idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
18.04.2000 09:53

Wider den IT-Fachkräfte-Mangel

Manuela Hoffmann Kommunikation
Fraunhofer-Gesellschaft

    »Wir sollten die Debatte um die Green Card für IT-Spezialisten nutzen, um das Problem des IT-Fachkräfte-Mangels in seiner ganzen Bandbreite anzugehen«, fordern Fraunhofer-Institutsleiter, die langjährige Erfahrungen in Aus- und Weiterbildungsprojekten haben und nun gemeinsam mit dem BMBF und den Sozialpartnern neue Konzepte entwickeln. Die Fraunhofer-Gesellschaft kann und will entscheidend dazu beitragen, die Lücke zwischen der langfristigen Ausbildung der Hochschulen und dem kurzfristigen Bedarf der Wirtschaft zu schließen.

    »Wer bei der Ausbildung von IT-Fachkräften in alten Denkmustern verharrt, verliert. Alle Beteiligten müssen umdenken: Politik, Wirtschaft und Wissenschaft«, bringt Prof. Herbert Weber vom Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik ISST das Dilemma des IT-Fachkräfte-Mangels auf den Punkt. Das sei nur mit völlig neuen Qualifizierungskonzepten zu lösen, die mit den extrem schnellen Veränderungen der IT-Branche Schritt halten. Durch die aktuelle Debatte um die Green Card werde häufig verdrängt, dass es sich hier um ein vielschichtiges Problem handelt. Der Fachkräftemangel beschränkt nicht nur die Möglichkeiten der IT-Industrie, sondern trifft die gesamte Wirtschaft ins Mark, die zum schnellen Einstieg in Electronic Commerce und Electronic Business gezwungen ist. Doch wo sollen plötzlich große Mengen von fertigen Spezialisten herkommen?

    Dem akuten Bedarf von bis zu 100 000 IT-Fachkräften stehen zwar etwa 30 000 unbeschäftigte deutsche IT-Fachkräfte gegenüber. Doch viele davon verfügen über veraltetes Spezialwissen. »Auch Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen können bei dem momentanen Engpass an Software-Ingenieuren nur mittelfristig helfen«, ergänzt Prof. Dieter Rombach, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering IESE. Deshalb ist die Green Card für Spitzenkräfte ein richtiger Schritt. Übrigens sind zwei Fraunhofer-Institutsleiter, Prof. Hans-Jörg Bullinger und Prof. Ingolf Ruge, im Technischen Beirat für die Informationstechnik bei Bundeskanzler Schröder. Die ausländischen IT-Spezialisten seien auch deswegen eine Bereicherung, meint Professor Weber, weil mit ihnen die notwendige Internationalisierung des deutschen IT-Geschäftes beschleunigt wird. Das ISST, das seit vielen Jahren mit der indischen IT-Branche, Wissenschaft und Politik zusammenarbeitet und deutschen Unternehmen den Zugang zu diesem Know-how eröffnet hat, startete gemeinsam mit indischen Partnern in Kalkutta, Heiderabat und Bangalore »Online-Colleges«, um indische IT-Spezialisten auf einen Aufenthalt in Deutschland vorzubereiten. Das IESE in Kaiserslautern engagiert sich in Rheinland-Pfalz bei Anwerbung, Vorbereitung und Auswahl der ausländischen Experten.

    »Die einzige langfristige Lösung für das Problem ist eine massive Ausbildung und effiziente Weiterbildung von IT-Fachkräften«, begründet Prof. Weber die Überlegungen zur methodischen und didaktischen Neukonzeption der Weiterbildung, die in der Fraunhofer-Gesellschaft durch das ISST vorangetrieben wird. »Erstens sind die Ausbildungskapazitäten der Hochschulen viel zu klein, um den Bedarf ausreichend decken zu können. Zweitens müssen sie für eine längere Berufsperspektive von 20 bis 30 Jahren ausbilden«, erklärt der Hochschullehrer Weber. »Die Wirtschaft hat aber einen zusätzlichen, kurzfristigen Weiterbildungsbedarf, der am schnellen Wandel der Technologie und am produktnahen Wissen orientiert ist. Viele sprechen von einer Halbwertszeit dieses Wissens von zwei Jahren. Die Wirtschaft benötigt auch produktnahes Wissen. Es kann aber nicht von den Hochschulen und Fachhochschulen geleistet werden, sondern muss außerhalb der öffentlichen Ausbildung geschehen«, davon ist Prof. Weber überzeugt. »Wir müssen unsere Hochschulausbildung auf die weitreichenden Kenntnisse und Fähigkeiten konzentrieren und dann - im Sinne des lebenslangen Lernens - durch flexible und nachfrageangepasste Weiterbildungsmaßnahmen ergänzen.« Die Fraunhofer-Institute sind die idealen Partner für diese permanenten Anpassungsleistungen, denn sie kennen sowohl die Hochschulausbildung wie die Bedürfnisse der Wirtschaft - kurz, sie sind kompetent, hochschulnah, industrieerfahren und unabhängig.

    Die Wirtschaft ist nicht in der Lage, aus dem undurchschaubaren Angebot von Qualifizierungsmaßnahmen das herauszufischen, was für ihre jeweiligen Bedürfnisse das Richtige ist. Es fehlen Strukturen, die das riesige Angebot mit der ebenso großen Nachfrage zusammenbringen. Fraunhofer-Institute können in beide Richtungen als Matchmaker korrigierend einwirken. An erster Stelle steht daher die professionelle Informationsvermittlung zwischen Angebot und Nachfrage. Dafür entwickelt das ISST mit der Hochschule der Künste in Berlin im Auftrag des Berliner Senats für Wirtschaft und Technologie ein Internet-Portal »mecomp.net«, das zwar zunächst regional ist, aber Pilotfunktion haben soll. Es wird weit mehr als eine Job- oder Weiterbildungsbörse bieten, denn es basiert auf Klassifizierungen und systematisierten Beschreibungen der Weiterbildungsangebote, damit Unternehmen genau das passende Angebot herausfinden können.

    In Berlin sind derzeit etwa 100 000 IT-Fachkräfte beschäftigt. Eine Abfrage des ISST ergab, dass die Berliner Unternehmen im Jahr 2000 rund 16 000 zusätzliche IT-Fachkräfte einstellen wollen. Das heißt 16 Prozent Wachstum bei den Beschäftigten.

    Ein anderes Projekt, an dem neben dem ISST auch das IESE in Kaiserslautern beteiligt ist, wird mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften umgesetzt und vom BMBF gefördert. Unterstützt wird die Etablierung eines IT-Weiterbildungssystems durch die Konzeption und Realisierung von Referenzprojekten. Sie stellen den Ausgangspunkt für die Umsetzung konkreter Weiterbildungsmaßnahmen für spezifische Jobprofile dar. »Wir wollen dabei das duale Ausbildungssystem gleichsam in der Weiterbildung nach oben fortsetzen«, erklärt Weber. »Jeder, der eine Berufsausbildung hat, soll die Möglichkeit bekommen, durch Weiterbildung Abschlüsse zu erzielen, die dem öffentlichen Ausbildungssystem vergleichbar sind - also Bachelor, Master oder Diplom.«

    Ein weiteres Vorhaben, an dem neben ISST und IESE auch ein Institut der GMD beteiligt ist - ein Beispiel der Kooperation von FhG und GMD - befasst sich mit der Entwicklung von Standards für multimediale Lernsoftware, die fortlaufend aktualisiert wird und für den Nutzer dennoch vertraute Zugänge und Muster enthält. Das elektronische Lernen bietet einen Ausweg aus dem Dilemma bisheriger Weiterbildung. Noch ist allerdings die Herstellung und Wartung der Lernmaterialien noch viel zu aufwendig und teuer. Ziel ist daher, durch Wiederverwendbarkeit und die konsequente Automatisierung von Arbeitsschritten enorme Zeit- und Kosteneinsparungen zu erreichen. So sollen leicht erweiterbare und anpassbare Lernmaterialien entstehen.

    Ganz intensiv im Bereich der Weiterbildung und Umschulung von IT-Fachkräften ist seit Jahren das IESE in Kaiserslautern tätig. Warum? »Viele Fachkräfte in der Wirtschaft haben veraltetes Wissen und brauchen alle paar Jahre eine Auffrischung«, weist Prof. Rombach auf die unterschiedlichen Defizite hin. »Und es gibt ganz einfach zu wenige IT-Fachkräfte - sowohl Techniker wie Ingenieure oder intelligente Nutzer. Auf allen drei Ebenen hat die Wirtschaft Bedarf.«
    Das IESE hat für eine ganze Reihe von Unternehmen maßgeschneiderte Modulsysteme der firmen- und branchenspezifischen Weiterbildung entwickelt. Durchgeführt werden diese Maßnahmen von der Software-Akademie, einer Ausgründung des IESE.

    Die Kombination hat sich als äußerst erfolgreich erwiesen, weil für die Firmen durch das inhaltliche und methodische Know-how des Fraunhofer-Instituts die Qualität der Kurse gesichert und durch die Software-Akademie die professionelle Abwicklung der Weiterbildungsmaßnahmen gewährleistet ist. »Da wir mit den Firmen oft technologische Prozessverbesserungen machen, ist es naheliegend und sinnvoll, ergänzend das Human-Kapital zu qualifizieren,« so Prof. Rombach. Er hält nur qualitativ hochwertige und bedarfsorientierte Weiterbildung für sinnvoll. So hat das IESE etwa für Geisteswissenschaftler eine Umschulung zum Dokumentationsspezialisten für Software entwickelt. Alle 20 Teilnehmer wurden umgehend von den Industrie aufgenommen. Arbeitslose Hochschulabsolventen können in einem anderen Kurs zu Anwendungsentwicklern für Finanzdienstleistungen ausgebildet werden. Auch hier hat das IESE vorher den Bedarf ermittelt. Inzwischen drängt die Wirtschaft nach immer mehr maßgeschneiderten Fortbildungsangeboten. So konzipierte das IESE für die Robert Bosch GmbH beispielsweise die Weiterbildungsmaßnahme »Software Engineering für Hardware Entwickler«. Darüber hinaus engagiert sich Prof. Rombach wie die anderen Fraunhofer-Institutsleiter intensiv für ein grundlegend besseres Verständnis der Informationstechnik in der Öffentlichkeit - von der Schule bis zur Hochschule, von Handwerksbetrieben bis zu Konzernen: »Wir als Fraunhofer-Gesellschaft wollen vor allem neue Konzepte für den wachsenden Bedarf an qualifizierter, fortwährender Weiterbildung on the job and on demand liefern.«
    Franz Miller

    Fraunhofer-Gesellschaft
    Presse und Öffentlichkeitsarbeit
    Franz Miller
    Leonrodstraße 54
    D-80636 München
    Telefon: +49 (0) 89/12 05-5 33
    Telefax: +49 (0) 89/12 05-7 13
    E-Mail: presse@zv.fhg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.fhg.de/german/press/pi


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Wirtschaft
    überregional
    Organisatorisches, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).