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Wissenschaft
Grabungen auf palästinensischem Gebiet sind auch heute noch nicht wieder möglich
(Mainz, 15. September 2008, lei) Archäologische Kulturgüter auf palästinensischem Gebiet werden unwiederbringlich verlorengehen, wenn sich die politische Situation in dieser Region nicht bald ändert. Davor warnt der Mainzer Palästina-Experte Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Zwickel. Seit fast zehn Jahren sind archäologische Forschungen im Westjordanland nahezu unmöglich. Wurden die Arbeiten zunächst durch die zweite Intifada gestoppt, verhindern nun die Barrieren des israelischen Militärs wichtige Grabungen. Kooperationspartner wie das archäologische Institut der palästinensischen Universität Birzeit wurden von israelischer Seite geschlossen, Unterlagen von früheren Grabungen stehen nicht mehr zur Verfügung. "Wir als Europäer sind hier gefordert und müssen uns engagieren. Ansonsten gehen bedeutende Kulturgüter verloren, die auch für unsere europäische Geschichte und Kultur wichtig sind", sagte Zwickel. Der Wissenschaftler leitet das Seminar für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und führt seit fast 25 Jahren Grabungsarbeiten im Nahen Osten durch.
Beispielsweise Bet-El, auch als Bethel bekannt. "Im Alten Testament ist Bet-El die am zweithäufigsten erwähnte Stadt nach Jerusalem", erklärt Zwickel. "Der Ort war also recht bedeutend, dennoch haben wir kaum archäologische Funde." Zwickel hatte schon vor Jahren ein größeres regionales Projekt geplant, dessen zentraler Punkt Ausgrabungen im biblischen Bet-El sein sollten. Im Herbst 2000 verhinderte die zweite Intifada das Projekt in seinen Anfängen. Bis heute konnte es nicht wieder aufgenommen werden, weil das Gebiet etwa 20 Kilometer nördlich von Jerusalem im Westjordanland nahezu unzugänglich ist. "Es gibt dort eine byzantinische Kirche, die an den Altarbau von Abraham erinnern soll, mit einem Kreuzfahrerturm. Die Objekte stehen auf der Liste der schützenswerten Kulturgüter Palästinas ganz oben und wir würden sie noch immer gerne erforschen", so Zwickel. Die katholische Kirche als Besitzerin des Geländes hätte ebenfalls ein Interesse an den Grabungen, auch um deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um eine landwirtschaftliche Nutzfläche handelt. Aber mittlerweile wachsen schon Ölbäume auf den umliegenden Feldern.
Eine solche Situation ist nicht nur wissenschaftlich unbefriedigend, weil Projekte geplant, finanziert und dann doch auf Eis gelegt werden, sondern sie birgt auch die Gefahr, dass in der Zwischenzeit Raubgräberei betrieben wird und damit wertvolle Funde unwiederbringlich verloren gehen. Aber mehr noch: Der wissenschaftliche Nachwuchs hat keine Möglichkeit, archäologische Kenntnisse und Erfahrungen auf diesem besonderen Fachgebiet zu sammeln, das Fachgebiet und das Wissen darüber verlieren allmählich an Bedeutung.
Verloren gingen auch wertvolle Dokumente einer früheren Grabung, die unter Zwickels Leitung in Birzeit erfolgt war. Im Jahr 2000 hatte er gemeinsam mit dem archäologischen Institut der palästinensischen Universität Birzeit die erste deutsch-palästinensische Ausgrabung durchgeführt. Zunächst bremste die zweite Intifada das Projekt, dann wurde das international angesehene archäologische Institut der Universität Birzeit von israelischer Seite aus geschlossen. Die Arbeiten an dem Grabungsbericht mussten unterbrochen werden, die gesamten Grabungsunterlagen standen nicht mehr zur Verfügung. "Wer gräbt, zerstört immer auch, und das unwiederbringlich", meint der Leiter der Biblischen Archäologie. "Daher war es mir wichtig, die Grabung zumindest so zu publizieren, dass zukünftige Archäologen wissen, was wir getan haben."
In diesem Fall konnte Dank privater Datenspeicherung und privater Fotos trotzdem ein Grabungsbericht erstellt werden. Alle Stein-für-Stein-Zeichnungen, aber auch die Zeichnungen der aufgefundenen Keramik und alle Grabungsfotos stehen jedoch nicht mehr zur Verfügung. Die Grabungsergebnisse - gefunden wurden vor allem Architekturreste aus byzantinischer und arabischer Zeit - werden mit finanzieller Unterstützung des Zentrums für Interkulturelle Studien (ZIS) an der Universität Mainz nun in einem international verbreiteten Jahrbuch erscheinen - und so der Nachwelt erhalten.
Wolfgang Zwickel hat Evangelischen Theologie, Ägyptologie, Altorientalistik und Vor- und Frühgeschichte studiert und über den Tempelkult in Kanaan und Israel habilitiert. Er hat seit 1998 die Professur für Altes Testament und Biblische Archäologie an der Universität Mainz inne. Biblische Archäologie, eine rein archäologische Disziplin, befasst sich mit der Archäologie in Palästina. Ihr Zeitraum ist nach seinem Verständnis nicht auf die Zeit der Bibel beschränkt, sondern reicht von der Jungsteinzeit bis in die jüngere Vergangenheit.
Kontakt und Informationen:
Univ.-Prof. Dr. theol. Wolfgang Zwickel
Seminar für Altes Testament und Biblische Archäologie
Evangelisch-Theologische Fakultät
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. +49 6131 39-20753
Fax +49 6131 39-20799
E-Mail: zwickel@uni-mainz.de
http://www.uni-mainz.de/FB/evtheol/FB02.html
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Politik, Religion
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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