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Wissenschaft
"Immer weniger Spermien - Maenner werden unfruchtbar". Solche oder aehnliche Schlagzeilen tauchen seit einigen Jahren in schoener Regelmaessigkeit auf. An der schwaechelnden Fortpflanzungsfaehigkeit des starken Geschlechts sollen Substanzen aus der Umwelt schuld sein, die im Koerper des Mannes wie das weibliche Sexualhormon OEstrogen wirken.
Unstrittig ist, dass solche Substanzen in der Umwelt existieren. Doch ob sie dem Menschen schaden, ist wissenschaftlich bisher nicht bewiesen. Eine geringere Spermienproduktion ist nur eine der moeglichen Schadwirkungen, die im Gespraech sind. Diskutiert werden auch ein erhoehtes Auftreten von Brust- und Prostatakrebs, eine Schaedigung der Leibesfrucht, unguenstige Veraenderungen des Immunsystems sowie eine verringerte Fortpflanzungsfaehigkeit von Voegeln, Fischen, Alligatoren und anderen Tieren, wie Prof. Dr. Wolfgang Dekant vom Institut fuer Pharmakologie und Toxikologie der Universitaet Wuerzburg erlaeutert. Er leitet ein Forschungsprojekt ueber hormonartige Substanzen aus der Umwelt, das vom Umweltbundesamt mit rund 500.000 Mark gefoerdert wird.
Im Mittelpunkt des Projekts stehen zwei Substanzgruppen. Zum einen sind das die sogenannten Xeno-Oestrogene. Dazu gehoeren einige synthetische Verbindungen, die in verschiedenen Untersuchungssystemen oestrogene Wirkungen zeigen: in der Umwelt persistierende chlorierte Insektizide sowie bestimmte Weichmacher, Tenside und Desinfektionsmittel. Die Xeno-Oestrogene kommen hauptsaechlich mit der Nahrung in den Koerper des Menschen.
Ebenfalls mit dem Essen gelangen die Phyto-Oestrogene in den Organismus. Unter dieser Bezeichnung sind pflanzliche Inhaltsstoffe mit oestrogener Wirkung zusammengefasst. Die vom Menschen aufgenommene Menge an Phyto-Oestrogenen schwankt mit der Ernaehrungsweise und kann 100 Milligramm pro Tag erreichen. Bislang wurde laut Prof. Dekant aber kein ursaechlicher Zusammenhang zwischen Erkrankungen und einer hohen Aufnahme von Phyto-Oestrogenen, zum Beispiel bei Vegetariern, gefunden. Anders bei Nutz- oder Versuchstieren: Hatten sie Futter mit einem hohen Gehalt an Phyto-Oestrogenen gefressen, so war ein Einfluss auf die Fortpflanzungsfaehigkeit zu beobachten.
Das Wuerzburger Forschungsprojekt soll klaeren, wie sich Xeno- und Phyto-Oestrogene im menschlichen Organismus verhalten. Wie werden sie aufgenommen, wie verteilen sie sich im Koerper? In welchem Ausmass binden sie oder ihre wirkungsrelevanten Metabolite an Oestrogenrezeptoren und welche Wirkungen hat das zur Folge? Aus den gewonnenen Daten will Prof. Dekant ein Modell entwickeln, mit dem sich in Abhaengigkeit vom Lebensalter vorhersagen laesst, welche Belastung durch Xeno- und Phyto-Oestrogene zu erwarten ist. Somit werde diese Studie weit ueber die bisherigen Ansaetze hinausgehen.
Als Modell fuer die Xeno-Oestrogene dient das Bisphenol A. Diese Verbindung wird fuer die Beschichtung von Nahrungsmittelbehaeltern, aber auch als Desinfektionsmittel, fuer zahnaerztliche Hilfsmittel und als Spermizid verwendet. Mit einer konstanten Belastung des Menschen sei zu rechnen, sagt der Wuerzburger Toxikologe. Zudem habe Bisphenol A eine starke Neigung, sich an den Oestrogenrezeptor zu binden - die relative Affinitaet liege nur um ein bis zwei Groessenordnungen unter der des natuerlich vorkommenden Hormons Oestradiol. Aus diesen Gruenden sei Bisphenol A als Modellsubstanz geeignet.
Aus der Gruppe der Phyto-Oestrogene wird Daidzein als Modellsubstanz eingesetzt. Es kommt hochkonzentriert in vielen Nutzpflanzen vor, zum Beispiel in Hopfen und Soja, findet sich aber auch in den entsprechenden Nahrungsmitteln, etwa in Bier, Sojamehl und Tofu. Weil Sojaprodukte heutzutage fast in jedem Nahrungsmittel enthalten sind, ist es praktisch unvermeidbar, dass der Mensch mit Daidzein in Kontakt kommt. Zudem hat sich dieser Stoff bei Nagetieren und in vitro-Systemen als stark wirksames Oestrogen erwiesen.
Von ihren Forschungen erwarten die Wuerzburger Wissenschaftler, dass die moeglicherweise von Xeno- und Phyto-Oestrogenen ausgehenden Gesundheitsrisiken kuenftig besser zu bewerten sind. Zudem bleibe das zu entwickelnde Modell nicht auf oestrogenartige Substanzen beschraenkt, sagt Prof. Dekant, sondern koenne auch auf andere Stoffe und andere Belastungssituationen angewendet werden.
Kontakt: Prof. Dr. Wolfgang Dekant, Telefon (0931) 201-3449, Fax 201-3446, E-Mail: dekant@toxi.uni-wuerzburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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