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18.04.2000 09:41

Aus der Forschung in den Markt: MP3 erobert Internet und Rundfunk

Manuela Hoffmann Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    Es ist der am häufigsten gesuchte Begriff im Internet. Seriöse britische Wirtschaftszeitungen preisen es als »the hottest thing in cyberspace« - das Audiocodierverfahren MP3. Die innovative Digitaltechnik komprimiert Audiodaten auf ein Zwölftel ihrer Größe. Diese Reduktion eröffnet völlig neue Wege der Musikübertragung und -speicherung. Die Möglichkeit, Musik im Internet zu übertragen, führte bereits zu einer Revolution in der Musikindustrie. Doch die Anwendungen sind vielfältig: So wird MP3 zum Beispiel auch beim digitalen Satellitenrundfunk eingesetzt. Zahlreiche Start-ups, aber auch etablierte Unternehmen setzen die Technik bereits in zukunftsfähigen Produkten ein oder bieten neue Dienstleistungen an. Entwickelt haben das Verfahren Forscher vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS, Bereich Angewandte Elektronik, in Erlangen.

    Bereits Ende der siebziger Jahre hatte der frühere Institutsleiter des IIS, Prof. Dieter Seitzer, die Idee, Musik per Telefonleitung zu übertragen. Doch mit dieser Vision war der Wissenschaftler seiner Zeit weit voraus: Das Patentamt weigerte sich jahrelang, seine Entwicklung zu schützen. Trotz dieser Widerstände setzte sich die revolutionäre Idee durch: Heute holen sich Internet-Nutzer mit Hilfe des Audiocodierverfahrens MP3 aktuelle Hits oder seltene Live-Aufnahmen in CD-Qualität ins Haus. Die Songs aus dem Netz werden einfach auf CD gebrannt oder auf einen Chip direkt in einem MP3-Player, einer Art digitalem Walkman, gespeichert.

    Doch bis es so weit war, musste umfangreiche Grundlagenforschung geleistet werden. Denn ohne Datenreduktion würde die Übertragung eines dreiminütigen Liedes in CD-Qualität via Internet mehr als eine Stunde dauern. Zu lange und zu teuer, um für die Nutzer attraktiv zu sein. »Die Psychoakustik hat uns zu dem entscheidenden Durchbruch bei der Datenreduktion verholfen. Wir haben einfach die Anteile der Musik weggelassen, die das menschliche Ohr nicht wahrnimmt«, erinnert sich Dr. Karlheinz Brandenburg vom IIS, der damals bei Prof. Seitzer promovierte und in den vergangenen Jahren maßgeblich das Audiocodierverfahren MP3 entwickelt hat. Ausgehend von den Eigenschaften des Gehörs haben IIS-Wissenschaftler dann eine wahrnehmungsangepasste Audiocodierung entwickelt.

    Bereits 1987 gelang es den Erlanger Forschern, Stereosignale in Echtzeit zu kodieren. Damals begannen sie auch, das Verfahren für den digitalen Rundfunk einzusetzen. Die weltweit anerkannten und renommierten Wissenschaftler des IIS arbeiteten von Beginn an am Aufbau des digitalen Rundfunksystems Eureka 147 DAB mit. Sie verbesserten ständig die Audiocodierung und entwickelten so ein auch im internationalen Vergleich besonders hochwertiges Verfahren. 1992 wurde das Audiocodierverfahren dann von der Audiogruppe der Moving-Picture Expert Group - einem Komitee der Internationalen Standardorganisation ISO - als MPEG Layer 3, kurz MP3, standardisiert.

    Die Vorzüge und vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von MP3 haben vor allem amerikanische und koreanische Unternehmen sowie kleine und mittlere deutsche Unternehmen erkannt. So setzten die Firmen Telos - das Unternehmen stellt Technik für Radioübertragungen her - und WordSpace - die Firma will Afrika, Asien und Südamerika mit digitalem Satellitenradio versorgen - frühzeitig auf die innovative Technik. Auch das deutsche Unternehmen Micronas/Intermetall nutzte MP3 und stellte Single chip Decoder her, mit denen komprimierte Daten wieder hörbar gemacht werden. Diese Risikobereitschaft zahlte sich für das mittelständische Unternehmen aus. Es eroberte sich auf dem hart umkämpften Markt eine führende Position und vertreibt heute seine Produkte in aller Welt.

    Zum endgültigen Durchbruch hat MP3 jedoch das Internet verholfen. Mitte der neunziger Jahre stellten die Erlanger Wissenschaftler ihre Erfindung ins Netz und lösten damit eine Lawine aus. Zunächst nutzten vor allem Studenten in den USA MP3, um via Internet Musik-CDs auszutauschen. Von den amerikanischen Universitäten aus trat MP3 dann seinen Siegeszug rund um den Globus an. Mittlerweile haben bereits mehr als 150 Millionen Internetnutzer einen Software-Player installiert.

    Schnell griffen junge Firmen die neue Technik auf. MP3 löste ein wahres Gründungsfieber aus. So stellt zum Beispiel die Firma MP3.com Musik von unbekannten Musikern ins Netz. Vor zwei Jahren startete das Unternehmen mit einigen wenigen Bands. Heute sind bereits mehr als 100 000 Titel auf den Web-Seiten der Firma zu finden. Im vergangenen Jahr ging das junge Unternehmen sogar an die Börse. MP3 ist aber auch in zahlreichen Software-Anwendungen zu finden: So bieten Microsoft, Apple und MusicMatch Programme mit MP3 an, mit denen man Musik aufnehmen und abspielen kann.

    Zudem hat MP3 auch im Hardware-Bereich einen neuen Markt geschaffen: Immer mehr Firmen entwickeln Abspielgeräte für die komprimierten Audiodaten. 1998 brachte die Firma Saehan Information Systems den ersten MP-Player, den MPMAN, auf den Markt. Inzwischen gibt es etwa 60 unterschiedliche mobile, digitale Abspielgeräte. Auch traditionsreiche Firmen wie Grundig oder Philips entwickeln neue innovative Produkte, die mit MP3 ausgerüstet sind. Panasonic, Hitachi, Sanyo und JVC bieten bereits Radiogeräte mit integriertem Decoder an, mit denen digitale und mit MP3 komprimierte Radiosendungen, wie sie zum Beispiel WorldSpace ausstrahlt, empfangen werden können. Im Vorjahr wurden bereits mehr als eine Millionen Geräte verkauft, die MP3 nutzen.

    Während MP3 das Musikgeschäft revolutioniert, haben die IIS-Wissenschaftler bereits eine neue Generation des Audiocodierverfahrens entwickelt: das Advanced Audio Coding (AAC). Mit diesem Verfahren können die Musikdaten sogar um den Faktor 16 verkleinert werden, ohne dass hörbare Qualitätsverluste auftreten. In Japan hat man schon reges Interesse an der neue Technik: Dort setzen alle digitalen Rundfunksysteme - Hörfunk und Fernsehen - AAC als einziges Tonformat ein.

    »Das Beispiel MP3 zeigt deutlich, wie Fraunhofer-Forscher arbeiten: Sie entwickeln in langjähriger Grundlagenforschung neue Technologien und Verfahren für künftige Märkte und suchen dann gemeinsam mit Unternehmen Einsatzmöglichkeiten. Dabei entstehen hochwertige Produkte für professionelle Anwendungen, die den Markt für innovative Massenprodukte vorbereiten«, betont Prof. Dr. Hans-Jürgen Warnecke, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft.
    Birgit Niesing

    Fraunhofer-Gesellschaft
    Presse und Öffentlichkeitsarbeit
    Franz Miller
    Leonrodstraße 54
    D-80636 München
    Telefon: +49 (0) 89/12 05-5 33
    Telefax: +49 (0) 89/12 05-7 13
    E-Mail: presse@zv.fhg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.fhg.de/german/press/pi/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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