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23.10.2000 10:24

Transformation regionaler Ordnungen: "Pax Americana im Nahen Osten"

Dr. Wolfgang Hirsch Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jena (23.10.00) Die USA engagieren sich nur dann nachhaltig in einer Weltregion, wenn einer der dortigen Schlüsselakteure hinreichend starken Rückhalt in der amerikanischen Innenpolitik genießt; das Bild des "Weltpolizisten ist deshalb irreführend. So lässt sich die Kernthese der "Pax Americana", des "Friedens nach amerikanischer Façon", zusammenfassen , die der Jenaer Politikwissenschaftler Prof. Dr. Helmut Hubel in seinem gleichnamigen Buch vertritt.

    Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern und Koautoren Dr. Markus Kaim und Oliver Lembcke hat Hubel den Friedensprozess im Nahen Osten analysiert und ein theoretisches Modell für regionale Entwicklungen nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes daraus entwickelt.

    "Wir untersuchen in einem großangelegten Projektverbund die Rolle der USA in der neuen Weltpolitik , erläutert der Politikwissenschaftler, der an der Friedrich-Schiller-Universität Jena den Lehrstuhl für Außenpolitik und Internationale Beziehungen innehat. Die weltpolitischen Entwicklungen hätten sich in die Regionen verlagert, nachdem der Antagonismus zwischen den beiden großen Machtblöcken aufgehoben ist.

    Zum Beispiel im Nahen Osten: "Einerseits besitzen die USA heute zweifelsfrei den Rang einer ,sole super power' mit hinreichenden politischen und im Zweifelsfall auch militärischen Einflussmöglichkeiten in regionale Konfliktherden", so Hubel, "andererseits ist der jahrzehntelange Friedensprozess in Nahost durch beharrliche amerikanische Vermittlung geprägt, die letztlich von der tief verwurzelten proisraelischen Einstellung in der amerikanischen Gesellschaft und im Kongress motiviert ist."
    Die Vereinigten Staaten engagieren sich aber nur in Konfliktregionen, in denen sie auch eigene Interessen hegen.

    Nicht in Ruanda oder im Sudan, nur widerstrebend in Ex-Jugoslawien, dafür am Persischen Golf, in Südamerika und natürlich seit den 60er Jahren in Nahost. Dort läuft seitdem ein Transformationsprozess der kleinen Schritte, befindet Hubel. Zunächst stärkten die USA Israel militärisch derart, dass sie die arabischen Nachbarn in eine Akzeptanz des jüdischen Staates und eine politische Friedenslösung hineinzwangen. Die Friedensabkommen Israels mit Ägypten und Jordanien waren die wichtigsten Höhepunkte in diesem Prozess. Der Konflikt hat sich nun auf die lokale Ebene zwischen Israelis und Palästinensern verlagert.

    Camp David II musste nach Ansicht des Jenaer Politikwissenschaftlers scheitern, weil Premier Barak zu viel auf einmal unternehmen wollte. "Aber ein Friedensprozess braucht nun mal viel Zeit", hält Hubel entgegen, "es gibt keine Sprünge oder kurzfristigen Lösungen." - Daran sollten wir Europäer auch in Ex-Jugoslawien denken, mahnt er. Dennoch sei ein offener Krieg Israels mit den Nachbarstaaten aufgrund der regionalpolitisch stabilisierten Lage heute kaum denkbar. - "Selbst wenn das Ägypter und Jordanier vor eine innenpolitische Zerreißprobe zwischen propalästinensischer Volksseele und diplomatischer Ratio der Regierungen stellt", so Hubel.

    Die Rolle eines Sicherheitsgaranten und Vermittlers werde den USA so schnell niemand streitig machen, weder die Russen noch die Europäische Union. Gerade die Europäer hätten es immer noch nicht geschafft, in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik eine Integration herbeizuführen und reagierten - Beispiel Kosovo - viel zu langsam. Im Nahen Osten zahlt die EU zwar inzwischen eine weit größere Aufbauhilfe als die USA, politisch fällt sie aber kaum ins Gewicht. "Die USA sind die ,players' und wir sind die ,payers'", meint Helmut Hubel ironisch zugespitzt.

    Zu gering sei aufgrund der historischen Erfahrungen das Vertrauen der Israelis in Briten, Franzosen und Deutsche.
    Inwieweit sich dieses Modell für die Transformation regionaler Krisenherde unter US-amerikanischer Vermittlung übertragen lässt, möchten er und seine Mitarbeiter nun an Hand anderer weltpolitischer Brennpunkte überprüfen: im Kaspischen Becken, am Persischen Golf, im schwelenden Konflikt zwischen Indien und Pakistan, Nord- und Südkorea, China und Taiwan.

    Dabei wollen die Jenaer Politikwissenschaftler das Modell der "Pax Americana" keineswegs glorifizieren. "Die amerikanische Innenpolitik ist recht wankelmütig und das außenpolitische Engagement deshalb nur selten so relativ konstant wie in Nahost", gibt Prof. Hubel zu bedenken. "Außerdem hängt die Nachhaltigkeit eines regionalen Friedensprozesses letztlich doch von der Kompromissbereitschaft der Konfliktparteien ab. Etwa an religiösen Differenzen wie in der Jerusalem-Frage kann die amerikanische Vermittlerrolle immer wieder scheitern."

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Helmut Hubel
    Institut für Politikwissenschaft
    der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Tel.: 03641/945410, Fax: 945412
    E-Mail: helmut.hubel@uni-jena.de

    Helmut Hubel, Markus Kaim, Oliver Lembcke: Pax Americana im Nahen Osten. Eine Studie zur Transformation regionaler Ordnungen. Nomos-Verlagsgesellschaft. Baden Baden 2000. 244 Seiten, DM 49,-

    Buchvorstellung und Diskussion morgen (Dienstag, dem 24. Oktober) um 18.30 Uhr im Steigenberger Hotel Esplanade, Jena

    Friedrich-Schiller-Universität
    Referat Öffentlichkeitsarbeit
    Dr. Wolfgang Hirsch
    Fürstengraben 1
    07743 Jena
    Tel.: 03641/931031
    Fax: 03641/931032
    E-Mail: roe@uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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