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25.04.2007 09:48

Viren auf Reisen, eine Zelle als Fabrik, Menschen unterwegs. Und überall: komplexe Netzwerke

Dr. Christian Jung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
VolkswagenStiftung

    VolkswagenStiftung bewilligt gut 3,5 Millionen Euro für sieben Projekte zum Thema "Komplexe Netzwerke als fächerübergreifendes Phänomen"

    Vom Blutkreislauf über den Logistik-Betrieb zum eigenen Freundeskreis, von Finanzmärkten über die Stromversorgung zur Online-Community: Netzwerke begegnen uns überall. Aber so simpel das zugrunde liegende Konzept "Knoten und Verbindungen" auch aussehen mag - um Strukturen, deren Organisation und Dynamik als Netzwerk abzubilden und zu verstehen, sind höchst anspruchsvolle theoretische Methoden erforderlich. Eine Herausforderung stellen dabei besonders solche Phänomene dar, die in komplexen Netzwerken völlig verschiedener Wissensbereiche gleichermaßen auftreten. Sie deuten darauf hin, dass dort universale und noch nicht verstandene Prinzipien wirken.

    Mit ihrer Ausschreibung "Komplexe Netzwerke als fächerübergreifendes Phänomen" will die VolkswagenStiftung dazu beitragen, auf diesem Gebiet wertvolles neues Wissen zu erschließen. Für sieben Vorhaben - sie decken ein breites thematisches Spektrum ab von der Biologie, den Ingenieurwissenschaften, über die Verkehrsplanung und die Produktionslogistik bis hin zu den Wirtschaftswissenschaften - stehen jetzt insgesamt gut 3,5 Millionen Euro bereit. Drei der neuen Projekte stellen wir nachfolgend exemplarisch etwas ausführlicher vor, die anderen vier im Anschluss in aller Kürze:

    1.) 567.800 Euro für das Projekt "Bioinvasion and epidemic spread in complex transportation networks " von Professor Dr. Bernd Blasius vom Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg, Professor Dr. Bryan Grenfell vom Center for Infectious Disease Dynamics des Biology Departments an der Pennsylvania State University in University Park/USA; Dr. Dirk Brockmann von der Abteilung Nichtlineare Dynamik am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen und Dr. Lars Hufnagel vom Kavli Institute for Theoretical Physics an der University of California, Santa Barbara/USA;

    2.) 607.000 Euro für das Projekt "Complex self-organizing networks of interacting machines: Principles of design, control, and functional optimization" von Professor Dr. Dirk Helbing vom Institut für Wirtschaft und Verkehr an der Technischen Universität Dresden, Professor Dr. Dieter Armbruster vom Department of Mathematics an der Arizona State University in Tempe/ USA, Professor Dr. Alexander S. Mikhailov von der Abteilung Physikalische Chemie am Fritz-Haber-Institut der MPG in Berlin, und Professor Dr. Martin Vingron vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin;

    3.) 496.000 Euro für das Vorhaben "Travel impacts of social networks and networking tools"; die beteiligten Wissenschaftler sind Professor Dr. Kai Nagel vom Institut für Land- und Seeverkehr der Technischen Universität Berlin und Professor Dr.-Ing. Kay Axhausen vom Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der Eidgenössisch Technischen Hochschule (ETH) Zürich/Schweiz.

    Es folgen Informationen zu diesen Projekten; im Anschluss die Kurzübersicht der weiteren vier bewilligten Vorhaben.

    Zu 1: Bioinvasion der Killerviren
    Immer wieder werden Arten in einen neuen Lebensraum "exportiert" - oft bewusst oder unbewusst durch den Menschen. Etablieren sie sich dort und breiten sich aus, dann schaden sie häufig den einheimischen Arten und der Umwelt. Ein wichtiger Spezialfall ist die "Bioinvasion" von Mikroparasiten und damit zusammenhängend die Ausbreitung hochansteckender Infektionskrankheiten: Mehr als eine Milliarde Menschen leidet an parasitären Krankheiten, und trotz moderner Medizin ist kein Rückgang erkennbar. Stattdessen hat die Zahl neuer Krankheitserreger - HIV, Ebola, BSE, H5N1 - in den vergangenen Jahrzehnten ebenso zugenommen wie längst verdrängt geglaubte "Seuchen" wieder weltweit Fuß fassen - beispielsweise Tuberkulose und Cholera. In dem Maße, in dem moderne globale Handels- und Verkehrsnetze entstehen und sich ausbreiten, stoßen auch Infektionskrankheiten immer schneller in entfernte Gebiete vor.

    Die Wissenschaftler aus Oldenburg und Göttingen wollen mit Hilfe von Modellierungsverfahren und modernen Methoden aus der Theorie komplexer Netzwerke solche Bioinvasionen vorhersagbar machen und damit auch die Dynamik von komplexen Transportprozessen besser verstehen lernen. Auch Risikoanalyse und die Kontrolle biologischer Invasionsprozesse stehen auf der Agenda. Die Wissenschaftler berücksichtigen dabei auf der einen Seite sogenannte großskalige Vernetzungen wie die weltweiten Flugverbindungen, Handelswege, Schifffahrtsrouten und die Routen der Zugvögel. Auf der anderen Seite gehen biologische Details der jeweiligen Invasionsprozesse in die Berechnungen ein.

    Kontakte zu Projekt 1:

    Universität Oldenburg
    Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM)
    Prof. Dr. Bernd Blasius
    Telefon: 0441 798 3997
    E-Mail: blasius@icbm.de

    Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation Göttingen
    Dr. Dirk Brockmann
    Telefon: 0551 5176 411
    E-Mail: brockmann@ds.mpg.de

    Zu 2: Die Zelle als selbstorganisierte Fabrik
    Zellen sind die Bausteine unseres Körpers, biologische Wunderwerke. Aber nicht nur aus biologischer, auch aus ingenieurwissenschaftlicher Perspektive ist für ein Forscherteam aus Dresden, Berlin und Tempe/USA dieses System von Interesse. Denn: Die Materialflüsse in einer Zelle repräsentieren ein hoch komplexes, robustes und effizientes logistisches System, in dem Tausende von Substanzen pünktlich generiert und an Tausende Orte befördert werden. Die Mechanismen der Selbstorganisation biochemischer Netzwerke sind allerdings noch nicht allzu gut verstanden. Das soll sich ändern.

    Die Wissenschaftler, die die zugrundeliegenden Prozesse, die "Logistik" besser verstehen wollen, verfolgen zwei Ziele. Da Zellen mit ihrer Proteinproduktion Fabriken ähneln, versprechen sie sich einerseits wertvolle Erkenntnisse im Hinblick auf die künftige Organisation industrieller Produktionsprozesse. Ein besseres Verständnis der Selbstorganisationsmechanismen in biologischen Zellen eröffnet zudem Perspektiven für eine effiziente Kontrolle und zielgerichtete Modifikation solcher Systeme; dies könnte sogar neue Ansätze ermöglichen bei der Vorbeugung und Bekämpfung von Krebserkrankungen. Letztlich aber haben die Forscher ein ganz großes Ziel vor Augen: das Modell einer Fabrik der Zukunft, erdacht nach dem Vorbild des Modellsystems Zelle. Die Stichworte heißen: alternative Organisationsprinzipien durch dezentrale Kontrolle und flexibles modulares Design. Schon bald könnten Nanoroboter und Schwärme interagierender Roboter die Produktionsprozesse revolutionieren.

    Kontakte zu Projekt 2:

    TU Dresden
    Institut für Wirtschaft und Verkehr
    Prof. Dr. Dirk Helbing
    Telefon: 0351 463-36802
    E-Mail: helbing1@vwi.tu-dresden.de

    Arizona State University
    Department of Mathematics
    Prof. Dr. Dieter Armbruster
    Telefon: +1 480 965 5441
    E-Mail: armbruster@asu.edu

    Fritz-Haber-Institut (FHI) der MPG, Berlin
    Abt. Physikalische Chemie
    Prof. Dr. Alexander S. Mikhailov
    Telefon: 030 8413 5122
    E-Mail: mikhailov@fhi.berlin.mpg.de

    Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin
    Prof. Dr. Martin Vingron
    Telefon: 030 8413 1151
    E-Mail: martin.vingron@molgen.mpg.de

    Zu 3: Menschliche Beziehungen, Kommunikation und Verkehr
    Menschen gehören zu Familien, sie sind Freunde, arbeiten zusammen, sind Geschäftspartner. Sie bilden soziale Netzwerke - und deren Größe und Struktur kann im Extremfall massive Auswirkungen haben: So haben Wissenschaftler festgestellt, dass beispielsweise Menschen oder "Subnetzwerke", die nicht in die Gesellschaft integriert sind, häufiger an Unruhen beteiligt sind - was etwa in jüngster Vergangenheit in den Pariser Vororten zu beobachten war. Auch die Ausbreitung von Krankheiten und Informationen hängt von sozialen Netzstrukturen ab. Nicht zuletzt ist gerade die Infrastruktur beeinflusst. Denn zwischenmenschliche Kontakte lösen Verkehrsströme aus - und das ist umso bedeutender in seinen Auswirkungen, als gerade der Freizeitverkehr inzwischen einen bedeutenden Anteil am gesamten Verkehrsaufkommen darstellt. Man denke nur an die gemeinsamen Aktivitäten mit Freunden oder gar an "Extreme" wie Thanksgiving in den USA oder hierzulande Weihnachten, wenn sich die Mitglieder eines Netzes wie Millionen andere Vernetzte fast gleichzeitig aufmachen zum obligatorischen Familienbesuch.

    Solche Überlegungen sind der Ausgangspunkt für das Team aus Berlin und Zürich. Ihr Ziel ist es, Methoden zu entwickeln, um die Entwicklung sozialer Netze in einem realen, regionalen Kontext zu erfassen, sie zu analysieren, zu modellieren und zu simulieren. Sie wollen dafür zunächst Daten generieren durch eine Befragung im Schneeballprinzip (Kontakte von Kontakten). In der Befragung stehen Aspekte wie Wohnort, Treffpunkte oder Urlaubsziele im Mittelpunkt. Auf der Basis der Informationen zu den jeweiligen Netzen hoffen die Forscher, mit Hilfe verschiedener Modellier-Methoden vollständige soziale Netze automatisch generieren zu können. Unter anderem mit dem Effekt, die Bewegungen der Teilnehmer, also etwa Verkehrsströme, besser zu verstehen.

    Kontakte zu Projekt 3:

    TU Berlin
    Institut für Land- und Seeverkehr
    Prof. Dr. Kai Nagel
    Telefon: 030 314 23308
    E-Mail: nagel@vsp.tu-berlin.de

    ETH Zürich
    Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme
    Prof. Dr.-Ing. Kay Axhausen
    Telefon: +41 44 633 1057
    E-Mail: axhausen@ivt.ethz.ch

    Weiterhin hat die Stiftung bewilligt:

    4.) 455.200 Euro für das Vorhaben "Stability, robustness and approximation of dynamic large-scale networks - Theory and applications in logistics networks"; beteiligt sind die Forscher Professor Dr.-Ing. Bernd Scholz-Reiter vom Bereich Intelligente Produktions- und Logistiksysteme am Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaft (BIBA) an der Universität Bremen sowie Privatdozent Dr. Fabian Wirth und Dr. Sergey Dashkovskiy, beide Zentrum für Technomathematik am FB Mathematik/Informatik der Universität Bremen;

    Kontakt Projekt 4:
    Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaft
    an der Universität Bremen
    Intelligente Produktions- und Logistiksysteme (IPS)
    Prof. Dr.-Ing. Bernd Scholz-Reiter
    Telefon: 0421 218 5576
    E-Mail: brs@biba.uni-bremen.de

    5.) 316.000 Euro für das Vorhaben "Financial markets as complex networks " von Professor Dr. Thomas Lux, Professor Dr. Simone Alfarano und Dr. Mishael Milakovic, alle Institut für Volkswirtschaftslehre an der Universität Kiel, sowie Professor em. Dr. Friedrich Wagner vom Institut für Physik und Professor Dr. Albrecht Irle vom Institut für Mathematik, ebenfalls Universität Kiel;

    Kontakt Projekt 5:
    Universität Kiel
    Institut für Volkswirtschaftslehre
    Prof. Dr. Thomas Lux
    Telefon: 0431 880 3661
    E-Mail: lux@bwl.uni-kiel.de

    6.) 592.200 EUR für das Vorhaben "Impact of motif content on dynamic function of complex networks " von Professor Dr. Marc-Thorsten Hütt, School of Engineering and Science, Computational Systems Biology, an der Jacobs University Bremen, sowie Dr. Matthias Müller-Hannemann und Professor Dr. Karsten Weihe vom Fachbereich Informatik der Technischen Universität Darmstadt;

    Kontakt Projekt 6:
    Jacobs University Bremen
    School of Engineering and Science; Computational Systems Biology
    Prof. Dr. Marc-Thorsten Hütt
    Telefon: 0421 200 3238
    E-Mail: m.huett@iu-bremen.de

    7.) 497.400 EUR für das Vorhaben "Evolution of networks: robustness, complexity and adaptability" von Professor Dr. Jürgen Jost und Dr. Nihat Ay aus der Abteilung Geometrische Methoden am Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften in Leipzig sowie Professor Dr. Peter Stadler und Dr. Konstantin Klemm vom Lehrstuhl für Bioinformatik am Institut für Informatik der Universität Leipzig.

    Kontakt Projekt 7:
    Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften Leipzig
    Prof. Dr. Jürgen Jost
    Telefon: 0341 9959550
    E-Mail: juergen.jost@mis.mpg.de

    Kontakte
    VolkswagenStiftung
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Christian Jung
    Telefon: 05 11/83 81 - 380
    E-Mail: jung@volkswagenstiftung.de

    Förderinitiative der VolkswagenStiftung
    Dr. Ulrike Bischler
    Telefon: 05 11/83 81 - 350
    E-Mail: bischler@volkswagenstiftung.de

    Der Text der Presseinformation steht im Internet zur Verfügung unter http://www.volkswagenstiftung.de/service/presse.html?datum=20070425


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Mathematik, Medizin, Physik / Astronomie, Verkehr / Transport, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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