idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Bochum, 04.03.1996 Nr. 46
Auf die Wohnlage kommt es an
Westdeutsche Mieter zufriedener mit ihren Wohnungen
RUB-Wissenschaftler zu Wunsch und Wirklichkeit des Wohnens
Auf die Wohnlage und nicht die Wohnungsgroesse oder ihre Ausstattung kommte es an, ob Mieter zufrieden sind - und das unabhaengig von den Eigentumsverhaeltnissen. Das ist eins von vielen Ergebnissen von Dipl.-Soz.-Wiss. Joerg-Peter Schraepler in seiner Diplomarbeit "Kausalmodelle mit latenten Variablen - Eine Untersuchung zur Wohnungszufriedenheit von West- und Ostdeutschen anhand von Quer- und Laengsschnittmodellen". Fuer seine Untersuchung, die nicht nur objektive Wohnbedingungen, sondern auch subjektive Bewertungen zu Hauszustand, Wohnungsgroesse oder Wohnkosten einbezog, nutzte er das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) mit Daten aus den Jahren 1991 und 1992. Die Arbeit von Dipl.-Soz.-Wiss. Schraepler wurde von Prof. Dr. Manfred Tiede und Prof. Dr. Gert Wagner (Fakultaet fuer Sozialwissenschaft der RUB) betreut und erhielt 1995 den Preis der RUB als beste wissenschaftliche Arbeit aus der Fakultaet fuer Sozialwissenschaft.
Die meisten sind zufrieden
Beim Ost-West-Vergleich stellte der Bochumer Wissenschaftler fest, dass Westdeutsche wesentlich zufriedener mit ihren Wohnungen sind als Ostdeutsche. Beide geben an, dass sie noch zufriedener sind, wenn ihnen gar die Wohnungen gehoeren, und sie nicht nur Mieter sind. In Zahlen ausgedrueckt: 93,3 Prozent der westdeutschen Wohnungseigentuemer und 79,3 Prozent der Hauptmieter sind mit ihren Wohnungen zufrieden, im Vergleich zu 83,4 Prozent der ostdeutschen Eigentuemer und 61,5 Prozent der Hauptmieter. Am staerksten aber beeinflusst die Wohnlage die Meinung der Befragten; es ist fuer die Wohnzufriedenheit entscheidend, ob die Lebensverhaeltnisse am Wohnort positiv oder negativ beurteilt werden.
Wohnkosten ueben geringsten Einfluss
UEberrascht war der Bochumer Wissenschaftler, dass die Wohnkosten den insgesamt geringsten Einfluss auf die Zufriedenheit haben - im Osten gleichermassen wie im Westen. Allerdings legen Westdeutsche mehr Wert auf groessere Wohnungen (zweite Stelle auf der Bewertungsskala), waehrend in Ostdeutschland weniger die Wohnungsgroesse (dritter Rang) als der Hauszustand staerker bewertet wird. Schraepler erklaert das mit dem niedrigeren Anspruchsniveau ostdeutscher Mieter, die eher aus der Vergangenheit beengtere Wohnverhaeltnisse gewohnt sind.
Grosser Renovierungsbedarf im Osten
Zudem beeinflusst der Zustand des Hauses die Wohnzufriedenheit ostdeutscher Mieter dreimal so stark wie ihre westdeutschen Nachbarn, was durch den zum grossen Teil desolaten, renovierungsbeduerftigen Zustand der Wohngebaeude erklaert wird. So betraegt der Anteil der teilweise oder voellig renovierungsbeduerftigen Haeuser an dem Bestand mit einem Baudatum vor 1980 ueber zwei Drittel. Nur 57 Prozent der Haeuser, die nach 1980 gebaut wurden, werden als gut bezeichnet. Bezogen auf den gesamten Wohnungsbestand sind in den neuen Bundeslaendern etwa 70 Prozent ganz oder wenigstens teilweise renovierungsbeduerftig, waehrend es in Westdeutschland etwa 30 Prozent sind.
Resignation und sozialer Status ...
Wenn zwischen Wunsch und Wirklichkeit ueber eine laengere Zeit eine grosse Luecke klafft und Mieter keine Aussicht auf Besserung ihrer Verhaeltnisse erfahren, dann beginnen sie zu resignieren und senken oftmals die Ansprueche auf die Wirklichkeit herab. Besonders Mieter aus unterpriviligierten Gruppen neigen dazu, dem Realitaetsdruck nachzugeben, weil sie ueber nur sehr eingeschraenkte Gestaltungsmoeglichkeiten verfuegen. Deshalb geben sich in beiden Teilen des Landes Mieter mit einem geringeren Einkommen oder einem geringeren soziooekonomischen Status eher mit schlechteren Wohnungen zufrieden als Mieter mit hoeherem Einkommen.
... und die uebrigen Lebensbedingungen
Dipl.-Soz.-Wiss. Schraepler hat nicht nur die Zufriedenheit mit den Wohnverhaeltnissen, sondern auch die uebrigen Lebensumstaende untersucht. Dabei kam er zu dem ueberraschenden Ergebnis, dass sich Ostdeutsche und Westdeutsche hierin kaum unterscheiden. Vor allem materielle Aspekte wie Lebensstandard und Haushaltseinkommen haben den hoechsten Stellenwert. Auf Platz drei rangiert in beiden Landesteilen die Zufriedenheit mit der Arbeit. Die Wohnung ist im Westen der naechst wichtigste Punkt, im Osten liegt sie sogar noch hinter der Gesundheit - auf dem fuenften Rang.
Weitere Informationen
Dipl.Soz.-Wiss., Dipl.-Ing. Joerg-Peter Schraepler, Ruhr-Universitaet Bochum, Fakultaet fuer Sozialwissenchaft, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-3214, Fax: 0234/7094-534, e-mail: joerg-peter.schraepler@rz.ruhr-uni-bochum.de, priv: Herwathstrasse 53, 45138 Essen, Tel: 0201/271980,
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Politik, Recht, Wirtschaft
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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