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Wissenschaft
Nr. 208
Der alltägliche Ausnahmezustand: Kampf gegen den Terror
Bundestrojaner, "Rettungsfolter" oder der Abschuss von Passagierflugzeugen im Notfall sind nur einige Auswüchse des Versuchs der Politik, der diffusen Bedrohung durch den Terror zuvorzukommen, die seit dem 11. September 2001 eine Art normalen Ausnahmezustand erzeugt. Teils stoppte das Bundesverfassungsgericht solche Gesetze. Wie weit darf der Staat gehen, um seine Bürger zu schützen? Diese Frage erörtern prominente Politiker und Wissenschaftler im Band "Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat", den Prof. Dr. Stefan Huster (Öffentliches Recht, RUB) und PD Dr. Karsten Rudolph (Institut für Soziale Bewegungen der RUB und innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im NRW-Landtag) herausgegeben haben.
Strafandrohung bringt nichts - statt dessen Prävention?
So recht geheuer waren die zahllosen Gesetze zum Anti-Terror-Kampf der Regierung selber nicht. Eine Befristung auf fünf Jahre und eine Evaluation zeugen von den Zweifeln. Zwei Gesetze wurden vom Bundesverfassungsgericht gekippt, eines eingeschränkt interpretiert. Der Grund: Die Gesetze zum Kampf gegen den Terror schränkten die Grundrechte der Bürger zu sehr ein. Die Autoren stellen eine Entwicklung des Rechtsstaates zum Präventionsstaat fest: Da der drohende Terror, der unberechenbar und weder an Personen noch Orten festzumachen ist, wie die Bedrohung durch eine Katastrophe wahrgenommen wird, versucht der Staat wie im Katastrophenschutz, durch Vorbeugung zu schützen. Strafandrohung als rechtsstaatliches Mittel bewirkt bei potentiellen Selbstmordattentätern ohnehin nichts.
Unmerkliche, aber fundamentale Veränderung
Die Folgen allerdings sind gravierend: Normkonformes Verhalten hält den Staat nicht mehr auf Abstand, jeder ist verdächtig. Nicht mehr Taten, sondern die Gesinnung zählt, und Gleichheit war gestern: Angehörige des Islam werden strenger überwacht. "In Zeiten, in denen die diffuse Bedrohung durch den Terror, eine Art normalen Ausnahmezustand erzeugt, stimmen die Bürger der Einschränkung ihrer Freiheiten leichter zu", so die Herausgeber. Die Gefahr liege darin, dass sich der Charakter des freiheitlichen Gemeinwesens unmerklich aber fundamental verändere. Die Herausgeber eröffnen daher die Debatte mit dem Ziel der kritischen Reflexion.
Prominente Autoren
Der Band versammelt Beiträge von prominenten Sicherheitspolitikern (Wolfgang Bosbach, stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralf Stegner, August Hanning, ehemaliger BND-Chef), politischen Kritikern dieser Entwicklung (Gerhart R. Baum, Burkhard Hirsch, die erfolgreich gegen den Abschuss von Passagiermaschinen klagten), Verfassungsjuristen (Erhard Denninger, Manfred Baldus, Christoph Gusy, Johannes Rux), Terrorismusexperten (Ulrich Schneckener, Hans-Jürgen Lange) und des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar.
Titelaufnahme
Vom Rechtsstaat zum Präventionsstaat. Herausgegeben von Stefan Huster und Karsten Rudolph. Suhrkamp, Frankfurt 2008, ISBN 978-3-518-12543-4, 229 Seiten, 10 EUR
Weitere Informationen
Prof. Dr. Stefan Huster, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht mit besonderer Berücksichtigung des Sozialrechts, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-22239, E-Mail: stefan.huster@rub.de, http://www.ruhr-uni-bochum.de/oer2/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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