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Wissenschaft
Selbst bei beabsichtigter Gewinnsteigerung der Unternehmen keine positive Börsenreaktion
Wenn ein Unternehmen die Entlassung von Mitarbeitern ankündigt, kann es damit den Börsenkurs sicher nach oben treiben - so zumindest die landläufige Meinung. Und es gibt durchaus Fälle, bei denen Entlassungsankündigungen mit deutlichen Kurssteigerungen einhergingen. Doch ist das tatsächlich immer so? Prof. Werner Neus und Dr. Andreas Walter vom Lehrstuhl für Bankwirtschaft des Wirtschaftswissenschaftlichen Seminars der Universität Tübingen haben eine erste breit angelegte Studie für Deutschland vorgelegt, in der untersucht wird, welche Kursreaktionen durch die Ankündigung von Stellenstreichungen ausgelöst werden. Sie untersuchten alle 265 Fälle von deutschen, an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen, die in der Zeit von Januar 1995 bis Dezember 2006 Entlassungspläne publiziert haben.
Ein prominentes Beispiel für Kurssteigerungen durch die Ankündigung von Entlassungen ist die Deutsche Bank, die in ihrer Bilanzpressekonferenz am 3. Februar 2005 gleichermaßen einen Rekordgewinn für das Jahr 2004, einen 6000 Mitarbeiter betreffenden Entlassungsplan sowie für die Eigenkapitalrendite eine Zielgröße von 25 Prozent bekanntgab. An diesem Tag stieg der Kurs der Deutsche-Bank-Aktie um etwa 2,5 Prozent, während der Dax um 0,3 Prozent verlor. Allerdings lassen sich auch Gegenbeispiele finden: So etwa der Autohersteller BMW, der am 6. Februar 2008 ein Sparprogramm mit 8000 geplanten Stellenstreichungen ankündigte; am gleichen Tag sank der Kurs der BMW-Aktie um etwa 2,8 Prozent, während der Dax um 1,2 Prozent anstieg. Die Beispiele machen deutlich, dass sich von einzelnen Fällen nicht auf Regelmäßigkeiten schließen lässt. Mehr Klarheit bringt das Studienergebnis der Tübinger Wissenschaftler nach Prüfung der Kursentwicklung bei der Ankündigung von Entlassungen: Es stellte sich heraus, dass die betroffenen Unternehmen am Tag der Entlassungsankündigung hinter der Kursentwicklung aller börsennotierten Unternehmen um signifikante 0,37 Prozent zurückbleiben. (Dies entspricht einer auf ein Jahr bezogenen Werteinbuße von 54 Prozent relativ zu einem durchschnittlichen börsennotierten Unternehmen.) Dieses Gesamtergebnis deckt sich mit vorliegenden Ergebnissen für andere nationale Kapitalmärkte.
Die nähere Untersuchung zeigt, dass die Börsenreaktion stark von den Motiven für die Entlassungspläne abhängt. Im Wesentlichen lassen sich zwei Motivgruppen unterscheiden: zum einen die Reaktion auf eine Unternehmenskrise, insbesondere einen deutlichen Nachfragerückgang, zum anderen das Bemühen, den Stellenabbau aktiv als Instrument zur Gewinnsteigerung einzusetzen. Wenig überraschend stellt sich heraus, dass im Falle der Reaktion auf eine Krise die negative Marktrendite noch schärfer ausfällt: Hier bleiben die betreffenden Unternehmen um signifikante 0,76 Prozent hinter dem Markt zurück. Für überraschend halten dagegen auch die Wissenschaftler, dass selbst bei dem erklärten Ziel der Gewinnsteigerung eines Unternehmens keine positive Marktreaktion auf die Ankündigung von Entlassungen folgt (nicht signifikante 0,03 Prozent). Somit bleibt festzuhalten, dass die immer wieder vorgetragene Annahme, dass Entlassungsankündigungen zu Kurssteigerungen an der Börse führten, nur in Einzelfällen zutrifft. Im Allgemeinen sinkt dagegen der Kurs relativ zum Gesamtmarkt. Selbst bei dem erklärten Motiv der Gewinnsteigerung nimmt die Börse Entlassungsankündigungen nicht positiv auf.
Weitere Informationen:
Prof. Werner Neus
Tel. 0 70 71/297 25 75
E-Mail werner.neus@uni-tuebingen.de
Dr. Andreas Walter
Tel. 0 70 71/297 82 07
E-Mail andreas.walter@uni-tuebingen.de
Universität Tübingen
Wirtschaftswissenschaftliches Seminar
Abteilung Bankwirtschaft
Mohlstraße 36
72074 Tübingen
Fax 0 70 71/55 14 35
EBERHARD KARLS UNIVERSITÄT TÜBINGEN
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit · Michael Seifert
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Gesellschaft, Wirtschaft
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