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Wissenschaft
Sportler sollten Perfektionisten sein - solange sie ihre Emotionen kontrollieren können. Der Zusammenhang zwischen Perfektionismus und Leistung im Sport ist Gegenstand aktueller Forschung des Sportwissenschaftlers Prof. Dr. Oliver Stoll an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Davon zeugen u.a. zwei Publikationen, von denen die eine im Septemberheft von Psychology of Sport and Exercise bereits erschienen und die zweite im Journal of Sports Sciences im Druck ist. Darüber hinaus haben zehn Studierende im Wintersemester 2008/09 mit ihrem Studium im neuen Masterstudiengang "Angewandte Sportpsychologie" begonnen.
"Im Hochleistungssport spielt Perfektionismus eine wichtige Rolle. Wir untersuchen, wie sich Perfektionismus auf die sportliche Leistung bei Elite-Athleten auswirkt", erklärt Professor Stoll, Geschäftsführender Direktor des Departments Sportwissenschaft der MLU, den Ansatzpunkt des Forschungsthemas.
Grundlage der Veröffentlichung im Journal of Sports Sciences bildete die Auswertung von 138 Fragebögen, die die besten U16-Eishockeyspieler Finnlands in einem Sichtungstrainingslager des finnischen Eishockeyverbands zur Thematik des Perfektionismus in ihrem Sport ausgefüllt hatten. Im Ergebnis konnte zwischen einer funktionalen und einer eher dysfunktionalen Seite des Perfektionismus unterschieden werden kann. "Beide Formen haben Vor- und Nachteile für die Sportler. Der Vorteil der eher dysfunktionalen Seite des Perfektionismus liegt in einer Steigerung der zentralnervösen Aktivierung, die mitunter für eine optimale Leistung notwendig ist. Der Nachteil besteht jedoch darin, dass der Sportler versucht, der eigentlichen Aufgabe auszuweichen und sich nur auf seine eigene Leistung konzentriert. Darüber hinaus beginnt der Sportler sich zu demontieren und hadert mich sich selbst und seinem Teamkollegen, wenn das vorgenommene Ziel nicht erreicht wird. Der Vorteil der funktionalen Seite des Perfektionismus ist, dass sich solche Elite-Athleten sehr anspruchsvolle, aber realistische Ziele setzen können und diese dann auch weiter verfolgen. Gerade um die negativen Aspekte von Perfektionismus abzupuffern, muss der Athlet in der Lage sein, seine Emotionen zu regulieren, und dabei kann der Sportpsychologe den Sportler unterstützen", erläutert Stoll die Forschungsergebnisse und deren Bedeutung.
Insbesondere der Aufgabe der Emotionsregulation widmete sich Prof. Stoll auch bei der Betreuung der Wasserspringer zu den Olympischen Spielen in Peking, beispielsweise bei Andreas Wels (Halle) und Tobias Schellenberg (Berlin), die wegen Rückenproblemen von Schellenberg nicht zum Einsatz im Synchronspringen vom Brett kamen. Heike Fischer hingegen, die mit Ditte Kotzian Bronze im Synchronspringen vom Drei-Meter-Brett und damit die erste Medaille für Deutschland geholt hatte, habe sich in Peking als Ergebnis ihres sportpsychologischen Trainings selbst regulieren können, meint der Sportpsychologe, der mit der Sportlerin nach einem missglückten zweifachen Auerbach-Salto vor gut einem Jahr ein Angstbewältigungsprogramm absolviert hatte.
Gegenstand der Veröffentlichung in Psychology of Sport and Exercise 9 (2008) ist die Frage, ob Perfektionismus und sportliche Leistung einen positiven Zusammenhang haben. Dazu absolvierten 122 Studenten des Studiengangs Diplom-Sportwissenschaft an der MLU nach dem Ausfüllen eines Perfektionismus-Fragebogens mehrere Serien eines im Training oder Spiel so nicht durchgeführten Wurfs auf einen Basketballkorb. Anhand der Relation zwischen der Anzahl Treffer und der Ausprägung von positivem und negativem Perfektionismus konnte gezeigt werden, dass die besten Ergebnisse von den Sportstudenten erzielt wurden, bei denen beide Seiten des Perfektionismus hoch ausgeprägt waren. "Perfektionismus per se ist also keine negative Dimension in Bezug auf das Erlangen sportlicher Höchstleistungen, vielmehr hängt er positiv mit der motorischen Leistungsfähigkeit zusammen", fasst der Sportwissenschaftler die Ergebnisse zusammen.
Start des Masterstudiengangs "Angewandte Sportpsychologie" mit zehn Studierenden
Neben der Forschung liegt Prof. Stoll der Start des neuen Masterstudiengangs "Angewandte Sportpsychologie" im Wintersemester besonders am Herzen. Begonnen haben zehn Studenten, die aus Altenburg, Berlin, Halle, Hamburg, Hildesheim, Karlsruhe, Leipzig, Neubrandenburg und Stendal kommen. "Seit ich 1988 ein Jahr in den USA studierte, habe ich davon geträumt, so einen Studiengang zu entwickeln. Jetzt haben wir diesen Studiengang gestartet, den es bisher nur an der privaten Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin gab. Doch während diese Hochschule berufsbegleitend ausgebildet, bieten wir einen Präsenzstudiengang an, der auch noch preiswerter ist. In unserem Studiengang werden neben den zentralen sportpsychologischen Leistungsoptimierungstechniken zudem auch klinische Aspekte als Grundlage einer notwendigen ganzheitlichen Betrachtung vermittelt", sagt Stoll.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Oliver Stoll
Telefon: 0345 55 24440
E-Mail: oliver.stoll@sport.uni-halle.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Sportwissenschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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