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22.10.1997 00:00

Hirnforschung an Ameisen

Adolf Kaeser Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Erfahrene Ameisen haben groessere Pilzkoerper

    Das Gehirn ermoeglicht es dem Menschen, sein ganzes Leben lang zu lernen - obwohl ihm dies im Alter immer schwerer faellt. Da aehnelt er so manchem Tier: Auch einem jungen Hund kann man sehr viel leichter Manieren beibringen als einem alten. Wirklich erstaunlich ist es aber, dass auch so "primitive" Tiere wie Insekten ein Lernvermoegen besitzen.

    Das Lernvermoegen ermoeglicht es den Tieren, sich besser an ihre Umwelt anzupassen. Besonders dann, wenn sich die Umweltbedingungen aendern, zahlt sich die Lernfaehigkeit fuer eine Tierart aus. Waehrend manche Schmetterlinge und andere Insekten instinktiv auf die Farbe oder den Duft ihrer Futterpflanze "vorprogrammiert" sind, ist es zum Beispiel fuer Bienen wichtig, dass sie schnell Duefte und Farben neuer Pflanzen lernen koennen - je nachdem, ob gerade Obstbaeume, Kastanien oder ganze Felder von gelbem Raps bluehen.

    Wie bei Mensch und Wirbeltier ist auch bei Insekten die Lernfaehigkeit im Gehirn lokalisiert. Wissenschaftler am Biozentrum der Universitaet Wuerzburg untersuchen, ob sich das Lernvermoegen und die Verhaltensvielfalt einer Art oder gar die individuelle Erfahrung eines Individuums in der Struktur des Gehirns niederschlaegt. Neben Bienen sind auch Ameisen fuer ihre Lernfaehigkeit bekannt. Das erlaeutert Dr. Wulfila Gronenberg vom Lehrstuhl fuer Zoologie II, dessen Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefoerdert wird, an einem Beispiel: "Waldameisen lernen nicht nur den besonderen Duft ihres heimatlichen Huegels und seiner Umgebung, sondern praegen sich auch markante optische Strukturen ein, um von ihren Wanderungen wieder nach Hause zu finden." Auch im Labor koennten sich diese Ameisen nach einigem Training den kuerzesten Weg in einem Labyrinth merken.

    Derartige komplexe Verhaltensleistungen bringen die Wissenschaftler mit bestimmten Strukturen im Ameisengehirn, den sogenannten Pilzkoerpern, in Zusammenhang. Diese Pilzkoerper finden sich bei allen Insekten, sind aber bei Ameisen ganz besonders gross. Die Wuerzburger Biologen koennen in den Pilzkoerpern sogar Bereiche dingfest machen, in denen entweder visuelle oder Duftinformationen verarbeitet werden. Fuer Bienen und Wespen spielen die Augen vor allem beim Fliegen eine ueberragende Rolle, waehrend die flugunfaehigen Ameisen sich eher auf den Geruchssinn verlassen - manche Ameisenarten sind sogar blind. "Wir haben Hinweise darauf, dass sich diese Unterschiede auf der Ebene der Pilzkoerper widerspiegeln", sagt Dr. Gronenberg: Bei Wespen scheint der visuelle Teil der Pilzkoerper am groessten, bei Bienen halten sich die visuellen und die Duftinformationen verarbeitenden Teile in etwa die Waage, waehrend die Pilzkoerper der Ameisen zum groessten Teil mit der Auswertung von Duftinformationen beschaeftigt zu sein scheinen. Diese Befunde sprechen dafuer, dass die Pilzkoerper tatsaechlich eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle des Verhaltens spielen. Ein weiteres Projekt hat nach Angaben der Wuerzburger Biologen gezeigt, dass die Pilzkoerper bei aelteren Ameisen und solchen, die ihre Umgebung erforschen und Futter suchen, groesser sind als bei jungen und bei inaktiven. AEhnlich wie im Gehirn von Saeugetieren haben also Erfahrung und Alter bei Insekten einen Einfluss auf die Struktur der Pilzkoerper.

    Kontakt: Dr. Wulfila Gronenberg, Telefon (0931) 888-4305, e-mail: wulfi@biozentrum.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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