idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Studie der Universität Gießen über die psychologischen Aspekte der Finanzmarktkrise
Börsenmakler sind laut einer Studie der Universität Gießen kaum in der Lage, logisch zu denken. Wie Kognitionspsychologen bei einer Studie mit 20 erfahrenen Börsenmaklern herausfanden, lassen sich die Börsianer vielmehr durch ihre frühere Erfahrung leiten. Es fällt ihnen demnach schwer, sich von nur vermeintlich richtigen Denkmustern zu lösen. Die Kognitionspsychologen um Prof. Dr. Markus Knauff von der Abteilung Allgemeine Psychologie und Kognitionsforschung interessierte vor allem die Frage: Was geht im Kopf der Börsianer vor, wenn eine Schlussfolgerung über die Folgen eines Aktiengeschäfts zwar logisch gesehen die richtige wäre, diese Schlussfolgerung aber im Widerspruch zu dem steht, was die Börsenmakler für richtig halten? Die Untersuchungsteilnehmer sind zum Teil seit mehr als zehn Jahren für große Finanzunternehmen an der Frankfurter Börse tätig.
Besonders machten sich die Defizite beim logischen Denken bemerkbar, wenn die Börsenmakler aufgefordert wurden, Entscheidungen allein "logisch" zu treffen, auch wenn diese Entscheidung nicht mit ihrer Erfahrung übereinstimmte. In diesen Fällen zogen die Versuchsteilnehmer sehr viele falsche Schlüsse, und es dauerte viel länger, bis sie eine Entscheidung getroffen hatten. Sie waren dann sogar schlechter als eine Vergleichsgruppe von Versuchspersonen, die über keinerlei Erfahrung an der Börse verfügten.
In der aktuellen Berichterstattung über die Ursachen der Finanzmarktkrise und die Möglichkeiten ihrer Bewältigung kommen vor allem Wirtschaftexperten und Politiker zu Wort. Dabei werden aber die psychologischen Faktoren kaum berücksichtigt, die das Handeln der Akteure beeinflussen. "Geldgier" allein reicht als Erklärung für das Versagen von Managern und Wirtschaftslenkern nicht aus. Es sind auch die individuellen geistigen Fähigkeiten, die es schwer machen, alle Konsequenzen von Finanzentscheidungen und deren Wechselwirkungen vorherzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn der gute Wille vorhanden sein sollte.
In einer anderen Studie entdeckten die Forscher, dass "rein rationale" Entscheidungen kaum möglich sind. Die Wissenschaftler untersuchten, was in den Gehirnen von Versuchspersonen passiert, wenn sie Aufgaben lösen müssen, in denen es zu einem Konflikt kommt - zwischen dem, was die Person für moralisch richtig hält und dem, was die "rational" richtige Entscheidung wäre. An dieser Untersuchung nahmen 30 Studierende verschiedener Fachrichtungen teil. Die Aktivität in den Gehirnen der Probanden wurde mittels funktioneller Kernspintomographie gemessen, während sie Denkaufgaben lösten. Bei den Denkaufgaben mussten sie sich entscheiden, ob sie sich so verhalten, wie sie es für "moralisch richtig" hielten, oder ob sie sich "rein logisch" entschieden - selbst wenn sie diese Entscheidung als moralisch verwerflich empfanden. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass es immer auch zu Aktivität in Regionen des Gehirns kommt, die mit starken Gefühlen und emotionalen Bewertungen in Verbindung stehen.
Die Psychologie weiß inzwischen sehr viel darüber, wie Menschen denken und wie sie in sehr komplexen Situationen Entscheidungen treffen. Psychologische Erkenntnisse können deshalb auch helfen, Fehlentwicklungen besser zu begreifen und Fehler in der Zukunft zu vermeiden.
Kontakt:
Prof. Dr. Markus Knauff, Allgemeine Psychologie und Kognitionsforschung
Otto-Behaghel-Strasse 10F, 35394 Gießen
Telefon: 0641 99 - 26180/26181, Fax: 0641 99 - 26189
E-Mail: markus.knauff@psychol.uni-giessen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).