idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.10.2000 00:00

Erbfall Zukunft - Vordenken für und mit Nachkommen

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Jahreskongress 2000 des Wissenschaftszentrums NRW am 5./6. Oktober an der Ruhr-Universität Bochum

    Der "Erbfall Zukunft" sorgt für Streit zwischen den Generationen - nicht zuletzt ausgetragen am 5./6. Oktober beim Kongress des Wissenschaftszentrums NRW in Bochum. Rund 50 Referenten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik erörtern im Dialog zwischen Jung und Alt den Erbfall, der längst eingetreten und immer weiter aktuell ist. Schulden-, Renten- und Umweltfragen sind dabei nur die eine Seite der Medaille. Ein weiteres wichtiges Element des "Erbfalls Zukunft" ist das Positive, das die Älteren den Jungen über- und hinterlassen (können). Dazu gehören Investitionen in die Zukunft wie Bildung und Ausbildung, Forschung und Infrastruktur und somit die Möglichkeit für die Jungen, ihre (individuelle) Zukunft zumindest teilweise selbst zu gestalten.

    Leitgedanken und Gedankensplitter zum Erbfall
    aus Vorträgen und Foren des Kongresses:

    Ökologie und Zukunftsfähigkeit

    ...Die Bereitschaft zu einer nachhaltigen Lebensweise und Einsicht in die Begrenztheit der natürlichen Umwelt können nicht gesteuert werden, sondern müssen aus dem Innern der heutigen Menschen wachsen. Notwendig ist zweierlei: Der Zusammenhang zwischen Konsum, Lebensweise, Risikobereitschaft und Naturnutzung muss deutlich gemacht werden - dies ist eine Bildungsaufgabe; zum anderen muss es zu einer kulturellen Neuorientierung kommen, in der ressourcen- und naturschonendes Verhalten sozial belohnt wird...
    Prof. Dr. Ortwin Renn, Universität Stuttgart

    ...Die Wir-Gefühle gemeinsamer Verantwortung zur Begrenzung von globalen ökologischen Krisen sind noch die Ausnahme. Die Regel ist, zum Beispiel bei der Automobilität, die kollektive Verdrängung bei der "freien Fahrt der freien Bürger". Der Benzinpreis wird zum Brotpreis der automobilabhängigen Gesellschaft. Individuell vermitteln Autofahren und Fliegen Bewegungsfreiheit, Prestige und Allmachtsgefühle. Die kollektiven Trends scheinbar freier Auto- und Flugmobilität bürden jedoch heutigen und zukünftigen Gesellschaften riesige Folgekosten auf und werden noch zu unseren Lebzeiten im Verkehrsinfarkt und im Ökodesaster enden, wenn wir sie nicht begrenzen...
    Prof. Dr. Peter Hennicke, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie

    ... Durch politische Änderungen in den letzten drei Jahrzehnten sind - allerdings ungewollt - bereits wesentliche Erleichterungen für den Klimaschutz eingetreten. So sank die Zunahmerate der globalen Kohlendioxidemissionen von jährlich 4,3 Prozent in den Jahrzehnten vor dem Ölpreisschock 1973 auf im Mittel 2,2 Prozent. Durch die Auflösung des Ostblocks mit dem "Aus" für viele energieverschwendende Industriebetriebe schrumpfte sie weiter auf heute ein Prozent. Aber sogar eine konstante globale Emissionsrate würde eine Verdoppelung des vorindustriellen Kohlendioxidgehaltes in der Atmosphäre nicht verhindern können. Dem muss nicht zuletzt durch die Verschärfung des Kioto-Protokolls gegengesteuert werden und dadurch, das Energieversorgungssystem zunehmend auf die Sonne zu stützen...
    Prof. Dr. Hartmut Graßl, Max Planck Institut für Meteorologie, Hamburg

    ...Ökologie und Ökonomie müssen im Informationszeitalter keine Gegensätze sein. Voraussetzung dafür ist aber, dass es gelingt, formale und hierarchische Strukturen durch "weiche" und partizipationsorientierte Formen der Steuerung zu ersetzen, die der Offenheit und Vitalität der Gesellschaft am Eingang zum Informationszeitalter entsprechen...
    Prof. Dr. Franz Lehner, Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen

    Der Generationenvertrag: Bildung als Zukunftsinvestition...

    ...Der Generationenvertrag ist komplexer, als er in der heutigen Rentendiskussion erscheint. Die künftigen Alten werden nicht nur morgen Rentenempfänger sein. Sie stehen vielmehr heute in der Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft. Die jüngere Generation sollte vor allem mehr Bildung und Zukunftsinvestitionen einklagen, muss sich selbst aber auf mehr Lernen und neue Erwerbsmuster einstellen. Forderungen nach mehr Gerechtigkeit und Gleichbehandlung zwischen den Generationen werden unglaubwürdig, wenn man die zunehmende Ungleichheit in den Generationen ausblendet. Das Gerede vom Krieg der Generationen verdeckt einen gigantischen Umverteilungsprozess...
    Prof. Dr. Gerhard Bosch, Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen

    ...Die Universitäten verzichten in ihrer Organisation von Lernprozessen darauf, Bildungsprozesse bei den jungen Generationen zu initiieren. Die Lehre wird als Anhängsel der Forschung begriffen und beschränkt sich in der Praxis weitgehend darauf, den Studierenden das jeweils neueste Spezialwissen im eigenen Fachgebiet zu präsentieren. Die Professoren sind für einen großen Teil ihrer Aufgaben schlecht ausgebildet; sie kümmern sich vor allem um ihr eigenes Fortkommen statt um das der Studierenden; und sie sind auch bei schlechten Leistungen unkündbar...
    Prof. Dr. Christine Garbe, Universität Lüneburg

    ... und die Nachwuchsprobleme der Naturwissenschaften

    ...Es ist an der Zeit, dass das Wehklagen über die böse Technik versachlicht und dass differenzierter als bisher über technische Entdeckungen gesprochen wird. Selbstverständlich ist es sehr wichtig, über Gefahren neuer Technologien nachzudenken, um diese Gefahren - nicht aber gleich die ganze Technik - zu vermeiden. Die Reflexion sollte nüchtern erfolgen, und sie sollte nicht dazu führen, Wissenschaft und Wirtschaft grundsätzlich zu blockieren und der jungen Generation Ansichten zu vermitteln, mit denen sie ihre Zukunftsfähigkeit entscheidend einschränkt. Denn solange die Gentechnik verteufelt wird, kann man nicht erwarten, dass junge Menschen Biochemie studieren. Und wenn Grundlagenforschung generell immer mehr in Rechtfertigungszwänge gerät, wer kann es da jungen Menschen verdenken, wenn sie nicht Teilchenphysik studieren, sondern Betriebswirtschaft, weil man später in Managerfunktionen etwas zu sagen hat und möglicherweise viel Geld verdient, während Forscher immer mehr zu Bittstellern werden?
    Prof. Dr. Gert Kaiser, Wissenschaftszentrum NRW

    Alter schafft Arbeit

    ...Immer mehr Senioren verfügen über ein gutes Einkommen und sind auch bereit, es auszugeben. Produkte und Dienstleistungen für mehr Lebensqualität im Alter bilden inzwischen einen Markt mit mehr Wachstumspotenzialen als andere Wirtschaftsbereiche, wenn sich auch viele Unternehmen und Einrichtungen damit schwer tun, sich auf die alternde Gesellschaft einzustellen. Bei einer gezielten Entwicklung der Seniorenwirtschaft - vor allem in den Bereichen Gesundheit und Soziales, Wohnungswirtschaft, Freizeit und Tourismus - können in den nächsten 10 bis 15 Jahren bis zu einer Million neuer Arbeitsplätze entstehen.
    Dr. Josef Hilbert, Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen

    Generationenwechsel

    ...Die jeweils junge Generation kann heute nicht mehr auf Erfahrungen und Traditionen der Älteren zurückgreifen, sondern muss sich auf immer Neues einstellen. Konstant bleibt dagegen die Erfahrung des Wechsels. Was das für den Wissenstransfer bedeutet, ist erst noch zu erschließen...
    Prof. Dr. Dietrich Schwanitz, Universität Hamburg

    ...In dem Aufeinandertreffen unterschiedlicher Lebensformen und -stile gründet das Problem der "Fremdheit der Generationen". Was macht die Differenz von Jung und Alt aus? Liegt ein nicht zu überbrückender Graben oder eine unmaßgebliche Lücke zwischen den Vorherigen und den Nachwachsenden? Gibt es eine Vermittlungsmöglichkeit, die eine Gerechtigkeit zwischen den Generationen am Leben erhalten kann? Weder Unbekümmertheit noch Larmoyanz sind Wege in eine Zeit, in der es die Jüngeren entgegen einem vertrauten Klischee nicht leichter haben werden...
    Prof. Dr. Käte Meyer-Drawe, Ruhr-Universität Bochum

    ...Ein Generationen- oder Führungswechsel bringt ein Unternehmen, ähnlich wie drastische Veränderungen am Markt, unvermeidlich in eine Phase der Instabilität. Und Instabilität, Unsicherheit des Übergangs, birgt immer beides: das Risiko des Scheiterns und die Chance der Erneuerung, die das Überleben des Unternehmens im turbulenten Umfeld zu sichen vermag. Daher kommt es darauf an, wie der Übergang im einzelnen organisiert wird, wie Risiken begrenzt und Chancen ausgelotet werden können...
    Dr. Peter Brödner, Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen

    Neue Medien und neue Probleme

    ...Man sollte endlich den Zank zwischen Jung und Alt um die Medienkompetenz vergessen und stattdessen von den jeweiligen Vorsprüngen profitieren. Die Älteren können zwar meist nicht so geschmeidig klicken und surfen, aber diese Kunst hilft auch keinem Mitglied der Info-Elite zu Wissen und Urteil. Als Organisatoren unserer Erfahrung spiele Technologien nur eine mittelbare Rolle, und kein Opa ist zu gesellschaftlicher Irrelevanz verurteilt, weil er nicht weiß, wie man einen Chat-Room entert. Umgekehrt wird die gesellschaftliche Relevanz des Chat-Rooms gnadenlos überschätzt, wenn er allein der Ort sein soll, wo die Rätsel unserer Zeit gelöst werden...
    Barbara Sichtermann, Schriftstellerin, Berlin

    ...Zunehmend wird Intimität in der Öffentlichkeit in Szene gesetzt, nicht zuletzt durch Realityshows wie "Big Brother". Mit dem Verlust von Distanz und Geheimnis geht möglicherweise auch die soziale Bindungsfähigkeit verloren. Das könnte zu einem Problem vor allem der jungen Generation werden, die zu einem großen Teil das Publikum stellt...
    Prof. Dr. Karin Böhme-Dürr, Universität Düsseldorf

    Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

    Claudia Braczko
    Tel.: 0209/1707-176


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medien- und Kommunikationswissenschaften, Wirtschaft
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).