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23.08.2007 10:17

Engagement erhöht die Chancen

Anke Müller Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Von der 13. Europäischen Konferenz zur Entwicklungspsychologie an der Universität Jena

    Jena (23.08.07) In Deutschland beginnt jeder Schulabgänger, falls er nicht studieren will, entweder eine Lehre oder eine überbetriebliche Ausbildung. Bei der Lehrstellenvergabe orientieren sich die Unternehmen an Testergebnissen und Vorstellungsgesprächen, vor allem aber an den Schulnoten. Das führt dazu, dass sich die Jugendlichen berufliche Ziele setzen, die den eigenen in der Vergangenheit erreichten Schulnoten folgen. Sie setzen sich also keine hohen Ziele - und hätten auch kaum Chancen, solche zu erreichen.

    Darauf jedenfalls deuten Ergebnisse von Studien, die heute im Symposium "Agency in the Transition from School to Work and College" auf der 13th European Conference on Developmental Psychology vorgestellt werden. Diese bedeutendste Tagung der europäischen Entwicklungspsychologen wird vom 21.-27. August 2007 durch das Center for Applied Developmental Science (CADS) der Friedrich-Schiller-Universität Jena ausgerichtet.

    Wie Jugendliche ihr Schicksal beeinflussen können

    Auf diesem Symposium, das von Prof. Dr. Jutta Heckhausen, University of California, Irvine/USA, geleitet wird, stellen Wissenschaftler aus vier Ländern ihre Forschungsergebnisse vor. "Wir wollen herausfinden, wie Jugendliche beim Übergang ins Erwachsenenalter ihr Schicksal beeinflussen können", erläutert Heckhausen. Die Entwicklungspsychologen interessiert, wie Menschen ihre eigene Entwicklung regulieren. So sind viele Schritte auf dem Lebensweg an bestimmte Zeitfenster gebunden - beispielsweise die Entscheidung für einen Ausbildungsweg, Berufswahl, Familiengründung und Geburt von Kindern. Ist der richtige Zeitpunkt dafür verstrichen, so ist dies nur mit extrem hohem Aufwand oder gar nicht mehr zu korrigieren.

    Der Eintritt in das Berufsleben ist von enormer Bedeutung für die gesamte Biographie: "Dieser Schritt bestimmt in hohem Maße die Zukunft des Jugendlichen als Erwachsener", unterstreicht Heckhausen. Der Jugendliche muss sich dabei zwischen verschiedenen Wegen entscheiden - doch zu welchem Zeitpunkt fällt eigentlich diese Entscheidung? Und ist dies in allen Ländern gleich oder gibt es Unterschiede beim Übergang zur ersten Arbeitsstelle, zur Ausbildung oder zum Studium?

    "Unsere Studien zeigen, unter welchen gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen welche Art von Zielsetzungen und Zielverfolgungsstrategien hilfreich sind, um den Jugendlichen einen erfolgreichen Start ins Erwachsenenalter zu ermöglichen", sagt die Professorin. "Denn die befragten Jugendlichen zeigten mehr oder weniger ambitionierte Ziele, höhere oder niedrigere Flexibilität, alternative Ziele zu entwickeln, mehr oder weniger intrinsische Motivation für ein gewähltes Ziel und mehr oder weniger Gebrauch von Selbstmotivationsstrategien." Und sie finden in jedem Staat andere Bedingungen vor. So verläuft der Übergang von der Schule zur Lehre in Deutschland hoch strukturiert, stark institutionalisiert und mit vorgegebenem zeitlichen Rahmen. "In den USA hingegen haben die Jugendlichen eine Vielzahl von Möglichkeiten bei wenig Strukturen", so Heckhausen.

    Deutsche Realschulabsolventen passen ihre beruflichen Ambitionen eng an die eigenen Schulleistungen an

    In einer großen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Studie hat sie gemeinsam mit Wissenschaftlern des Max-Planck-Institutes für Bildungsforschung und der Humboldt-Universität Berlin Schüler von Berliner Realschulen bei der Lehrstellensuche beobachtet. Dabei haben die Forscher herausgefunden, "dass deutsche Realschulabsolventen ihre beruflichen Ambitionen eng an die eigenen Schulleistungen anpassen und so am besten eine Lehrstelle bekommen", so Heckhausen. Sie konkurrieren auf dem Arbeitsmarkt mit Jugendlichen, die Abitur oder zumindest Fachabitur vorweisen können, um den Einstieg in prestigebringende Berufe - und da haben sie oftmals nicht die besten Karten. "Wenn man dagegen in den USA High-School-Absolventen befragt und ihren weiteren Werdegang verfolgt, dann sind diejenigen, die bei Schulabschluss extrem hohe und eigentlich unrealistisch erscheinende Ambitionen haben, am Ende die Erfolgreichsten, die also einen höheren Universitätsabschluss schaffen."

    Probleme beim Übergang von der Schule in das Erwerbsleben untersuchte ein finnisches Forscherteam um Prof. Dr. Katariina Salmela-Aro, Universität Jyväskylä. Sie stellten fest, dass finnische Schüler, die sich für den berufsorientierten und gegen den akademischen Schulzweig entschieden haben, mit dieser Entscheidung meist sehr zufrieden sind. Die Schüler im akademisch orientierten Zweig hingegen entwickeln über die Schulzeit zunehmend Zynismus, etliche fühlen sich ausgebrannt und den Anforderungen eigentlich nicht gewachsen.

    Prof. Dr. Ingrid Schoon von der City University of London berichtet von einer sehr großen Studie mit Frauen der Geburtskohorten 1958 und 1970. Sie zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, als Teenager schwanger zu werden, bei jenen Mädchen auffällig ansteigt, deren Engagement für die Schule zuvor deutlich abgenommen hat.

    Wer sich nach Studienabschluss stark engagiert, der nimmt auch eine günstige Entwicklung

    Claudia Haase, Doktorandin am CADS der Friedrich-Schiller-Universität Jena, stellt Befunde vor zu Lebenszielen, Kontrollstreben und positiver Entwicklung beim Übergang vom Hochschulstudium ins Berufsleben. In der AZUR-Studie ("Ansichten, Zufriedenheit und Richtungen nach dem Studium") wurden über 500 Hochschulabsolventen beim Start ins Berufsleben begleitet. Dazu wurden sie nach Studienende über ein Jahr hinweg viermal befragt. Die Jenaer Entwicklungspsychologen wollten damit herausfinden, welche Strategien die Absolventen entwickeln, um den Übergang in den Beruf zu meistern, und wie erfolgreich sie damit sind. Sie interessierten sich zudem dafür, wer Zufriedenheit und Wohlbefinden äußert, einen Sinn in seinem Leben sieht und das Gefühl hat, unabhängig und selbstbestimmt zu handeln. Die Befragung ist kürzlich beendet worden und die gewonnenen Daten werden nun ausgewertet.

    Die ersten Resultate, so Diplom-Psychologin Haase: "Wer sich nach Studienabschluss stark engagiert, der nimmt auch eine günstige Entwicklung." Dabei zeigten sich jedoch große Unterschiede, je nach den Lebenszielen der Befragten: "Am stärksten engagieren sich diejenigen, die ihre persönlichen Kompetenzen, zum Beispiel ihre Kenntnisse und ihren Horizont, erweitern wollen. Es gibt natürlich auch Menschen, denen Status extrem wichtig ist. Das aber hatte überraschenderweise keinen Motivationseffekt." Haase führt das darauf zurück, dass Berufsanfänger in ihrer ersten Anstellung wenig Status gewinnen, aber viel lernen können und müssen. Und wessen Lebensziele damit im Einklang stehen, der wird sich stärker engagieren - und hat so größere Chancen, auch seinen beruflichen Zielen näher zu kommen.


    Weitere Informationen:

    http://www.esdp2007.de/index.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Psychologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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