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Krebszellen stammen von normalen Körperzellen ab und sind deshalb vom Immunsystem wie auch der Medizin so schwer zu bekämpfen. Einige Unterschiede - die als therapeutische Angriffspunkte dienen könnten - gibt es aber. So wird etwa das Transmembranprotein EpCAM, kurz für "Epithelial Cell Adhesion Molecule", besonders häufig und in stark erhöhter Zahl von Tumorzellen produziert. Für die Patienten bedeutet dieser Befund oft eine verminderte Überlebenszeit. Bislang aber war unklar, welche molekularen Funktionen EpCAM in den Tumorzellen übernimmt.
Ein internationales Team unter der Leitung Dr. Olivier Gires vom Helmholtz Zentrum München (Klinische Kooperationsgruppe Molekulare Onkologie) und von der LMU konnte nun in Zusammenarbeit mit der Firma Micromet zeigen, wie das Molekül die Zellteilung - und damit das Krebswachstum - fördert. "Diese Funktion von EpCAM könnte erklären, warum das Protein so häufig und verstärkt in Tumorzellen produziert wird", sagt Gires. "Das Protein dient bereits als Zielmolekül für therapeutische Antikörper, die derzeit als potentielles Krebsmedikament getestet werden. Dank der neuen Erkenntnisse zur Funktion von EpCAM sollte die Arbeit an Therapeutika aber deutlich verbessert und die Vermeidung unerwünschter Nebenwirkungen erleichtert werden." (Nature Cell Biology online, 11. Januar 2009)
Stamm- und Vorläuferzellen sind undifferenzierte Zellen, die sich in alle Zelltypen des Körpers entwickeln können. Sie tragen in ihrer Membran in hoher Molekülzahl das Protein EpCAM. Sobald aus den Stammzellen differenzierte Gewebezellen werden, stellen die Zellen die Expression von EpCAM weitestgehed ein. "Die Produktion des Proteins steht unter strenger Kontrolle", meint Gires. "Wahrscheinlich tritt es nur vorübergehend auf, wenn sich die Zelle in einer Phase der Proliferation befindet, also wächst und sich teilt." Es scheint aber, dass manche Zellen diese strikte Regulierung umgehen können. Denn auch Krebszellen und ihre Vorläufer produzieren häufig EpCAM in hoher Zahl. Dazu gehören unter anderem die Karzinome, die rund 80 Prozent aller bösartigen Tumoren ausmachen.
Es ist schon länger bekannt, dass eine überschießende Produktion von EpCAM typisch ist für viele Krebsarten, etwa Tumoren im Dickdarm und in der Brust. Bislang aber war die molekulare Funktion dieses Proteins in den Krebszellen weitgehend unklar. Weil EpCAM im gesunden Gewebe für die Adhäsion, also den Zusammenhalt der Zellen, wichtig ist, wurde in den Tumoren in erster Linie eine ähnliche Aufgabe vermutet - was aber die schlechte Prognose für Patienten mit EpCAM-tragenden Krebszellen nicht zufriedenstellend erklären kann.
In einer vorangegangenen Arbeit hat ein Team um Gires bereits gezeigt, dass EpCAM auch eine wichtige Rolle für das Krebswachstum spielt. Das Protein aktiviert unter anderem das Gen c-myc, was dann zur Zellproliferation führt. In der vorliegenden Arbeit konnten die Forscher die molekulare Basis für EpCAM-vermittelte Effekte umfassend aufklären. So zeigte sich, dass das Transmembranprotein durch zwei Enzyme in zwei Teile gespalten wird. Der außerhalb der Zelle befindliche Anteil EpEX löst sich ab. Der in der Zelle freigesetzte Teil EpICD wandert über mehrere Schritte - und mit Hilfe von Faktoren des sogenannten Wnt-Signalwegs - in den Zellkern und reguliert dort die Transkription von c-myc und anderen Genen.
"In gesunden Darmzellen zum Beispiel tritt dieser Effekt nicht auf", berichtet Gires. "Eine mögliche Erklärung ist, dass Faktoren fehlen, die EpICD das Eindringen in den Zellkern ermöglichen. So wurde bei Patienten mit einem Karzinom im Dickdarm gezeigt, dass EpICD nur bei Tumorzellen, nicht aber bei gesunden Zellen in den Kern wandert." Wie wichtig die Rolle des Transmembranproteins für die Krebsentstehung ist, zeigt sich auch daran, dass sowohl EpCAM als auch das Bruchstück EpICD Tumoren auslösen können, wenn sie in immundefiziente Mäuse injiziert werden.
"Bislang wurde EpCAM vorwiegend als relativ reaktionsträges Molekül gesehen, das nur für den Zusammenhalt von Zellen wichtig ist", so Gires. "Diese Sichtweise sollte sich jetzt gründlich ändern. Unsere Ergebnisse zeigen, warum EpCAM so häufig und in so großer Menge in Karzinomen produziert wird. Die Erkenntnisse zur genauen Funktion des Proteins könnten zudem die Entwicklung von Therapeutika deutlich verbessern - und auch helfen, unerwünschte Nebenwirkungen dieser Wirkstoffe zu vermeiden.
Die Tatsache, dass Krebsstammzellen EpCAM in Kombination mit weiteren Markern sehr stark überexprimieren, wird das Interesse für das Signal übertragende Protein nur noch steigern. Denn seit einigen Jahren häufen sich die Hinweise, dass diese genetisch veränderten Stammzellen für die Entstehung aller bösartigen Tumoren essentiell sind wie auch für deren Wiederkehr nach einer Therapie. Krebsstammzellen stellen damit vielversprechende neue Ziele therapeutischer Ansätze dar. "EpCAM kommt in eine neue Ära", meint Gires.
Publikation:
"Nuclear signalling by tumour-associated antigen EpCAM",
Dorothea Maetzel, Sabine Denzel, Brigitte Mack, Martin Canis, Philip Went, Michael Benk, Cuong Kieu, Peer Papior, Patrick A. Baeuerle, Markus Munz and Olivier Gires,
Nature Cell Biology online, 11. Januar 2009
Ansprechpartner:
Privatdozent Dr. Olivier Gires
Klinische Kooperationsgruppe Molekulare Onkologie, Helmholtz Zentrum München und Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, LMU
Tel.: 089 / 7095 - 3895
Fax: 089 / 7095 - 6896
E-Mail: olivier.gires@med.uni-muenchen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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