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10.04.2007 13:04

Cholinesterasehemmer können Abbau kognitiver Fähigkeiten leicht verzögern

Dr. Anna-Sabine Ernst Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

    IQWiG veröffentlicht abschließende Nutzenbewertung einer Wirkstoffgruppe zur Behandlung der Alzheimer-Demenz

    Die drei in Deutschland zugelassenen Wirkstoffe Donepezil, Galantamin und Rivastigmin können bei Patienten mit leichter oder mittelschwerer Alzheimer-Demenz den Abbau ihrer kognitiven Fähigkeiten geringfügig verzögern. Zu diesem Ergebnis kommt der Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), den die Kölner Wissenschaftler am 10. April 2007 im Internet publiziert haben.

    Der Bericht ist Teil eines umfassenden Auftrags des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) an das IQWiG, medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapiemöglichkeiten für Menschen mit Demenz zu bewerten. Das Institut kommt darin zu der Schlussfolgerung, dass Cholinesterasehemmer das Auftreten bestimmter Symptome hinauszögern können: Auf einer die Denk- und Merkfähigkeit abbildenden Skala von 1 bis 70 (ADAS-cog) erreichten Patienten, die mindestens vier Monate ein solches Präparat einnahmen, im Durchschnitt einen um drei Punkte besseren Wert als Patienten, die ein Scheinmedikament erhielten. Vier Punkte oder mehr erreichten absolut rund 15% mehr Patienten unter Cholinesterasehemmern als unter Placebo. Zudem gibt es Hinweise, dass die Präparate die Geschwindigkeit verlangsamen, mit der Alzheimer-Patienten die Fähigkeiten verlieren, um die Aktivitäten des täglichen Lebens bewältigen zu können.

    Nebenwirkungen zum Teil erheblich

    Nicht belegt ist jedoch ein Nutzen hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und der Vermeidung von Aufenthalten in Pflegeheimen. Alle drei Präparate haben überdies in Abhängigkeit von der verabreichten Dosis zum Teil erhebliche Nebenwirkungen wie Durchfall, Übelkeit und Erbrechen. Generell lassen die aktuell verfügbaren aussagekräftigen Studien nur Beurteilungen über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten zu.

    Nutzen wird international kontrovers diskutiert

    Cholinesterasehemmer als Mittel bei Alzheimer-Demenz werden national wie international kontrovers diskutiert. Es liegt bereits eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Bewertungen vor, die allerdings zum Teil methodisch sehr unterschiedlich angelegt sind. Vor allem in Großbritannien sorgte die Expertise des National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) für Debatten: Eine erste Bewertung im Januar 2001 http://www.nice.org.uk/page.aspx?o=TA19 war für diese Antidementiva positiv ausgefallen. Bei einer erneuten Prüfung kam NICE jedoch im März 2005 http://www.nice.org.uk/page.aspx?o=245908 zu einem negativen Befund, demzufolge Cholinesterasehemmer künftig nicht mehr zu Lasten des nationalen Gesundheitsdienstes NHS verordnet werden können.

    In einer überarbeiteten Fassung vom November 2006 http://guidance.nice.org.uk/TA111 wird unter bestimmten Auflagen der begrenzte Einsatz in einem mittelschweren Stadium der Erkrankung befürwortet, nicht jedoch für Patienten in einem frühen oder weit fortgeschrittenen Stadium. Wegen dieser eingeschränkten Empfehlung wurde NICE - erstmalig in seiner Geschichte - von einer Herstellerfirma verklagt http://www.bmj.com/cgi/content/short/334/7595/654?etoc.

    Unterschiedliche Kriterien der Bewertung

    Der IQWiG-Bericht steht nur auf den ersten Blick im Widerspruch zur Bewertung durch das NICE. Das NICE kommt zu seiner Empfehlung, nachdem es in einem Modell Nutzen und Kosten dargestellt und gegeneinander abgewogen hat. Demnach sind die Präparate nicht oder nur eingeschränkt zu empfehlen, weil ihre Kosten zu hoch im Vergleich zu dem relativ geringen Nutzen liegen. Das IQWiG hat dagegen ausschließlich den patientenrelevanten Nutzen bewertet. Die Kosten waren nicht Gegenstand des Auftrags.

    IQWiG prüft auch Behandlungsalternativen

    Cholinesterasehemmer sind Medikamente, die den Abbau des Nervenbotenstoffs Acetylcholin behindern und so dazu beitragen, dass im Gehirn größere Mengen des Botenstoffs zur Informationsverarbeitung zur Verfügung stehen. Ein weiterer Teilauftrag des IQWiG zum Thema Demenz befasst sich mit dem Wirkstoff Memantin http://www.iqwig.de/index.404.html.

    Auf den Prüfstand kommen auch ginkgohaltige Präparate http://www.iqwig.de/index.402.html, bei denen der Abschlussbericht voraussichtlich in diesem Sommer publiziert werden soll. Zudem bewertet das IQWiG nichtmedikamentöse Therapien http://www.iqwig.de/index.405.html.

    Zum Ablauf der Berichtserstellung

    Am 8. September 2006 hatte das IQWiG den Vorbericht zur Diskussion gestellt. Zu den vorläufigen Ergebnissen waren insgesamt 17 substanzielle Stellungnahmen eingegangen. Unklare Punkte dieser Kommentare wurden mit den Verfassern am 14.11.2006 in Köln diskutiert. Thema waren unter anderem die klinische Relevanz der gefundenen Effekte sowie die vom IQWiG geforderte Dauer der Studien. Der Vorbericht wurde daraufhin überarbeitet. Das Protokoll der Erörterung sowie die schriftlichen Stellungnahmen selbst sind im Anhang des Abschlussberichts dokumentiert.

    Einen Überblick über Hintergrund, Vorgehensweise und weitere Ergebnisse des Abschlussberichts gibt folgende Kurzfassung: http://www.iqwig.de/download/A05-19A_Kurzfassung_Abschlussbericht_Cholinesterase...


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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