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06.10.1997 00:00

Essen und Trinken

Burckhard Wiebe Abteilung Kommunikation
Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH

    6. Oktober 1997

    Ernahrung und Gesundheit Internationale Tagung im WZB

    Berlin (wbs) Ernahrung spielt bei chronischen Krankheiten, wie sie in industrialisierten Landern vorherrschen, eine besondere Rolle. Falsches Essen und Trinken sind jedoch nicht allein individuellem Fehlverhalten zuzurechnen, sondern auch den sozialen und okonomischen Bedingungen einer Gesellschaft - etwa dem Wandel von Arbeitsplatzen und Lebensgewohnheiten. Eine umfassende und erfolgreiche Gesundheitsforderung erfordert daher eine facherubergreifende Zu sammenarbeit von Ernahrungs- und Gesundheitswissenschaften, wie jetzt auf einer internationalen Tagung des Wissenschaftszentrums Berlin fur Sozialforschung (WZB) und der Arbeitsgemeinschaft Ernahrungsverhalten (AGEV) deutlich wurde.

    Wenn erst einmal chronische Krankheiten entstanden sind, konnen sie nur noch gelindert, aber kaum noch geheilt werden, sie verursachen betrachtliche Ausgaben und sind zudem sozial ungleich in der Bevolkerung verteilt. Sie haben in aller Regel nicht nur eine, sondern viele Ursachen, und ihre Vorbeugung erfordert darum vielschichtiges Handeln. Eine besondere Rolle kommt dabei der Ernahrung zu, denn sie kann die Gesundheit starken oder das Entstehen von Krankheit begunstigen. Wie viele andere Krankheitsursachen kann auch krankmachende Ernahrung nicht allein individuellem Fehlverhalten der Erkrankten angelastet werden. Die ausseren Lebensbedingungen, auf die der einzelne nur begrenzten Einfluss hat, spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle. In den industrialisierten Landern nimmt beispielsweise Ubergewicht - ein wichtiges Gesundheitsrisiko in der Bevolkerung - standig zu, ohne dass dies nur auf uberhohte Energiezufuhr zuruckzufuhren ware. Vielmehr verandern sich auch Arbeitsplatze und Lebensgewohnheiten der ganzen Gesellschaft. Die Bedingungen, unter denen Menschen sich mit Nahrungsmitteln versorgen, essen, sich ernahren, sind in diesen gesellschaftlichen Wandel eingeschlossen. In modernen Gesellschaften erfullen Nahrungsmittel uberdies nicht mehr nur ihren eigentlichen Zweck, sondern sie sind in erster Linie ein Handelsgut, das Gewinne erzielen soll. Sichtbar wird dies unter anderem im Verschwinden von Lebensmittelgeschaften aus Innenstadten und Wohn gebieten und in ihrer Konzentration auf "der grunen Wiese". Fur die meisten Menschen bedeutet dies nur einen langeren Einkaufsweg, fur alte Menschen mit eingeschrankter Mobilitat kann dieser Prozess des wirtschaftlichen Wettbewerbs aber unmittelbar zu einer schlechteren Ernahrungsversorgung beitragen. Produktion und Verkehr von Nahrungsmitteln wird ausserdem zunehmend international geregelt (z. B. von der EU oder der WTO), wobei die Zielsetzung hauptsachlich auf die Handels- und Verkehrsfreiheit von Ernahrungsgutern gerichtet ist. Nationale Gesetzgebungen, die nicht nur die klassischen Aspekte des ernahrungsbezogenen Gesundheitsschutzes wie Schadstofffreiheit, Unverfalschtheit und Unverdorbenheit von Lebensmitteln regulieren, sondern die Verkehrsfahigkeit von Lebensmitteln auch an andere gesundheitliche Aspekte binden, werden dadurch unterhohlt. Auch die grundlegenden Forderungen der Schadstofffreiheit und Unverfalschtheit werden unter dem Druck des internationalen Wettbewerbs zunehmend zur Disposition gestellt. Eine Gesetzgebung, die Ernahrungspolitik auch aus gesundheitspolitischen Uberlegungen gestaltet, wird zuruckgedrangt. Vor diesem Hintergrund ernahrungsabhangige Krankheiten durch Ernahrungsberatung und Diattherapie bekampfen zu wollen, greift zu kurz. Wenn ernahrungsbezogene Gesundheitsrisiken und Krankheiten ein soziales, gesellschaftlich verursachtes Problem sind, mussen sie auch als soziales Problem behandelt werden. Hierin liegt die grosse Zukunftsaufgabe, die von den Ernahrungswissenschaften und Gesundheitswissenschaften nur gemeinsam bewaltigt werden kann. Bei der Tagung der Arbeitsgruppe Public Health" des WZB und der Arbeitsgemeinschaft Ernahrungsverhalten (AGEV) trafen sich vom 2. bis 4. Oktober 1997 rund 130 Ernahrungs- und Gesundheitswissenschaftler aus uber 20 Landern, um sich uber interdisziplinare Forschungsmethoden und -ergebnisse und uber die Organisation von Forschung, Lehre und Praxis auszutauschen. Besondere Schwerpunkte der Diskussion waren: - die Epidemiologie ernahrungsabhangiger Erkrankungen, - die Untersuchung der Ernahrungsgewohnheiten von unterschiedlichen Bevolkerungsgruppen in verschiedenen Landern und Regionen, wie z. B. Arbeitern, Kindern, alteren Menschen, Obdachlosen oder Gefangnisinsassen , - die Moglichkeiten und Grenzen der ernahrungsbezogenen Gesundheitsvorsorge, - die Integration von gesundheitspolitischen Vorstellungen in die Ernahrungspolitik und - die Anforderungen an die facherubergreifende Arbeit von Ernahrungs- und Gesundheitswissenschaften. Ein wesentliches Ergebnis dieser Tagung ist, dass sich die beteiligten Disziplinen intensiver mit der Problemsicht des jeweils anderen Gebiets befassen und dies auch bereits in der Lehre weitergeben mussen. Dies ist die Voraussetzung fur eine umfassende und erfolgreiche Gesundheitsforderung, die allen Schichten der Bevolkerung ein Leben in Gesundheit ermoglicht.

    Ansprechpartnerin: Barbara Maria Kohler Ph. D., Telefon: 030-25 49 15 78 -- Wissenschaftszentrum Berlin fuer Sozialforschung (WZB) Presse- und Informationsreferat Reichpietschufer 50 D-10785 Berlin Tel.: +49-30-25 49 15 13 Fax: +49-30-25 49 16 84 e-mail: presse@medea.wz-berlin.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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