idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.10.2008 08:53

Was Mensch und Maus gemeinsam haben

Katrin Czerwinka Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jenaer Tierphysiologen beweisen die Validität von Mäusen als Versuchstiere für Erkrankungen des Sehsystems

    Jena (29.10.08) Ist bei einem Erwachsenen, etwa durch eine Linsentrübung, das Sehvermögen eingeschränkt, kann sich die Sehfunktion, beispielsweise nach einer Katarakt-Operation, wieder stabilisieren und das Sehvermögen erneut einstellen. Anders bei einem Kind: hier kann eine getrübte Augenlinse zu permanenter Blindheit führen. "Die kortikale Plastizität in der Sehrinde, wie sie bei Kindern vorhanden ist, bildet sich im Laufe der Jahre zurück", erklärt Prof. Dr. Siegrid Löwel von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Kortikale Plastizität bezeichnet die Eigenschaft der Synapsen und Nervenzellen in der Großhirnrinde, sich abhängig von deren Verwendung in ihren Eigenschaften zu verändern. "Dringen aufgrund einer Linsentrübung bei Kindern keine Sehimpulse ins Gehirn, trennen sich die Fasern zwischen Auge und Gehirn endgültig, während sich bei einem Erwachsenen der Zustand wieder stabilisieren kann", weiß die Jenaer Neurophysiologin.

    Um die kortikale Plastizität oder Erkrankungen des Sehsystems zu erforschen, werden heutzutage oft Mäuse als Versuchstiere genutzt. In den letzten Jahren hatten Wissenschaftler mehrfach beschrieben, dass die kortikale Plastizität bei Mäusen - im Gegensatz zum Menschen - das ganze Leben über vorhanden ist. "Diese ungleiche Funktionsweise der Organismen stellte jedoch die Validität der Mäuse als Versuchsmodelle für die Erforschung von Erkrankungen des Sehsystems sehr in Frage", gibt Prof. Siegrid Löwel zu bedenken. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Konrad Lehmann konnte sie die Annahme widerlegen und beweisen, dass die Nervenzellen der Mäuse nur bis zu ihrem 110. Lebenstag plastisch sind. Ein Ergebnis, das im wissenschaftlichen Online-Portal PLoSONE veröffentlicht wurde.

    "Die bisherige, irrtümliche Annahme stützte sich auf wissenschaftliche Versuche, die mit höchstens drei Monate alten Mäusen unternommen wurden", sagt Prof. Siegrid Löwel. Gemeinsam mit ihrem Team untersuchte sie Mäuse im Alter von vier Wochen sowie drei, vier und acht Monaten. Um die Linsentrübung zu imitieren, wurde den Tieren ein Auge verschlossen. "Mit Hilfe einer minimal-invasiven optischen Methode (optical imaging of intrinsic signals) haben wir die Aktivitäten im Gehirn sichtbar gemacht", erklärt Prof. Siegrid Löwel die relativ neue Methode des optischen Ableitens. Dabei wird das Gehirn der Maus mit dunkelrotem Licht bestrahlt und durch eine Kamera beobachtet. Erhöhte neuronale Aktivität führt zu einer erhöhten Konzentration von Desoxyhämoglobin, das die rote Strahlung stärker absorbiert. Aktive Gehirnareale erscheinen somit dunkler als inaktive Bereiche. "Dank einer räumlichen Auflösung von 0,05 Millimeter, das ist eine etwa 20fach bessere Auflösung als ein Kernspintomograph liefert, sind die Vorgänge im Gehirn mit der Kamera sehr genau zu beobachten."

    Bei einem parallel mit den gleichen Mäusen durchgeführten Verhaltenstest wurde die Sehschärfe mit Hilfe eines optomotorischen Apparats gemessen. In einer Arena-ähnlichen Box wurden senkrechte Streifen auf die Innenwände projiziert und entweder nach rechts oder nach links bewegt. Da Mäuse den Streifen mit Kopfbewegungen folgen, war die beobachtbare Folgebewegung der Mäuse ein eindeutiges Indiz für deren Sehvermögen.

    Die Ergebnisse bescheinigten, dass sich Mäuse in der neuronalen Plastizität ihrer Sehrinde nicht vom Menschen und auch nicht von herkömmlichen Versuchstieren der Hirnforschung wie Affen oder Katzen unterscheiden. "Der Befund ist eine essentielle Vorbedingung", so Löwel, "um Mäuse als Modellorganismus bei der Erforschung von Erkrankungen des Sehsystems oder neurologischen Erkrankungen beim Menschen zu nutzen."

    Originalpublikation:
    Lehmann K. und Löwel, S. (2008) Age-dependent ocular dominance plasticity in adult mice, PLoS ONE/3(9): e3120.

    Kontakt:
    Prof. Dr. Siegrid Löwel
    Institut für Allgemeine Zoologie und Tierphysiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Erbertstraße 1, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 949131
    E-Mail: siegrid.loewel[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0003120
    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Mit Hilfe einer minimal-invasiven optischen Methode wird die Aktivität im Gehirn der Maus sichtbar gemacht.
    Mit Hilfe einer minimal-invasiven optischen Methode wird die Aktivität im Gehirn der Maus sichtbar g ...
    Abb. Lehmann/Löwel
    None

    In einer Box bewegen sich Streifen über die Innenwände. Mäuse folgen den Streifen mit einer Kopfbewegung, was eindeutig vom Sehvermögen zeugt.
    In einer Box bewegen sich Streifen über die Innenwände. Mäuse folgen den Streifen mit einer Kopfbewe ...
    Foto: Schmidt
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).