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Bakterielle Hirnhautentzündungen verursachen häufig bleibende Schäden im Nervensystem. Diese sind nicht nur auf die Aktivität der Krankheitserreger zurückzuführen, sondern entstehen auch durch die immunologische Abwehrreaktion. Eine Arbeitsgruppe an der Berliner Charité - Universitätsmedizin untersucht jetzt den Einfluss von Thrombopoietin auf das Gehirn bei bakterieller Meningitis. Thrombopoietin reguliert primär die Bildung von Blutplättchen, wird aber auch im Gehirn produziert. Welche Rolle es dabei im Rahmen einer bakteriellen Meningitis hat, soll in dem Forschungsprojekt geklärt werden.
Die bakterielle Meningitis ist eine der schwersten Infektionskrankheiten des Menschen. Das Krankheitsbild entsteht, wenn Bakterien in das zentrale Nervensystem eindringen und eine Entzündung der Hirnhäute (Meningen) verursachen. In Europa erkranken jährlich etwa 30.000 Menschen an bakterieller Meningitis, noch heute stirbt fast jeder Dritte dieser Patienten. Besonders gefährdet sind Frühgeborene und Neugeborene, bei denen in Deutschland jährlich etwa 300 Erkrankungsfälle auftreten. Die bakterielle Meningitis kann zu schweren Schäden im Nervensystem führen, welche Ursache einer bleibenden körperlichen und geistigen Behinderung sind.
Trotz der Fortschritte in der Intensivmedizin und der modernen Antibiotika-Behandlung sind die Langzeitschäden nur begrenzt vermindert worden. Das Augenmerk gilt deshalb der Erforschung der speziellen Entzündungsabläufe im Gewebe und der Suche nach Möglichkeiten, diese zu modulieren. In einer früheren, ebenfalls von der Wilhelm-Sander-Stiftung geförderten Kooperation zwischen Neurologie und Neonatologie an der Berliner Charité konnten dazu schon wichtige Erkenntnisse gewonnen werden.
So tragen nach heutigem Verständnis nicht nur die bakteriellen Erreger, sondern auch Zellgifte und Botenstoffe aus den Zellen des Immunsystems zur Schädigung des Gehirns bei. Auch hämatopoetische Wachstumsfaktoren, die primär die Bildung von Blutzellen im Knochenmark steuern, werden innerhalb des Gehirns produziert und können dort entzündliche und nervenschädigende Prozesse beeinflussen. Als Beispiele sind Erythropoietin (Epo), welches die Bildung roter Blutkörperchen reguliert und auch vom Doping bekannt ist, sowie der die Bildung weißer Blutkörperchen fördernde Faktor G-CSF zu nennen. Beide Substanzen können das Ausmaß von Gewebeschädigung und Zelltod z.B. nach einem Schlaganfall vermindern, indem sie zellschützende Signalwege aktivieren. Sie werden bereits in klinischen Studien beim Menschen erprobt.
Jüngst konnte, u.a. von der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Dame aus der Klinik für Früh- und Neugeborene, gezeigt werden, dass auch Thrombopoietin (Tpo), welches primär die Bildung der Blutplättchen (Thrombozyten) reguliert, im Gehirn gebildet wird. Über seine Funktion im Gehirn ist bislang nur sehr wenig bekannt. Erste Daten weisen darauf hin, dass Thrombopoietin während der Entwicklung des Gehirns den programmierten Zelltod 'überzähliger' Nervenzellen einleitet. Diese Funktion wird nach jüngstem Kenntnisstand auch in der Regenerationsphase nach einem Schlaganfall aktiviert. Im Nervenwasser von Frühgeborenen mit einer Schädigung des Nervensystems sind erhöhte Thrombopoietin-Konzentrationen messbar.
Die von der Wilhelm-Sander-Stiftung geförderte Gruppe um den Neurologen Priv.-Doz. Dr. Olaf Hoffmann und den Kinderarzt Prof. Dr. Christof Dame untersucht nun gezielt, ob Thrombopoietin zur Entstehung von Schäden am Gehirn bei bakterieller Meningitis beiträgt. Die Gruppe analysiert im Detail, welche Zellen (Nervenzellen, Stützzellen, Gefäßzellen) Thrombopoietin und seinen Rezeptor bilden und wie diese Zellen bei einer Entzündung/Meningitis durch Thrombopoietin beeinflusst werden. Diese Untersuchungen sollen zum Grundverständnis der durch Thrombopoietin vermittelten Signalwege bei Schädigung des Gehirns, z.B. durch die Meningitis, beitragen. Auch für die Behandlung des Schlaganfalls oder einer Hirnblutung könnten diese Erkennisse von Bedeutung sein. In ersten Daten aus der Arbeitsgruppe um Prof. Ehrenreich, Max-Planck-Institut Göttingen, konnte die schädigende Wirkung von Thrombopoietin durch Erythropoietin begrenzt werden. Darin sehen Hoffmann und Dame eine wichtige Rationale für die Erforschung des Thrombopoietins bei der Meningitis und ihren degenerativen, aber auch regenerativen Prozessen. Denn letztlich soll die Forschung zu einem verbesserten Konzept für den Schutz des Gehirns bei einer akuten Schädigung und einer Förderung der Regenerationsprozesse führen.
Kontakt:
Priv.-Doz. Dr. Olaf Hoffmann, Klinik für Neurologie, Charité-Universitätsmedizin Berlin. Telefon: +49 (30) 450560049 / E-mail:hoffmann@charite.de
Prof. Dr. Christof Dame, Klinik für Neonatologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin. Telefon: +49 (30) 450559006 / E-mail: christof.dame@charite.de
Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 110.000 €.
Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 160 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.
Weitere Informationen: www.wilhelm-sander-stiftung.de
Abbildung 1: Abgestorbene Nervenzellen (dunkelblau) im Gehirn einer Maus nach bakterieller Meningiti ...
Quelle: PD Dr. Hoffmann
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Abbildung 2: Zellen im neugeborenen Gehirn tragen den TPO-Rezeptor (grün dargestellt). Links: cp - c ...
Quelle: Prof. Dr. Ch. Dame
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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