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16.03.2009 15:44

Sich selbst nicht fremd werden - Dendritische Zellen sorgen für immunologische Toleranz

Luise Dirscherl Referat Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Fremd von Eigen zu unterscheiden, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Immunsystems. Kommt es dabei zu Störungen, werden körpereigene Strukturen angegriffen und Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 1 und Multiple Sklerose können entstehen. Schutz vor diesen Leiden bietet nur die Vernichtung aller Immunfaktoren, die sich gegen körpereigenes Gewebe richten - die immunologische Toleranz. Ein Team um den LMU-Forscher Dr. David Vöhringer hat nun untersucht, welche Rolle die Dendritischen Zellen bei diesem Prozess spielen.

    Seit längerem wird vermutet, dass diese für die Körperabwehr wichtigen Zellen auch für die Entstehung und Aufrechterhaltung der immunologischen Toleranz essentiell sind. "Wir haben Mäuse untersucht, denen dieser Zelltyp von Geburt an fehlt", berichtet Vöhringer. "Es hat sich gezeigt, dass bei diesen Tieren Immunzellen überleben, die körpereigenes Gewebe angreifen und so Autoimmunität auslösen. Die Dendritischen Zellen leisten also einen entscheidenden Beitrag zum Schutz vor Autoimmunerkrankungen." (Journal of Experimental Medicine, 16. März 2009)

    T-Zellen gehören zu den weißen Blutkörperchen und spielen eine entscheidende Rolle bei der Immunabwehr des Körpers. Jede dieser Zellen erkennt über einen Rezeptor an ihrer Oberfläche jeweils nur ein einziges Antigen. Dabei handelt es sich um molekulare Strukturen, meist Bruchstücke von Proteinen. Allerdings docken T-Zellen nicht an freie Antigene an, sondern sind auf deren Präsentation durch andere Zellen angewiesen. Zuständig sind hier in erster Linie, wenn auch nicht ausschließlich, die Dendritischen Zellen. Sie zeigen den T-Zellen verschiedene Strukturen: Ist das passende Antigen dabei, löst die T-Zelle eine Abwehrreaktion des Körpers aus.

    Auf diesem Weg werden Krankheitserreger und andere Eindringlinge abgewehrt. Gefährlich wird es aber für den Organismus, wenn das Antigen nicht fremd ist, sondern von körpereigenem Gewebe stammt. Dann entstehen durch die fehlgeleitete Abwehrreaktion möglicherweise schwere Autoimmunerkrankungen, die unbehandelt zur Zerstörung von Organen oder sogar zum Tode führen können. Sogenannte autoreaktive T-Zellen, die körpereigene Strukturen erkennen, müssen deshalb vollständig und früh vernichtet werden. Die Selektion der gefährlichen Einzelgänger findet im Thymus statt, das ist ein zweilappiges Organ im oberen Brustkorb. Jede einzelne T-Zelle wird getestet, und autoreaktive Zellen werden vernichtet.

    Die verbleibenden T-Zellen werden noch ein zweites Mal überprüft, und zwar in den peripheren lymphatischen Organen des Körpers: Es sind vor allem die Lymphknoten und die Milz, in denen diese ständige Qualitätskontrolle abläuft. Zuständig dafür sind, wie man seit kurzem weiß, ebenfalls die Dendritischen Zellen. Sie wandern dazu aus Geweben und Organen, etwa Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse, Lunge und Haut, kontinuierlich in die Lymphknoten ein und bringen Gewebsmaterial mit, das sie den T-Zellen präsentieren. Reagieren Immunzellen auf die körpereigenen Proteine, werden sie inaktiviert oder abgetötet.

    Doch die Aufgabe der Dendritischen Zellen beschränkt sich nicht nur auf diese periphere Toleranz, wie die neuen Ergebnisse zeigen. "Unsere Arbeit an Mäusen hat den Nachweis geliefert, dass ohne Dendritische Zellen auch die erste und zentrale Selektion von autoreaktiven T-Zellen im Thymus nur noch ineffizient funktioniert", berichtet Vöhringer. "Bei diesen Tieren verlassen auch T-Zellen, die auf körpereigenes Material reagieren, den Thymus. Sie werden dann in den peripheren Organen aktiviert - und lösen Autoimmunität aus." Damit sind die Dendritischen Zellen nicht nur für die Körperabwehr essentiell, sondern auch für die gesamte immunologische Toleranz des Körpers.

    Angesichts der entscheidenden Rolle, die diese Zellen spielen, stellt sich die Frage, wie ohne Dendritische Zellen überhaupt Autoimmunität ausgelöst werden kann. Schließlich übernehmen die Dendritischen Zellen verschiedene zentrale Aufgaben bei einer Immunantwort. "Sie sind unter anderem darauf spezialisiert, Antigene zu präsentieren, was überhaupt erst eine Reaktion der Körperabwehr ermöglicht", sagt Vöhringer. "Es bleibt also zu klären, welcher Zelltyp die autoreaktiven T-Zellen aktiviert, wenn mit den Dendritischen Zellen die vermutlich wichtigsten Antigen-präsentierenden Zellen des Immunsystems fehlen. Dafür gibt es bereits ein paar Kandidaten, deren Funktion wir jetzt genauer untersuchen werden." (suwe)

    Publikation:
    "Constitutive ablation of dendritic cells breaks self-tolerance of CD4 T cells and results in spontaneous fatal autoimmunity",
    Caspar Ohnmacht, Andrea Pullner, Susan B.S. King, Ingo Drexler, Stefanie Meier, Thomas Brocker, and David Voehringer,
    Journal of Experimental Medicine, 16. März 2009
    DOI: 10.1084/jem.20082394

    Ansprechpartner:
    Dr. David Vöhringer
    Institut für Immunologie der LMU
    Tel.: 089 / 2180 - 75646
    Fax: 089 / 2180 - 9975646
    E-Mail: david.voehringer@med.uni-muenchen.de
    Web: http://immuno.web.med.uni-muenchen.de/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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