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17.08.2007 13:01

Enge Verknüpfung von Grundlagenforschung und gesellschaftlichem Handeln

Anke Müller Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    13. Europäische Konferenz zur Entwicklungspsychologie vom 21.-27. August an der Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jena (17.08.07) Die bedeutendste Tagung der europäischen Entwicklungspsychologen findet in diesem Jahr an der Friedrich-Schiller-Universität Jena statt: Die 13th European Conference on Developmental Psychology wird vom 21.-27. August 2007 durch das Center for Applied Developmental Science (CADS) der Universität Jena ausgerichtet.

    Die Entwicklungspsychologie als Wissenschaftsdisziplin entstand vor 125 Jahren in Jena. Aus diesem Grunde freuen sich die Jenaer Entwicklungspsychologen um Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen ganz besonders darüber, die Fachkollegen aus aller Welt in der thüringischen Universitätsstadt begrüßen zu können.

    "Die Entwicklungspsychologie als Teilgebiet der Psychologie befasst sich mit der Veränderung menschlichen Erlebens und Verhaltens über die gesamte Lebensspanne", sagt Silbereisen. "Ihre Aufgaben sind die Beschreibung und Erklärung sowie die Vorhersage und Beeinflussung solcher Veränderungen. Beispiele sind Fähigkeiten zum Lösen von Problemen oder zum Verstehen anderer Menschen, die über die Jahre des Lebens an Tüchtigkeit erst gewinnen und oft auch wieder verlieren." Ihren Ursprung hat die Entwicklungspsychologie in der Kinderpsychologie, da sie sich zunächst vor allem mit der Entwicklung vom Kleinkind zum Erwachsenen hin beschäftigte. Heute hingegen untersucht diese Wissenschaft die während der ganzen Lebensspanne fortdauernde Weiterentwicklung des Menschen bis in das hohe Alter.

    "Jena kann als Wiege der Entwicklungspsychologie gelten, denn als akademische Disziplin wurde sie hier durch William Thierry Preyer begründet", erklärt Silbereisen. "Als in England geborener und in Jena wirkender Forscher war er überdies Europäer im besten heutigen Sinne." In seinem Gedenken wird auf der Jenaer Konferenz daher erstmals der "William Thierry Preyer Award" für herausragende wissenschaftliche Leistungen bei der Erforschung menschlicher Entwicklung und ihrer Kontexte verliehen. Dieser Preis wurde vom Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Prof. Dr. Klaus Dicke, und von Professor Silbereisen gemeinschaftlich gestiftet.

    Die European Society for Developmental Psychology (ESDP) wurde 1994 gegründet und hat derzeit rund 500 Mitglieder vornehmlich aus Forschungsinstituten und Universitäten. Neben vielen Interessenten aus Europa werden auch Fachleute aus außereuropäischen Ländern, wie den USA, Japan, Israel und Iran, sowie aus Entwicklungs- und Schwellenländern in Jena erwartet. Insgesamt werden an dem Kongress etwa 1.200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler teilnehmen.

    Die Konferenz

    Die 13th Conference on Developmental Psychology beginnt mit drei Workshops: Professor Alexander von Eye (East Lansing/USA) wird einen Workshop zu Neuerungen in der Anwendung der so genannten Konfigurationsfrequenzanalyse anbieten, einem typenbildenden statistischen Verfahren, das in der europäischen Tradition des Personenansatzes steht. In einem weiteren Workshop fassen Professorin Lorah D. Dorn, Pennsylvania State University/USA, und Professorin Françoise Alsaker, Universität Bern/Schweiz - weltweit führende Expertinnen auf diesem Gebiet - aktuelle Erkenntnisse und Methoden der Pubertätsforschung zusammen. Der Workshop von Professor Andreas Beelmann (Jena) befasst sich mit wissenschaftlich fundierten Präventions- und Interventionsprogrammen gegen Problemverhalten und zur Förderung von Kompetenz. "Nicht nur für Deutschland ist diese Thematik wegen der Gewalt an Schulen oder Problemen bei der Integration von Immigranten besonders aktuell", unterstreicht Silbereisen.

    Bei der Auswahl der Themen und der Forscher, die eigens mit Unterstützung von Förderinstitutionen eingeladen wurden, spezielle Vorträge und Symposien zu halten, legten die Veranstalter größten Wert auf die enge Verknüpfung zwischen Grundlagenforschung und gesellschaftlichem Handeln. So geht es beispielsweise um die Einbindung von Forschungsbefunden zur frühkindlichen Entwicklung in politisches Handeln und Entscheiden für die Wissensgesellschaft. Neue Erkenntnisse sind aus gesellschaftlich hochbrisanten Forschungsfeldern wie Sucht- und Gewaltprävention oder Integration von Immigranten zu erwarten. Doch auch die Bewältigung von sozialpolitischen Transformationsprozessen oder von Übergängen zwischen einzelnen Lebensabschnitten und das Phänomen der gelungenen Entwicklung trotz schwerer Beeinträchtigungen stehen derzeit im Fokus der Forschung.

    "Die Entwicklungspsychologie hat in den letzten Jahren wichtige Impulse erfahren, die zu neuen Konzepten und Themen ebenso wie zu neuen Herangehensweisen führten", sagt Silbereisen. "So hat das von den politischen und ökonomischen Umbrüchen der 1990er Jahre ausgehende Interesse an der Rolle makrostruktureller Kontexte der Entwicklung und ihres Wandels zu einer Rückbesinnung auf sozialökologische Ansätze und zu verstärkter interdisziplinärer Kooperation in den Sozialwissenschaften geführt", so der Jenaer Psychologe weiter. "Konzeptionell hat sich die Entwicklungspsychologie in den letzten Jahren ihrer Wurzeln im evolutionären und biologischen Denken erinnert. Sie betreibt heute eine durch eine vergleichende Perspektive getragene Forschung zu den Grundlagen von Entwicklung. Dabei geht es um Funktionen wie Wahrnehmung, Motivation und Kognition, auch unter Einbeziehung neurowissenschaftlicher Perspektiven."

    Mit speziellen Angeboten für den wissenschaftlichen Nachwuchs will das Organisatorenteam um Professor Silbereisen und PD Dr. Matthias Reitzle dessen Integration in die Scientific Community befördern. So sieht das Programm der Konferenz einen Empfang für Studierende und Jungwissenschaftler vor sowie eine Vielzahl von Poster-Sessions und die Veranstaltung "Meet the Editor", die es dem Nachwuchs erleichtern soll, Arbeiten in anerkannten, hoch bewerteten Fachzeitschriften zu publizieren.

    Die European Conference on Developmental Psychology findet alle zwei Jahre an wechselnden Orten statt - zuletzt in Mailand und in La Laguna auf Teneriffa. Der nächste Kongress der europäischen Entwicklungspsychologen wird 2009 von Wissenschaftlern der Mykolas Romeris Universität Vilnius, Litauen, organisiert.

    Das Center for Applied Developmental Science (CADS) der Universität Jena -
    ein Think Tank für Entwicklungsfragen in Thüringen

    Das CADS, gegründet 2003, wird geleitet von Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen. Er wird unterstützt von einem Team, dem unter anderem Dr. Verona Christmas und PD Dr. Matthias Reitzle angehören. Die Ziele des CADSs sind Gewinnung, Verbreitung und Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse über die menschliche Entwicklung im Verlauf der gesamten Lebensspanne und ihre Weitergabe an die politischen Entscheidungsträger. Besonderes Gewicht liegt dabei auf Ausbildung, Forschung, Prävention, Intervention und Schulungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um die positive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien zu unterstützen.

    Dazu laufen am CADS eine Vielzahl von Projekten, die von unterschiedlichen Geldgebern finanziert werden. So untersucht das CADS beispielsweise die psychischen Voraussetzungen für erfolgreiche Unternehmensgründungen und auch, was unternehmerisch tätige hinsichtlich ihrer Entwicklung und Persönlichkeit von angestellt tätigen Menschen unterscheidet. Gefragt hat PD Dr. Eva Schmitt-Rodermund beispielsweise, welche Unterschiede bereits während Kindheit und Jugend sichtbar werden, und inwieweit diese auf die spätere Berufswahl einen maßgeblichen Einfluss hatten. So wurde der berühmte Datensatz der US-amerikanischen Terman-Studie, der Informationen praktisch über den gesamten Lebenslauf enthält, hinsichtlich früher Vorläufer späterer unternehmerischer Aktivität einer Sekundäranalyse unterzogen. "Die Auswertungen ergaben, dass erst das Zusammenwirken einer unternehmerischen Persönlichkeit, wie sie sich in Kreativität und Neugierde, aber auch in Fleiß und geringer Irritierbarkeit bereits im Alter von etwa zwölf Jahren äußert, mit einer anregenden Umgebung - etwa in Form von viel mit den Eltern bei gemeinsamen Aktivitäten verbrachter Zeit - Erfindergeist und Anführerqualitäten beförderten", so Schmitt-Rodermund. "Diese wiederum zeigten sich als wichtige Vorläufer für unternehmerisches Interesse und eine entsprechende Berufswahl, letztere teils mehr als 20 Jahre später."

    Aus den Erkenntnissen, die die Entwicklungspsychologen der Universität Jena gewinnen, leiten sie stets auch konkrete Vorschläge für politisches Handeln ab. So entstand beispielsweise ein Programm zur Beförderung unternehmerischen Interesses bei entsprechend begabten Mädchen und Jungen, das nach seiner Evaluation erfolgreich in Schulen eingesetzt wird. Derzeit arbeitet die Forschergruppe um Schmitt-Rodermund und Silbereisen gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaftswissenschaften an weiteren Studien zu den Vorläufern erfolgreichen unternehmerischen Handelns in Kindheit und Jugend bei Thüringer Unternehmern sowie zu den Bedingungen für eine erfolgreiche Weiterführung von Familienunternehmen.

    Einen Überblick über sämtliche Forschungsprojekte des Zentrums sind im Internet zu finden unter: http://www2.uni-jena.de/svw/devpsy/cads/start.php.

    Das CADS unterstützt in interdisziplinärer Zusammenarbeit besonders befähigte Studienabsolventen bei der Promotion auf dem Gebiet der Entwicklungspsychologie. Derzeit forschen 14 Doktoranden am CADS. Sie werden durch erfahrene Fachkollegen dabei unterstützt und sie stellen ihre Arbeiten regelmäßig auf Forschungskolloquien, auf nationalen und internationalen Tagungen und in Fachzeitschriften vor. So werden sie von Anbeginn an in die Scientific Community eingebunden. Hinzu kommen Doktoranden der Pennsylvania State University (USA), die im Rahmen eines Austauschprogrammes einen Teil ihrer Ausbildung in Jena erfahren. Das CADS ist auch Mitglied der Jenaer Graduiertenschule "Human Behaviour in Social und Economic Change", die als Antwort auf die Exzellenzinitiative der Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde. Insgesamt sind am CADS rund 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tätig, darunter eine Nachwuchsgruppe um Dr. Karina Weichold.

    "Das CADS ist nicht nur eine der führenden wissenschaftlichen Einrichtungen unserer Hochschule", sagt Prof. Dr. Klaus Dicke, Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena. "Es hat sich zudem zu einer der am stärksten wahrgenommenen und nachgefragten Beratergruppen Thüringens entwickelt und zu einem Fürsprecher des sozialen Gewissens." Das Zentrum sei ein wesentlicher Bestandteil der universitären Exzellenz, ein Think Tank für Entwicklungsfragen in Thüringen, und es trage außerordentlich aktiv zur Internationalisierung der Stadt Jena und seiner Universität bei.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen / PD Dr. Eva Schmitt-Rodermund
    Institut für Psychologie und Center for Applied Developmental Science
    Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Am Steiger 3/1, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945201 oder 945207
    E-Mail: Rainer.Silbereisen[at]uni-jena.de / Eva.Schmitt-Rodermund[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.esdp2007.de/index.htm
    http://www.uni-jena.de
    http://www2.uni-jena.de/svw/devpsy/cads/start.php


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Psychologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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