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25.08.2000 09:07

Selbstgesteuertes Lernen: Perspektiven für die Praxis

Christine Schumann M. A. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

    Kaum ein zweites Thema beherrscht derzeit den Diskurs in der Pädagogik so stark wie das "Selbstgesteuerte Lernen". Dabei herrscht ungekannte Einigkeit: Vertreter aus Pädagogik, Psychologie, Politik und Wirtschaft sehen in dieser neuen Lernkultur die Lernform der Zukunft. In der Praxis setzt sich die Idee hingegen nicht so reibungslos um.Am 15. Juni 2000 präsentierte das Deutsche Institut für Erwachsenenbil-dung (DIE), Frankfurt/M., mit sehr großer Resonanz die bisherigen Ergebnisse des Projekts "Selbstgesteuertes Lernen - Serviceleistungen zur Entwicklung einer neuen Lernkultur in der Weiterbildung".

    Stephan Dietrich

    Selbstgesteuertes Lernen: Perspektiven für die Praxis
    Fachtagung des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) in Frankfurt/M.

    Kaum ein zweites Thema beherrscht derzeit den Diskurs in der Pädagogik so stark wie das "Selbstgesteuerte Lernen". Dabei herrscht ungekannte Einigkeit: Vertreter aus Pädagogik, Psychologie, Politik und Wirtschaft sehen in dieser neuen Lernkultur die Lernform der Zukunft. In der Praxis setzt sich die Idee hingegen nicht so reibungslos um - es herrscht eher Verwirrung: Was ist eigentlich das Neue, wie soll es finanziert werden, geht es um das Ende der institutionellen Weiterbildung? Am 15. Juni 2000 präsentierte das Deutsche Institut für Erwachsenenbil-dung (DIE), Frankfurt/M., mit sehr großer Resonanz die bisherigen Ergebnisse des Projekts "Selbstgesteuertes Lernen - Serviceleistungen zur Entwicklung einer neuen Lernkultur in der Weiterbildung". Über 100 Personen aus Wissenschaft und Praxis nahmen an der Fachtagung "Selbstgesteuertes Lernen - Perspektiven für die Praxis" teil und interessierten sich für die praktischen Konsequenzen bei der Umsetzung des Selbstgesteuerten Lernens.
    Bereits der Weg zu den Stuhlreihen führte durch das Zentrum der Tagung - Akteure aus Weiterbildungseinrichtungen gewährten hier mit ideenreichem Engagement und Liebe zum Detail Einblick in ihre Arbeit mit Selbstgesteuertem Lernen (SGL). Die insgesamt sieben am DIE-Projekt beteiligten Weiterbildungseinrichtungen, die das Selbstgesteuerte Lernen bei sich erprobt haben, blieben im Brennpunkt des Tagungsgeschehens: Filme aus den Einrichtungen informierten über die einzelnen Projekte und in einem Internet-Chat konnten über die Mittagszeit Gespräche mit Lernenden in den Einrichtungen vor Ort geführt werden. In fünf Arbeitsgruppen konnten die Tagungsgäste die wichtigsten Aspekte des Themas diskutieren und sich mit Vertreter/innen aus der Praxis austauschen:
    · SGL in der Gruppe - Neue/alte Wege zur Teamfähigkeit
    · SGL in Institutionen - Risiken erkennen, Chancen nutzen, regionale Netzwerke schaffen
    · SGL im Lernzentrum - Bleibt der Computer allein? Unbetreut - ungenutzt?
    · Für SGL qualifizieren - Anforderungen an Lehrende und Institutionen
    · Erfahrungen mit SGL - machen
    Diskutiert wurden bei der Tagung sehr konkrete Fragen wie z. B. die praktische Umsetzung der Prozessbegleitung und Unterstützung der Lernenden, die Organisation des Prozesses beim Telelearning oder die Belegung und Abrechnung in Selbstlernzentren. Gefragt wurde auch, wie unterschiedliche Vorerfahrungen der Teilnehmer/innen integriert werden, wer die Ziele in Gruppe oder Team definiert und was eigentlich gelernt wird. Nicht zuletzt beschäftigten sich die Teilnehmenden auch mit Fragen der Organisationsent-wicklung: Wie wird Lernberatung in die Einrichtung hineingetragen und verankert? Wie schaffe ich Voraus-setzungen für SGL im Team? Daneben spielte immer auch die Frage der Finanzierung eine Rolle, wie z.B.: Gibt es die Möglichkeit, Selbstlerner nach SGB3 zu finanzieren?
    Zu Beginn der Veranstaltung wurden die wichtigsten Ergebnisse des Projekts dargestellt. Dr. Klaus Meisel, stellvertretender DIE-Direktor, erinnerte an die lange Tradition der Debatte um Selbststeuerung und stellte heraus, dass selbstgesteuertes Lernen auf der einen und organisiertes Lernen auf der anderen Seite schon lange keinen Gegensatz mehr darstellen muss. "Das lernerorientierte Prinzip und die demokratischen Po-tenziale der Selbststeuerung des Lernens müssen unter realen Praxisbedingungen weiterentwickelt werden - und dafür müssen Anstöße gegeben werden", erklärte er.
    Auch Stephan Dietrich, DIE, knüpfte an eine frühere Debatte an: Bereits 1970 formulierte eine Expertenrunde an der damaligen Pädagogischen Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul-Verbands ein Modell der "Volkshochschule des Jahres 2000", in dem bereits vieles visionär gedacht wurde, was heute umgesetzt wird - z.B. der Einsatz vielfältiger Lerntechnologien, Beratungsangebote und das zeitlich flexible Lernen. "Entscheidend für das Selbstgesteuerte Lernen", so Dietrich, "ist ein vielfältiges Angebot, das eine angemessene Unterstützung für unterschiedliche Lernbedürfnisse und Lernstrategien bereitstellt."
    Wie vielfältig die Umsetzung Selbstgesteuerten Lernens sein kann, zeigte auch der im Rahmen des DIE-Projekts produzierte Film "Innenansichten"; er gab einen Einblick in die Arbeit von drei der beteiligten Projekte. Bei aller Unterschiedlichkeit der realisierten Ideen und Vorhaben gab es dennoch Gemeinsamkeiten: das Interesse an einer besseren Passung von Angebot der Weiterbildungseinrichtung und Bedürfnis der Lernenden und der Wunsch, weniger lehren zu müssen und mehr individuell fördern zu können.
    Aus wissenschaftlicher Sicht stellte Prof. Dr. Peter Faulstich, Universität Hamburg, die wichtigsten Ergebnisse des DIE-Projekts in 13 zusammenfassenden Thesen dar. Nachdem die anfänglichen Aufgeregtheiten in der Debatte mittlerweile abklängen, eröffne sich nun die Chance, gezielt nach lernförderlichen Strategien zu fragen. Für ihn geht es vor allem darum "kontaminierte Lernverhältnisse" bzw. daraus resultierende Lernwiderstände abzubauen und die Spielräume für Eigenaktivitäten der Lernenden auszuweiten: "Dazu sind neue Formen der Evaluation, ein Wechsel der Perspektive mit dem Fokus auf den Lernenden, Personalentwicklung, neue Profile und Kulturen der Institutionen und vielfältige Supportstrukturen für selbstgesteuertes Lernen erforderlich."
    Da Selbstgesteuertes Lernen notwendig reflexiv sei, so die Einschätzung des Hamburger Pädagogik-Professors, muss es eine in den Prozess einzubauende Aufgabe sein, den Lernerfolg zu reflektieren und damit deutlich zu machen. Auf diese Weise könnten herkömmliche Lernerfahrungen durchbrochen werden. Zur Gestaltung von Lernumgebungen, die den unterschiedlichen Lernstilen, Motivationen und Interessen gerecht werden, benötigen die Lehrenden jedoch zusätzliche Kompetenzen. Deshalb sei es notwendig, gezielt die Kompetenzentwicklung voranzutreiben und entsprechende Qualifizierungschancen für die Lehrenden anzubieten - was jedoch häufig an fehlenden Ressourcen in den Einrichtungen scheitere. Für Faulstich ein Kernpunkt: "Lernförderliche institutionelle Kontexte, die auch von der Organisationskultur in der Institution abhängen, sind zur Verwirklichung von SGL erforderlich. Personale Aspekte wie Werte, Einstellungen und Denkweisen spielen ebenso eine Rolle wie die Interaktionsstrukturen in einer Institution - Führungsstile, Formen der Kooperation und Beteiligung, Konflikt- und Fehlerkultur", erklärte er. Partizipation und Kommunikation in der Weiterbildungseinrichtung sei jedoch eine entscheidende Voraussetzung für die Durchsetzung von SGL. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist seiner Auffassung nach ein Diskussionsforum zur gegenseitigen Unterstützung der Einzelvorhaben unbedingt erforderlich.
    "SGL ist ein schillernder Begriff mit vielen Facetten", resümierte Elisabeth Fuchs-Brüninghoff, DIE. Im Projekt zeige sich, dass der Begriff "Selbstgesteuertes Lernen" vor allem eine Chiffre für Innovation darstelle - mit einer nicht zu unterschätzenden Türöffnerfunktion. Dabei sei unerheblich, ob es sich um ein neues oder ein altes Konzept handelt. "SGL ist mehr als eine Lernform. Es ist eine Haltung und ein Organisationsprinzip, dessen Umsetzung Mut erfordert - weil Veränderungen Angst auslösen - und dessen Verwirklichung im direkten und übertragenen Sinne seinen Preis hat", erklärte Fuchs-Brüninghoff. Wirtschaftlich gesehen ist das selbstgesteuerte Lernen offensichtlich sinnvoll, denn die erforderlichen Investitionen zahlen sich langfristig aus. Allerdings besteht noch Handlungsbedarf: In den Schulen hinsichtlich der Förde-rung der Kompetenzen zum SGL, an den Universitäten in der Ausbildung von Pädagog/innen, in der Gesellschaft hinsichtlich der Förderung der Eigenverantwortung und seitens der Politik hinsichtlich des Gewährleistens einer langfristigen Sicherung, so die DIE-Mitarbeiterin.
    Unter dem Titel "Selbstgesteuertes Lernen - auf dem Weg zu einer neuen Lernkultur" in der Reihe DIE-Materialien (Band 18) ist die aktuelle Publikation des DIE-Projekts erhältlich. Ferner liegt als Lernquelle die Broschüre "Der Kreislauf des Erfolgs - Materialien zum Selbstmanagement für Lernende" vor. Der Info-Dienst des Projekts kann beim DIE bestellt werden. Eine zweite Publikation wird im Dezember erscheinen.
    Für am Thema Interessierte wird vom 6. bis 8. November 2000 ein Workshop zum Transfer der Ergebnisse angeboten. Informationen erhalten Sie beim Projektbüro

    Weitere Informationen: Deutsches Institut für Erwachsenenbildung, Stephan Dietrich, Hansaallee 150, 60320 Frankfurt/M., Fon 069/ 95626-169, Fax 069/ 95626-209, E-Mail: Dietrich@die-frankfurt.de, URL: www.die-frankfurt.de/segel


    Weitere Informationen:

    http://www.die-frankfurt.de/segel


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Pädagogik / Bildung
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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