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Nur die Täter - Stasi-Mitarbeiter - verweigerten die Auskunft bei der Recherche über die Ostbüros von SPD, CDU und FDP. Nun liegt die Publikation "Parteien im Kalten Krieg: Die Ostbüros von SPD, CDU und FDP" vom Bochumer Sozialwissenschaftler Wolfgang Buschfort vor und beleuchtet ein bislang kaum erforschts Gebiet.
Bochum, 02.01.2001
Nr. 1
Von "Agentenschuppen" und politischem Widerstand
Die Ostbüros der SPD, CDU und FDP
RUB-Politologe beleuchtet Kapitel deutsch-deutscher Geschichte
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Herbert Wehner bezeichnete es schlicht als "Agentenschuppen", für den CDU-Bundesvorsitzenden Helmut Kohl war es zu teuer und er
betrieb die Auflösung - die Rede ist von den Ostbüros der westdeutschen Parteien zu Zeiten des Kalten Krieges. Doch was diese Büros wirklich leisteten, wie sie gearbeitet haben und welche Funktion sie in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) hatten, ist bislang kaum erforscht. Licht ins Dunkel bringt nun Dr. Wolfgang Buschfort (Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB, Sektion Politikwissenschaft) mit einer Untersuchung, die vor kurzem im Verlag Ch. Links erschienen ist unter dem Titel "Parteien im Kalten Krieg: Die Ostbüros von SPD, CDU und FDP."
Stasi-Akten untersucht, aber die Täter schweigen
Die Studie über die Ostbüros der - damals - drei großen deutschen Volksparteien wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Buschfort hat sie zusammen mit Prof. Dr. Wilhelm Bleek (Lehrstuhl für Politikwissenschaft I) durchgeführt. Die Ergebnisse sind nun veröffentlicht als Band 19 der Reihe "Analysen und Dokumente", die der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR bei Ch. Links herausgibt. Sie basieren in erster Linie auf Erkenntnissen, die die Forscher aus den so genannten Stasi-Akten gewonnen haben. Zwei Jahre lang sichteten sie Akten der Staatssicherheit der DDR, der Parteien und Massenorganisationen sowie Protokolle von SPD, CDU und FDP. Interviews mit damals aktiven Personen ergaben zusätzliche Informationen. Herausgekommen ist dabei jetzt ein Buch, das dieses bisher vernachlässigte Kapitel deutsch-deutscher Geschichte aufhellt. Nur die Täter, vor allem Mitarbeiter der Staatssicherheit, wollten sich nicht befragen lassen. Zum Teil verleugneten sie sogar ihre Identität ...
Neue alte Nachrichten
Die Ostbüros wurden zwischen 1946 und 1950 formell ins Leben gerufen, als Antwort auf den kommunistischen Machtanspruch in der Sowjetischen Besatzungszone und die Unterdrückung der eigenen Parteifreunde dort. Den Anfang machte die SPD, die zeitweise über 40 Mitarbeiter beschäftigte, um für die SBZ/DDR Flugblätter zu drucken, über dieses Gebiet Nachrichten zu sammeln, auszuwerten und in Westdeutschland zu verbreiten. Buschfort konnte nachweisen, dass viele Nachrichten, die nach der Wende in der DDR 1989/90 angeblich völlig neu waren und die Menschen erschütterten, von der SPD schon 40 Jahre zuvor veröffentlicht wurden - etwa über den Uranbergbau und über anonyme Massengräber in Bautzen.
Tausende wurden verhaftet
"Die westdeutschen Parteien haben unter großen menschlichen und finanziellen Opfern versucht, aktiv gegen die Repression vorzugehen", schreibt Buschfort. Man sei der Auffassung gewesen, in einigen Jahren wieder frei im Osten arbeiten zu können - eine zu optimistische Auffassung. Für ihre Unterstützung der West-Parteien mussten zahlreiche ostdeutsche Parteifreunde in der DDR ins Gefängnis, viele starben dort, einzelne wurden hingerichtet. Und auch die Ostbüromitarbeiter im Westen blieben vom langen Arm der
Staatssicherheit nicht verschont: Sie wurden in die DDR entführt und zum Teil umgebracht, Mordanschläge wurden inszeniert und Verleumdungskampagnen gestartet.
Titelaufnahme
Buschfort, Wolfgang: Parteien im Kalten Krieg: Die Ostbüros von SPD, CDU und FDP. Ch. Links Verlag, Berlin 2000. 260 S., ISBN: 3-86153-226-3
Weitere Informationen
Dr. Wolfgang Buschfort, Fakultät für Sozialwissenschaft, Sektion Politikwissenschaft, Lehrstuhl für Politikwissenschaft I, GC 04/708, Tel.: 0234/32-25421, eMail: WolfgBuschfort@aol.com
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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