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15.07.1997 00:00

Gestochen scharfe Fernsehbilder

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Gestochen scharfe Fernsehbilder - Ein Traum wird wahr

    Chemnitzer Uni entwickelt Chip fuer japanischen Elektronikriesen

    Er ist eine Perle der japanischen Industrie: Der Elektronik-Riese Fujitsu. Rund 50 Milliarden Mark setzt das in Tokio ansaessige Unternehmen im Jahr um, davon allein sieben Milliarden im Halbleitermarkt. Damit ist es etwa so gross wie Bayer oder Hoechst, in Japan steht es in der Umsatzliste auf Platz neun. Im Computerbau ist nur IBM noch groesser, bei anderen Elektronikbauteilen ist die Firma weltweit einer der wichtigsten Zulieferer. Jetzt laesst sich die deutsche Mikroelektronik-Tochter der High-Tech-Schmiede einen neuen Chip fuer das digitale Fernsehen entwerfen - an der Chemnitzer Uni.

    Dahinter steht ein Multi-Milliarden-Dollar-Markt, denn das hochaufloesende digitale Fernsehen (HDTV, High Definition TeleVision) wird in naher Zukunft die Wohnzimmer der Welt erobern. Fernsehbilder lassen sich dann noch klarer, noch stoerungsfreier uebermitteln als bisher. Die Forscher haben sich dabei auf bestimmte Vorgaben geeinigt, die sogenannte MPEG-2- Norm (Motion Pictures Expert Group, etwa: Expertengruppe fuer bewegte Bilder). Bei dieser Entwicklung hat das Heinrich-Hertz-Institut (HHI) in Berlin weltweit die Nase vorn. Die Berliner Forscher haben bereits einen digitalen Video-Decoder fuer den neuen Standard entwickelt und erregten damit die Aufmerksamkeit von Fujitsu. Doch der Berliner Schaltungsentwurf ist zu gross und fuer die Massenproduktion zu teuer. Die naheliegende Idee: Der Video-Decoder muss auf einem einzigen Silizium-Chip untergebracht werden, der sich dann billig und in grossen Stueckzahlen herstellen laesst.

    Hier kommen die Elektrotechniker der Chemnitzer Uni ins Spiel. Die ostdeutschen Forscher sind bereits an der Entwicklung eines Miniatur-Ablenkspiegels fuer das kuenftige Laserfernsehen beteiligt, entwickelten unter anderem einen Chip, der die Unwucht von Maschinen ueberwachen und so den Verschleiss mindern kann, taten sich mit einem neuartigen Blutanalyse-System hervor. Das an der Uni ansaessige Zentrum fuer Mikroelektronik - erst im vergangenen Jahr fuer rund 15 Millionen Mark runderneuert - hat in Fachkreisen einen super Ruf. Und beim kuerzlichen Uni-Test des Magazins 'Focus' zogen die Chemnitzer Elektrotechniker souveraen an so mancher West-Fakultaet vorbei und landeten auf Anhieb auf Platz acht, im Urteil der Studenten sogar auf dem ersten Platz.

    Kein Wunder also, dass Fujitsu die Chemnitzer Wissenschaftler um Prof. Dietmar Mueller damit betraute, den Berliner Video-Decoder auf einem einzigen Chip unterzubringen. Schliesslich arbeitet Fujitsu schon seit laengerer Zeit, wenn auch in weniger spektakulaeren Bereichen, mit den Forschern der aufstrebenden Mikroelektronik-Stadt Chemnitz zusammen und kennt deren Wertarbeit.

    An dem ehrgeizigen Projekt arbeiten uebrigens auch Studenten mit - in Chemnitz ist es generell ueblich, die Nachwuchswissenschaftler so frueh wie moeglich in die Praxis einzufuehren. Mit dem neuen Ein-Chip-Decoder lassen sich - bei gleicher Bildqualitaet - viermal soviel Programme uebertragen wie bisher oder stattdessen die Zahl der Bildpunkte, ein Mass fuer die Qualitaet des Fernsehbildes, verfuenffachen.

    Normale Fernsehbilder bestehen aus zwei Halbbildern, wobei das eine Bild die Luecken des anderen genau ausfuellt. 'Interlaced', zwischengeschoben, nennen das die Techniker. Die beiden unvollstaendigen Bilder werden allerdings nacheinander so schnell aufgebaut, dass das menschliche Auge davon nichts merkt. Im Gegenteil, zu dem Trick mit den Halbbildern griffen die Entwickler in der Anfangszeit des Fernsehens, um den Eindruck eines ruhigeren Bildes zu erreichen. Andernfalls waere eine vernuenftige Bildqualitaet gar nicht moeglich gewesen. Dieses Verfahren wurde auch noch beibehalten als sich die Bilduebertragung verbesserte. Sonst waere eine Kompatibilitaet nicht moeglich gewesen - aeltere Fernsehgeraete haetten die Programme nicht mehr empfangen koennen und waeren auf dem Muell gelandet.

    Der neue Chip kann aber noch mehr: Er ist auch computertauglich. Bei einem Computer wird das Bild als Ganzes oder, in der Sprache der Techniker, 'progressiv' aufgebaut. Die Neuentwicklung kann nun das Halbbild-Format des Fernsehens in das Computer-Vollbild- Format umwandeln und umgekehrt. Dadurch wird es moeglich, digitale Fernsehprogramme auf dem Computermonitor wiederzugeben. Ausserdem kann man einen beliebigen Teil aus einem Bild 'herauspicken' und auf dem Bildschirm zeigen. Dies ist wichtig, damit Sendungen in den Formaten 4:3 und 16:9 jeweils ohne die laestigen 'schwarzen Streifen' gezeigt werden koennen. Es ist diese Universalitaet, die den HDTV-MPEG-2 zur wichtigsten Komponente in Multimedia- Geraeten macht.

    Beeindruckt von dem neuartigen Chip zeigten sich auch die deutschen Elektronik- Fachjournalisten, denen das Projekt schon vor einigen Wochen gemeinsam von Fujitsu, dem HHI Berlin und der Chemnitzer Uni vorgestellt wurde. Die Vorserie wird voraussichtlich Ende des Jahres fertig und dann in den Labors auf Herz und Nieren getestet, bevor die Chips endgueltig auf den Markt kommen. Eingesetzt werden sie wohl zuerst in japanischen und amerikanischen Geraeten. Dort naemlich werden TV-Sendungen immer noch in mieser Qualitaet nach dem voellig veralteten NTSC-System ausgestrahlt. Und das muss dringend ersetzt werden. Da macht man lieber gleich Naegel mit Koepfen - der Markt dort fiebert der neuen Norm foermlich entgegen. So werden etwa in den USA ab dem Jahr 2006 ueberhaupt keine analogen Sendungen mehr ausgestrahlt - eine riesige Nachfrage nach digitalen Hochleistungs-Videodecodern ist deshalb vorprogammiert. Genutzt wird der Chip aber auch fuer elektronische Kinos. Dort wird dann ein Film nicht mehr traditionell von einer Spule aus vorgefuehrt, er gelangt vielmehr ueber Satellit direkt auf eine elektronische Leinwand.

    Weitere Informationen: Technische Universitaet Chemnitz, Fakultaet fuer Elektrotechnik und Informationstechnik, Reichenhainer Str. 70, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Dietmar Mueller, Tel. (03 71) 5 31-31 95, Fax (03 71) 5 31-31 93, e-mail: dietmar.mueller@infotech.tu- chemnitz.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Elektrotechnik, Energie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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