationale Meeresschutzabkommen, die sich auf Regierungsebene mit diesen Fragen beschäftigen, sollten schnell zu Konzepten für eine vertretbare Gesamtnutzung der Meere finden. Die Rolle der Fischerei muss dabei auf Grundlage realer Sachverhalte als eine wichtige, aber nicht entscheidende Komponente mit einbezogen werden.

    Nähere Informationen erteilt:
    Dir. und Prof. Dr. Gerd Hubold, Bundesforschungsanstalt für Fischerei, Institut für Seefischerei, Palmaille 9, 22767 Hamburg, Tel.: 040 / 38905-177, eMail: hubold.ish@bfa-fisch.de

    Um Belegexemplar wird gebeten


    Weitere Informationen:

    http://www.dainet.de/bfafi


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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