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Wissenschaft
Wissenschaftler der Universität Jena schreiben Geschichte der evolutionären Entwicklungsbiologie
Jena (26.03.08) Im Jahr 1872 formulierte Ernst Haeckel (1834-1919) das "Biogenetische Grundgesetz", wonach jedes Individuum im Verlauf seiner Embryonalentwicklung die Stadien der Stammesentwicklung durchläuft. Um seine Theorie zu untermauern, illustrierte er die Veröffentlichungen mit Zeichnungen von Embryonen, die - obgleich von Huhn, Hund und Mensch stammend - verblüffende Ähnlichkeiten aufwiesen. Einige der Darstellungen waren stark schematisiert, um die Aussagen zu unterstreichen. Bei anderen Bildern, besonders von den menschlichen Embryonen, waren Teile ergänzt worden, weil Vergleichsobjekte nicht ausreichend zur Verfügung standen. "Haeckel versäumte es jedoch, die schematisierten Darstellungen zu kennzeichnen, wodurch er seinen Kritikern und Gegnern - wie dem Baseler Anatomen Wilhelm His - reichlich Munition für heftige Angriffe lieferte", sagt PD Dr. Uwe Hoßfeld von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Vorwurf habe auf Fälschung wissenschaftlicher Ergebnisse gelautet, die Angriffe galten jedoch in erster Linie dem Verfasser selbst, so der Wissenschaftshistoriker und Biologie-Didaktiker von der Jenaer Universität weiter. Hatte Haeckel es doch gewagt, die Theorie Charles Darwins zur Entstehung der Arten auf den Menschen anzuwenden.
Das "Biogenetische Grundgesetz" Haeckels dient als Ausgangspunkt für ein Forschungsvorhaben, bei dem PD Dr. Uwe Hoßfeld und sein Kollege Prof. Dr. Lennart Olsson der Geschichte der Evolutionären Entwicklungsbiologie nachgehen werden. Dieses neue Fach, kurz Evo-Devo genannt (von evolution-development), verknüpft die Embryologie, die Molekularbiologie und die Paläontologie mit der Evolutionsbiologie auf der Basis einer innovativen Methodologie. Das verheißt für die heutige Evolutionstheorie aufregende neue Erkenntnisse. "Die von Haeckel aufgeworfenen Fragen zu Phylo- und Ontogenese sind wieder hochaktuell, weil auf der genetischen Ebene entdeckt wurde, wie ähnlich sich Tiere sind", sagt Lennart Olsson, der eine Professur für Spezielle Zoologie an der Uni Jena innehat. Faktisch erforschen die Wissenschaftler heute auf der Basis der Genetik, was Haeckel und andere Pioniere mit der Anatomie, Morphologie oder Physiologie zu erklären suchten. Sie wollen herausfinden, weshalb aus der einen befruchteten Eizelle eine Taufliege, aus der anderen ein Mensch entsteht, obwohl beide Lebewesen über eine nahezu identische Ausstattung mit Genen verfügen.
In ihrem neuen Projekt zeichnen Hoßfeld und Olsson die wichtigsten historischen und logischen Stationen des Diskussionsverlaufes nach. Im Mittelpunkt steht die europäische Sicht auf das Fach. Vergleichend sollen die deutsche und die russische Tradition in den Blick genommen werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Arbeit mit etwa 160.000 Euro - zunächst für zwei Jahre. "Unser Vorhaben ist methodisch-theoretisch angelegt und umfasst sowohl die Wissenschaftsgeschichte als auch die Biodidaktik", sagt Uwe Hoßfeld. Der Bedarf sei gegeben, fehle Evo-Devo doch bislang komplett in den Lehrbüchern der Schulen. Dabei, so der Jenaer Wissenschaftler, sei das neue Fach prädestiniert, Antworten auf zahlreiche Fragen zu geben, die öffentlich diskutiert werden. Zum Beispiel wenn es um den Schutz des ungeborenen Lebens oder Stammzellen geht.
Ihre Erkenntnisse wollen Olsson und Hoßfeld in mehreren wissenschaftlichen Aufsätzen darlegen. Außerdem möchte der Biologie-Didaktiker Hoßfeld Material erarbeiten, um Biologie-Lehrer schulen zu können.
Kontakt:
PD Dr. Uwe Hoßfeld
Arbeitsgruppe Biologie-Didaktik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dornburger Straße 159, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949491 oder 03641 / 949505 (Haeckel-Haus)
E-Mail: uwe.hossfeld[at]uni-jena.de
Prof. Dr. Lennart Olsson
Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Erbertstraße 1, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 949160
E-Mail: lennart.olsson[at]uni-jena.de
Die Jenaer Wissenschaftshistoriker Lennart Olsson (l.) und Uwe Hoßfeld.
Foto: Peter Scheere/FSU
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Darstellung eines Homunculus nach Nicolas Hartsoeker (1656-1725), veröffentlicht in "Essai de dioptr ...
Foto: Archiv Ernst-Haeckel-Haus, Jena
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Geschichte / Archäologie, Informationstechnik
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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