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Wissenschaft
DIE AG FRÜHE NEUZEIT DES HISTORIKERVERBANDES TAGT VOM 13. BIS ZUM 15. SEPTEMBER 2001 AN DER UNIVERSITÄT AUGSBURG: NACHHILFE FÜR DIE INFORMATIONSGESELLSCHAFT IN SACHEN GESCHICHTSBEWUSSTSEIN -
Die von neuen Medien bestimmte Kommunikationsgesellschaft stellt die Geschichte heute vor neue Herausforderungen. Den Verheißungen und Leistungen der High-Tech-Offensive und ihrer kommunikationswissenschaftlichen Auslegung fehlt der Rückhalt eines historischen Gedächtnisses. Die Informationsgesellschaft kennt ihre eigene Geschichte noch nicht. Hier setzt die "Arbeitsgemeinschaft Frühe Neuzeit" des Verbandes der Historiker Deutschlands an, zu der vom 13. bis zum 15 September 2001 in Augsburg 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem In- und Ausland erwartet werden. Tagungsthema: "Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit".
Die Kulturwissenschaften sind nicht nur Nutzer der elektronischen Systeme, sondern zu ihren Aufgaben gehört ihre kulturelle Deutung. Um die sich hier anbahnenden Veränderungen abzuschätzen, bedarf es einer weiten historischen Vergleichsperspektive. Die moderne Medienrevolution ist kein einmaliges Ereignis, sie muss sich an ihren Vorläufern messen lassen. Wer in das 'global village' einzieht, sollte das alteuropäische Dorfgeschwätz kennen. Informierte Informatiker wissen das. "Medientheorie muss sich hier nur stärker als Mediengeschichte begreifen", lautet der programmatische Schlusssatz einer kritischen Bestandsaufnahme von Werner Faulstich, die er bereits einzulösen begonnen hat.
DAS INTERNET: TRIUMPHALE RÜCKKEHR DES SCHRIFTTEXTES AUF ANDERER EBENE
Der Frühneuzeitforschung wächst hier eine besondere Aufgabe zu. Denn die Druckmedien, die seit Beginn der Neuzeit zum Einsatz kamen, bedeuteten eine gewaltige Erweiterung der Verbreitungsmöglichkeiten und Speicherleistung von Information und Wissen. Die typographische Verarbeitung hat die Weichen der europäischen Kultur für Jahrhunderte auf die Vorrangstellung des Schrifttextes gestellt. Was nach akustischen und bildlichen Formen der Fernkommunikation in den Netzen der Gegenwart geschieht, wird so auch als eine triumphale Rückkehr des Schrifttextes auf anderer Ebene erkennbar. Auch der Verschriftlichungsschub im Dienste der Administrationen gründet in Politik und Kultur der Frühen Neuzeit; Kaufmannskorrespondenzen, Gesandtschaftsberichte und Visitationsprotokolle sind Verständigungsmittel ihrer aufsteigenden Institutionen. Die methodische Ablage und Aufbereitung des Wissens in Archiven, Bibliotheken und Enzyklopädien fundierten die frühneuzeitliche europäische Wissensgesellschaft. Ebenso zu bedenken aber ist die materielle Infrastruktur der Kommunikationswege, die etwa in der neuen durchregulierten Nachrichtenpost geradezu spektakuläre Ausmaße annahm. Zwischen Reformation und Aufklärung entfalteten sich frühmoderne Öffentlichkeiten, in denen sich Informationsaustausch, Meinungspflege, Propaganda und Kommunikationspolitik multimedial entwickelten.
OBRIGKEITLICHE REGULIERUNG UND PARTIZIPATION DER UNTERTANEN
Aber Kommunikation in der Frühen Neuzeit folgte auch eigenen Wegen. In den dörflichen wie den städtischen Kommunikationsräumen kam den unterschiedlichen sozialen Netzwerken große Bedeutung zu. Im mikrohistorischen Zugriff gewährt der Kommunikationsaspekt Einblick in die Zusammenhänge von obrigkeitlichen Regulierungsmaßnahmen und Partizipation der Untertanen. Die kulturelle Inszenierung und das politische Zeremoniell bestimmen das frühneuzeitliche Inventar ordnungspolitischer Kommunikation. Körperliche, zeichenhafte und insbesondere mündliche Formen der Kommunikation bedürfen eigenwertiger Beachtung. Denn die schriftliche Überlieferung verzerrt auch unsere Wahrnehmung: Kommunikation fand noch weitgehend mündlich statt, in einer ubiquitären nonverbalen Sprache, deren historische Erforschung gerade erst beginnt. Die mit zunehmender Lese- und Schreibfähigkeit durchgesetzte Schriftkultur aber modifizierte auch diese Strukturen. Der Entwicklungspfad verläuft nicht immer linear und hält zwischen Mündlichkeit, Bildlichkeit und Schriftlichkeit viele Überraschungen bereit.
HISTORISCH RELEVANTES ORIENTIERUNGSWISSEN
Der Kongress geht von einem offenen Begriff von Kommunikation und Medien aus. Er behandelt einerseits klassische Medien wie Flugblätter, Flugschriften und Zeitungen, sowie historische Quellen, die von ihrem Mediencharakter her erschlossen werden, und er fragt nach den historischen Situationen, Konstellationen und Umgebungen, in denen ihr Zusammenwirken und die Art und Weise der Verständigung besonders aussagekräftig sind. Verschieden dimensionierte Kommunikationsräume (Dorf und Stadt, Region und Reich, Europa und die Welt) erschließen Wege und Typen der Information und reflektieren ihre geschichtliche Entwicklungsdynamik. Das liefert der gegenwärtigen Debatte das historisch relevante Orientierungswissen und eröffnet zugleich einen neuen Blick auf die Kultur der Frühen Neuzeit.
KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN:
Prof. Dr. Johannes Burkhardt/Dr. Christine Werkstetter
Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit
Universität Augsburg, 86135 Augsburg
Telefon 0821/598-5548, -5557, Fax -5501
e-mail: christine.werkstetter@phil.uni-augsburg.de
http://www.phil.uni-augsburg.de/phil2/Faecher/GESCHICH/FNZ.HTM
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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