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Der erste Henri-Tajfel-Stipendiat der Universität Jena zieht positive Bilanz
Jena (01.07.08) Ost- oder Westdeutscher? Deutscher oder Zuwanderer? Frau oder Mann? Wer wir sind, ist zu einem wesentlichen Grad bestimmt über die Gruppen, in denen wir Mitglied sind oder eben nicht. Vorstellungen, Stereotype oder Vorurteile über diese Gruppen bestimmt, wie andere uns sehen und wie wir uns selbst wahrnehmen. Gruppenmitgliedschaft ist die Basis für kollektive Identität und entsprechend für Verhalten gegenüber eigenen und fremden Gruppen.
Vorurteile und kollektives Verhalten zwischen sozialen Gruppen stehen im Mittelpunkt der Forschungen von Professor Stephen Wright. Der renommierte kanadische Sozialpsychologe ist der erste Träger des Henri-Tajfel-Stipendiums, das vom Internationalen Graduiertenkolleg "Konflikt und Kooperation zwischen sozialen Gruppen" vergeben wird. Wright hat das erste Halbjahr 2008 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena verbracht, um hier seine Forschungen und seine wissenschaftlichen Kooperationen mit den Jenaer Sozialpsychologen fortzuführen. Gestern endete der Aufenthalt offiziell, doch Wright, seiner Frau und den beiden fußballbegeisterten Töchtern hat es in Jena so gut gefallen, dass sie den Aufenthalt privat um zwei Wochen verlängern.
"Die Gruppe, der wir angehören, formt einen fundamentalen Teil unserer Identität, wie wir uns selbst definieren", nennt der Sozialpsychologe von der kanadischen Simon Fraser University seine Forschungsgrundlage. Davon leitet er drei Forschungsschwerpunkte ab, mit denen er sich auch in Jena beschäftigt hat. Wright geht der Frage nach, wie sich Vorurteile reduzieren lassen. Ein Erfolgsrezept ist es, wie er ermittelt hat, einzelne Personen der einen Gruppe mit Individuen einer anderen Gruppe in Kontakt zu bringen. Dies reduziere Vorurteile und erzeuge langfristig am sichersten Änderungen im Denken und Verhalten, die sich auf die Gruppen insgesamt ausweiten.
Nicht nur die Betroffenen von Diskriminierungen definieren sich über ihre soziale Identität sondern auch diejenigen, die Diskriminierung bewirken und verantworten. Einige Betroffene entwickeln trotz sozialer Diskriminierungen ein starkes Selbstbewusstsein, andere hingegen sehen sich primär als Opfer, weitere wiederum protestieren gegen ihre Situation und für eine Veränderung der von ihnen wahrgenommenen Benachteiligung. Es sind die Ursachen und Konsequenzen dafür, dass die Reaktionen auf dieselbe Situation von Diskriminierung und Benachteiligung so unterschiedlich ausfallen, die den Sozialwissenschaftler Wright interessieren. In einem dritten Forschungsschwerpunkt untersucht der Kanadier, wie Erziehung und psychologische Prozesse bei Kindern aus sprachlichen Minderheiten auf deren Entwicklung wirken. Diese sind in einem neuen, anderssprachigen Umfeld auf Grund ihrer Muttersprache häufig Repressionen ausgesetzt. Am Beispiel der Inuit in Kanada ist Wright der Frage nachgegangen, welche Bedeutung Vererbung und welche der Zweitsprachenerwerb haben, um sich in das gesellschaftliche Umfeld, und damit die herrschende Gruppe, einzufügen und in ihr problemlos zu bestehen.
Für diese Intergruppenforschungen hat Prof. Wright nicht zufällig Jena ausgesucht. Am Internationalen Graduiertenkolleg, das die Jenaer Universität seit 2001 gemeinsam mit Universitäten in England und Belgien betreibt, stehen diese Fragen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Daher gab es engen Kontakt zwischen den derzeit 13 Jenaer Doktoranden und dem kanadischen Gast. "Der Aufenthalt in Jena war eine große Chance für mich", sagt der renommierte Sozialpsychologe. An der Universität Jena habe er hervorragende Bedingungen und hoch motivierte Doktoranden vorgefunden, schwärmt er vom fruchtbaren, lebendigen Miteinander.
Diese Zusammenarbeit vor Ort in Jena, die auch in Zukunft über die Kontinente hinweg fortgesetzt werden soll, hat das neu eingeführte Stipendium des Internationalen Graduiertenkollegs (IGC) ermöglicht, das nach dem Sozialpsychologen polnisch-jüdischer Herkunft Henri Tajfel (1919-1982) benannt ist. Tajfel ist der Nestor der europäischen Sozialpsychologie, auf dessen Theorie des sozialen Wandels und dem Konzept der sozialen Identität die Intergruppenforschung beruht. "Ziel des Stipendiums ist die Pflege und Bereicherung des wissenschaftlichen Austausches in Jena als einem Zentrum der sozialpsychologischen Intergruppenforschung, die Initiierung wissenschaftlicher Kooperationsprojekte sowie die Unterstützung der Doktoranden und Postdoktoranden des IGC bei ihrer Forschung", erläutert Prof. Dr. Amélie Mummendey. Und dass dies mit Stephen Wright gelungen sei, dessen ist sich die Jenaer Sozialpsychologin ganz sicher. Im kommenden Jahr, so die Prorektorin für die Jenaer Graduierten-Akademie, würden zwei weitere Tajfel-Stipendien vergeben. Die nächsten Stipendiaten werden die Professoren Linda Tropp aus Amherst, Massachusetts, und John Duckitt aus Neuseeland sein.
Kontakt:
Prof. Dr. Amélie Mummendey
Graduierten-Akademie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Fürstengraben 8, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 930400
E-Mail: graduierten.akademie[at]uni-jena.de
Der erste Henri-Tajfel-Stipendiat: Professor Stephen Wright.
Foto: Stephan Laudien/FSU
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