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04.05.2007 12:38

Zahnimplantate und Zähneknirschen: Schwachstelle Prothetik

Dipl. Biol. Barbara Ritzert ProScience Communications, die Agentur für Wissenschaftskommunikation GmbH
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    Rund 95 Prozent aller Implantate sind nach 5 bis 10 Jahren noch unversehrt an ihrem Platz - die Erfolgsraten der Implantologen können sich sehen lassen, die Verlustraten liegen unter fünf Prozent. Deutlich schlechter ist die Bilanz bei den Kronen, Brücken und Prothesen auf den Implantaten, die im Fachjargon als Suprakonstruktion bezeicnet werden: Bei 20 bis 25 Prozent der Fälle sind in den ersten fünf Jahren Reparaturen oder sogar Neuanfertigungen erforderlich, erklärt Professor Manfred Wichmann, Erlangen, auf dem 20. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Implantologie in München. Ein zu kraftvoller Biss der Patienten, insbesondere beim Zähneknirschen, überfordert die Materialien.

    Endlich wieder kraftvoll zubeißen - das wünschen sich Patientinnen und Patienten nach Zahnverlust, die mit herkömmlichem Zahnersatz Probleme haben. Implantatgetragener Zahnersatz macht dieses kraftvolle Zubeißen wieder möglich.

    DIE SCHATTENSEITE DER KAUKRAFT. Doch die wiedergewonnene Kaufähigkeit hat auch Schattenseiten - zumindest für die prothetischen Materialien: "Da die Kaufähigkeit mit Implantaten sehr viel besser ist als bei einer herkömmlichen Prothese, beißen die Menschen auch wieder deutlich fester zu. Dies belastet die Materialien der Kronen, Brücken und Prothesen auf Implantaten mehr als bei einer herkömmlichen prothetischen Versorgung", erklärt Professor Manfred Wichmann von der Poliklinik für zahnärztliche Prothetik der Universität Erlangen-Nürnberg.

    Bei einer Brücke, die auf natürlichen Zähnen verankert ist, merken die Patienten sehr schnell, wenn eine Nuss für das Gebiss zu hart ist und die Kaukräfte überfordert: Der eigene Zahn registriert die Kaukräfte über spezifische Rezeptoren im Zahnhalteapparat wesentlich sensibler als ein Implantat. Schutzreflexe begrenzen dann die Kräfte der Kaumuskulatur. Dieser Informationsfluss ist bei Implantaten gekappt. Entsprechend setzt der kraftvolle Biss des Implantatträgers die Materialien der Suprakonstruktionen unter Stress.

    MATERIALIEN UNTER STRESS. Untersuchungen belegen, dass Komplikationen - beispielsweise Brüche der zahnfarbenen keramischen Verblendschicht bei Brücken - auf eigenen Zähnen nur bei etwa drei Prozent der Patienten auftreten. Bei implantatgetragenen Kontruktionen ist diese Komplikation hingegen mit 15 Prozent fünf Mal häufiger zu beobachten.

    Besonders stark wirken die Kaukräfte bei Menschen, die in der Nacht mit den Zähnen pressen oder knirschen. Dieses Phänomen wird von Zahnärzten "Bruxismus" genannt und tritt bei etwa 10 Prozent der Bevölkerung auf. "Dabei wirken Kräfte auf den Zahnersatz ein, welche die willkürliche maximale Kaukraft deutlich überschreiten können", sagt Wichmann. So wurden bei Zähneknirschern Kaukräfte von bis zu 800 Newton gemessen (Ein Gewicht von 1 kg entwickelt einen Druck oder Zug von 9,8 Newton.) Diese Kräfte sind bis zu sieben mal höher als die Kräfte beim Kauen von Speisen. Zum Vergleich: Abhängig von der Speisekonsistenz liegt die Kaukraft, die Menschen beim Essen aufwenden müssen, normalerweise zwischen 50 und 100 Newton. Ein im Knochen eingewachsenes Implantat hält dies üblicherweise aus: Es bricht erst aus dem Knochen wenn Kräfte über 1500 Newton einwirken. Doch die maximale Kaukraft kann die Materialien und Komponenten der prothetischen Suprakonstruktion sehr wohl überfordern.

    ZÄHNEKNIRSCHEN BERÜCKSICHTIGEN. Wenn Patienten mit den Zähnen knirschen, muss dies bei der prothetischen Versorgung mit implantat-getragenem Zahnersatz daher berücksichtigt werden: "Im Rahmen der Planung kann durch die Positionierung der Implantate, ihre Zahl, Länge und Form die Belastbarkeit der späteren Suprakonstruktion gesteigert werden", sagt Wichmann. "Bei der prothetischen Versorgung können durch die Materialauswahl, die Art der Befestigung (Zementiert/Verschraubt), die Gestaltung der Gerüste und Kauflächen sowie die Verbindung der Implantat untereinander Spitzenbelastungen vermieden und die Widerstandsfähigkeit der Konstruktion positiv beeinflusst werden.

    Auch bei der Materialentwicklung sieht Wichmann noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf: "Hilfreich wären Keramiken mit besserer Frakturresistenz." Auch weiterentwickelte Kompositmaterialien könnten, prophezeit der Erlanger Prothetiker, "zu einer Renaissance der Kunststoffe im Bereich der Verblendmaterialien führen, wenn sie sich weniger abnutzen und weniger altern als die bislang verfügbaren Werkstoffe."

    VORTEIL: REPARIERBARER ZAHNERSATZ. Aber auch beim Einsetzen der Suprakonstruktion können Fehler passieren, welche die Haltbarkeit beeinträchtigen. Wichmann: "Beim Festziehen der Schrauben muss das vom Hersteller vorgegebene Drehmoment unbedingt eingehalten werden, sonst kann sich die Verschraubung lockern." Sinnvoll sei es auch, insbesondere umfangreichere Suprakonstruktionen so zu planen, dass sie bei Bedarf abgeschraubt werden können und nicht aus einem Stück hergestellt sind. Im Falle von Problemen können sie somit einfacher repariert werden. Wichmann: "Eine Zementierung ist bei großen Rekonstruktionen, also Komplettrestaurationen des ganzen Kiefers nicht sinnvoll."

    Für Rückfragen:
    Prof. Dr. Manfred Wichmann, Erlangen
    Pressesprecher DGI e.V.
    Poliklinik für zahnärztliche Prothetik
    Universität Erlangen-Nürnberg
    Glückstraße 11 · 91054 Erlangen
    Tel.: 09131 853-3604
    Fax: 09131 853-6781
    E-mail: mwichmann@prothetik-erlangen.de

    PRESSEKONTAKT.
    Barbara Ritzert, ProScience Communications GmbH,
    Andechser Weg 17, 82343 Pöcking
    Tel. 08157 93 97-0, Fax: 08157 93 97-97,
    Mail: ritzert@proscience-com.de


    Weitere Informationen:

    http://www.dgi-ev.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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