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09.08.2000 12:27

Genomforschung und Arzneimittel der Zukunft

Dipl.Pol. Justin Westhoff UKBF-Pressestelle / MWM-Vermittlung
Universitätsklinikum Benjamin Franklin

    Hintergründe zu einerinternational bedeutsamen Tagung

    Genomforschung, Zelluläre Signaltransduktionund Molekulare Pharmakologie

    UKBF-Pressedienst Nr. 85 vom 9. August 2000

    Führende Wissenschaftler aus aller Welt treffen sich Ende September in Berlin, um zu untersuchen, welche Bedeutung die Genomforschung für die Entwicklung völlig neuartiger, gezielt wirksamer Medikamente hat. Die Tagung (siehe am Ende dieses Pressedienstes) wird von einem Sonderforschungsbereich am Fachbereich Humanmedizin der FU / UKBF organisiert.

    Worum geht es?

    Wie löst das Stresshormon Adrenalin eine Beschleunigung des Herzschlages aus?
    Wie wandeln Zellen der Netzhaut des Auges Licht in ein Nervensignal um?
    Wie verändert sich ein normales zelluläres Wachstumssignal und wird zum Auslöser einer bösartigen Tumorerkrankung?
    Diesen und vielen anderen Fragen widmet sich das Forschungsgebiet "Zelluläre Signaltransduktion". Tierische wie menschliche Zellen werden durch chemische und physikalische Signale wie Hormone, Neurotransmitter, Wachstumsfaktoren, Geruchsstoffe oder Licht gesteuert. Diese äußeren Signale werden von Andockstellen auf den Zellen (Rezeptoren) empfangen und anschließend über Signal-Kaskaden in Signale innerhalb der Zellen umgesetzt. Diese intrazellulären Signale leiten dann die zellulären Reaktion auf den Auslöser, den Stimulus, ein, zum Beispiel das Wachstum der Zelle.
    Das Thema Signaltransduktion wird am Fachbereich Humanmedizin der Freien Universität Berlin seit bald 20 Jahren intensiv erforscht. Zunächst war hier ein Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu diesem Thema (Koordinator: Prof. Günter Schultz, Institut für Pharmakologie) angesiedelt. 1994 entstand daraus der Sonderforschungsbereich (SFB) 366: "Zelluläre Signalerkennung und -umsetzung" (Sprecher: Prof. Werner Reutter, Biochemie), der von der DFG als einer der größten Sonderforschungsbereiche in Deutschland unterstützt wird.
    Die Tagung im September unter dem Titel: Molecular Pharmacology: Towards New Diagnostic and Therapeutic Concepts deutet auf die zentrale Bedeutung der Signaltransduktion im Rahmen der modernen Molekularen Pharmakologie hin.

    Ein Hauptanliegen der Pharmakologie ist die Beschreibung neuer potentieller Angriffsorte für Medikamente, so genannter "drug targets". Regulationsstörungen im Verlaufe von zellulären Signaltransduktionsvorgängen sind an den meisten Erkrankungen ursächlich beteiligt. So nimmt es nicht Wunder, dass von den zur Zeit eingesetzten Medikamenten etwa zwei Drittel durch Beeinflussung zellulärer Signaltransduktionsmechanismen wirken.In den letzten Jahren gab es grundlegend neue Einblicke in Signaltransduktionsmechanismen, die zu ganz neuen Forschungsaspekten für die Molekulare Pharmakologie führten und in den kommenden Jahren ganz entscheidend die Entwicklung neuer Medikamente befruchten werden.

    Die internationale Tagung befasst sich in vier Hauptthemengebieten mit diesen aktuellen Entwicklungen:

    Im ersten Themenblock ("Signaltransduktion") werden verschiedene Rezeptortypen, die als pharmakologische Zielstrukturen dienen und in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden, in mehreren Vorträgen abgehandelt. In einer "Special Lecture" wird darüber hinaus der Münchener Pharmakologe Franz Hofmann neue Aspekte der Bedeutung von Ionenkanälen darstellen, also von röhrenförmigen Proteinstrukturen, die Ionen wie Natrium oder Kalzium in die Zelle oder aus der Zelle schleusen. Der Gruppe von Hofmann gelang es kürzlich erstmals, einen Kanal im menschlichen Herzen zu isolieren, der eine zentrale Rolle bei der Regulation der Herzfrequenz spielt. Dieser If-Kanal steuert im Vorhof des Herzens die Bildung des elektrischen Signals, welches das Herz in regelmäßiger Weise zum Schlagen bringt.

    "Strukturbiologie" und "Bioinformatik" sind zwei relativ junge Disziplinen, die die Arzneimittelentwicklung in der Zukunft entscheidend prägen werden. Ihnen ist der zweite Themenblock "Strukturelle Basis der Pharmakologie" gewidmet. Die Strukturbiologie klärt die Raumstruktur von großen biologischen Molekülen (Makromolekülen) wie Proteinen, DNS und RNS auf, das heißt, sie erstellt dreidimensionale Abbilder dieser komplexen Strukturen mit atomarer, also extrem hoher Auflösung. Funktionellen Veränderungen liegen stets Veränderungen in der Raumstruktur eines Moleküls zu Grunde. Daher stellt die Strukturbiologie einen wichtigen Zugang zum Verständnis der Funktion und Regulation eines Moleküls dar. Dies trifft in besonderer Weise für die GTP-bindenden Proteine zu, die als "molekulare Schalter" die Funktion und das Wachstum von Zellen steuern. Darüber werden zwei renommierte Strukturbiologen, Fred Wittinghofer aus Dortmund und Stephen Sprang aus Dallas, berichten.
    Kommt z.B. ein Protein als drug target in Frage, ist die Kenntnis seiner Raumstruktur für die Entwicklung von Arzneimitteln von größter Wichtigkeit. Zusammen bilden Strukturbiologie und Bioinformatik die Basis für das "rational drug design" - die maßgeschneiderte Anfertigung von Arzneimitteln. Dabei werden kleine Moleküle entwickelt, die Vorläufer von Pharmaka darstellen. Dies erfolgt zunächst am Computer, bevor dann Synthesen vorgenommen werden. Unter Verwendung der Daten aus den Genomprojekten kann die Bioinformatik unter Hunderttausenden von Makromolekülen jene herausfiltern, die als drug targets geeignet erscheinen. Mit dem Heidelberger Peer Bork konnte für die Tagung einer der herausragenden Vertreter der Bioinformatik gewonnen werden.

    Die biologische Bedeutung molekular definierter drug targets für Pharmaka soll auch im dritten Themenblock "Transgene Tiere" behandelt werden. Hier werden einige ausgewählte Tiermodelle mit besonderer pharmakologischer Bedeutung dargestellt. Diese auf der "knock-out"- oder transgenen Technik beruhenden Modellsysteme geben neue Einblicke in pathophysiologische Zusammenhänge oder stellen die Basis für neuen rationale pharmakotherapeutische Ansätze dar. Dabei werden definierte genetische Veränderungen in Modellorganismen, vorzugsweise der Maus, eingefügt. Die beispielsweise aus der Ausschaltung eines bestimmten Genes resultierenden Veränderungen am Tier lassen dabei Rückschlüsse auf die Funktion des Genes sowie seines Genproduktes zu.
    Der japanische Pharmakologe Shuh Narumiya konnte für einen Vortrag bei der Tagung gewonnen werden. Narumiya beschäftigt sich u.a. mit Prostaglandinen, einer Gruppe von Gewebshormonen, die durch Bindung an bestimmte Rezeptoren eine Fülle von Körperfunktionen regulieren. Durch Untersuchungen an knock-out-Mäusen, denen bestimmte Prosta-glandin-Rezeptoren fehlen, konnte Narumiyas Gruppe zeigen, dass eine Untergruppe von Rezeptoren (der Subtyp EP3) an der Auslösung von Fieber beteiligt ist; entsprechende knock-out-Mäuse zeigen keine Fieberreaktion auf typische Auslöser. Ein anderer Rezeptor, der EP1-Subtyp, ist hingegen an der Produktion von Faktoren beteiligt, die die Magenschleimhautzellen vor dem Angriff der Magensäure schützen.
    Diese Arbeiten haben bereits die Entwicklung neuer Medikamente zur Fiebersenkung oder zur Behandlung von Magengeschwüren nach sich gezogen.

    Pharmakogenomische und pharmakogenetische Aspekte werden im vierten Themenblock behandelt. Durch das Fortschreiten der Genomprojekte, insbesondere des Humangenomprojektes HUGO, besteht zunehmend die Möglichkeit, Krankheiten auf molekularer Basis zu verstehen. Die Verfügbarkeit des menschlichen Genoms ist die Grundlage der "Pharmakogenomik", die - ausgehend von Genomdaten - neue Strategien der pharmakologischen Intervention entwickelt. Variationen in der genetischen Ausstattung sind eine häufige Ursache für den ausbleibenden Therapieerfolg oder für Nebenwirkungen. Hier stehen an erster Stelle Veränderungen in der Reihenfolge von Bauelementen der Erbmoleküle (Single Nucleotide Polymorphisms, SNPs). Damit befasst sich die Pharmakogenetik. Mit Hilfe einfacher Gentests wird es in Zukunft möglich sein, SNPs zu diagnostizieren und eine Arzneimitteltherapie individuell an die genetische Ausstattung eines Patienten anzupassen.

    Internationale Konferenz
    Molecular Pharmacology:Towards New Therapeutic and Diagnostic Concepts
    Termin:
    27. September 2000, 19.00 Uhr bis 30. September, 14.00 Uhr
    Ort:
    Freie Universität, Henry-Ford-Bau, Garystraße 35, 14195 Berlin
    Veranstalter:
    DFG-Sonderforschungsbereich 366: Zelluläre Signalerkennung und -umsetzung
    Fachbereich Humanmedizin der FU / UKBF
    Deutsche Gesellschaft für Experimentelle und Klinische Pharmakologieund Toxikologie (DGPT)
    Ansprechpartner:
    ° Prof. Dr. Günter Schultz
    Institut für Pharmakologie der FU/UKBF
    Thielallee 67-73, 14195 Berlin
    Tel.: (030) 8445-1812, Fax: -1818
    E-Mail: gschultz@zedat.fu-berlin.de
    ° Prof. Dr. Werner Reutter
    Vizepräsident FU
    Fachbereich Humanmedizin der FU/UKBF
    Abt. Biochemie
    Hindenburgdamm 30, 12200 Berlin
    Tel.: (030) 8445-1565; Fax: -1541
    E-Mail: reutter@zedat.fu-berlin.de
    ° Prof. Dr. Martin Paul
    Dekan Fachbereich Humanmedizin der FU
    Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie Garystraße 5, 14195 Berlin
    Tel.: (030) 8445-1701/-3321, Fax: (030) 8445-1761/-4451 E-Mail: paul@medizin.fu-berlin.de
    ° Prof. Dr. Walter Rosenthal
    Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie und Institut für Pharmakologie der FU/UKBF
    Alfred-Kowalke-Straße 4, 10315 Berlin
    Tel.: (030) 51551-218, Fax: -291
    E-Mail: rosenthal@fmp-berlin.de
    weitere Infos:
    http://www.fu-berlin.de/sfb366/IDS/ids2000.htm

    Anmerkungen für (Fach-)Journalisten:
    Für die Aufnahme der Tagung in Ihren Veranstaltungskalender wären wir dankbar.
    Der Eintritt zur Tagung ist für Journalisten selbstverständlich frei.Anmeldung im Sekretariat von Prof. Schultz (s.o.)Das komplette Programm findet sich auf der u.a. Internet-Seite.
    Wenn Sie Fragen im Vorfeld oder Interviewwünsche haben,wenden Sie sich bitte unmittelbar an die oben genannten Ansprechpartner,die Ihnen auch für Gespräche am Rande der Tagung zur Verfügung stehen.


    Weitere Informationen:

    http://www.fu-berlin.de/sfb366/IDS/ids2000.htm


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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