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Wissenschaft
78/97 - 01.08.1998
Europa-Lust und SOKRATES-Frust
GhK-Erfolg bei Auswahlverfahren/Große Nachfrage und wenig Geld
Kassel. Die Europäische Union (EU) stellt der Universität Gesamthochschule Kassel (GhK) im Rahmen des SOKRATES/ERASMUS-Programms für das Hochschuljahr 1997/98 insgesamt knapp 280.000DM zur Verfügung. Nach den jetzt von der EU-Kommission bekannt gegebenen Auswahlergebnissen erhält dieGhK knapp 70.000 DM als Zuschuß für die von ihr beantragten Projekte zur Organisation des europäischen Studentenaustauschs, für Dozentenaustausch, die Anbahnung neuer Kontakte und für die Einführung des europäischen Systems zur gegenseitigen Anerkennung von Studienleistungen ECTS (European Credit Transfer System). Mit rund 210.000 DM, die der GhK im Rahmen des Programms über den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) zugesagt wurden, können Studierende bei einem Auslandssemester an einer europäischen Partneruniversität gefördert werden. Obwohl die Kasseler Uni damit bei dem Auswahlverfahren doppelt so gut abschnitt wie der Durchschnitt der deutschen Hochschulen, ist man auch an der GhK - wie an allen europäischen Hochschulen - mit der Förderung keineswegs zufrieden. ,Das Mißverhältnis zwischen dem enormen europäischen Engagement an den Hochschulen und den kläglichen Brüsseler Fördersummen wird immer krasser", so Dr. Bernt Armbruster, Leiter der Abteilung für Information und Internationale Beziehungen.
Rund 1.600 Hochschulen in Europa waren im letzten Jahr dem Aufruf der EU-Kommission gefolgt und hatten für das SOKRATES/ERASMUS-Programm - erstmals mit einem die ganze Hochschule umfassenden Antrag - ihre Strategie zur europäischen Zusammenarbeit formuliert und zugleich eine Vielzahl von daraus folgenden Einzelaktivitäten für grenzüberschreitende Netzwerke und für die Europäisierung ihrer Hochschulausbildung vorgeschlagen. Insgesamt hatten die europäischen Hochschulen für diesen Programmteil Mittel in neuer Rekordhöhe von 485 Mio. DM beantragt, denen bei der Brüsseler EU-Kommission aber nur ein Budget von ganzen 48,5 Mio. gegenüberstand: Damit fielen im Rahmen des Auswahlverfahrens für jede Hochschule durchschnittlich allenfalls 10 Prozent Fördermittel an - im Vergleich zur Aufwendigkeit des Antragsverfahrens und zu den dahinterstehenden Anstrengungen der Hochschulen ein enttäuschendes Resultat.
Große Nachfrage und wenig Geld kennzeichnet auch den Programmteil von SOKRATES/ERASMUS, mit dem Studierende im europaweiten Austausch für ein oder zwei Semester Beihilfen für ihre zusätzlichen Kosten erhalten. Hier hatten die europäischen Hochschulen für über 180.000 Studierende Fördermittel beantragt - bei einem EU-Budget von insgesamt 138,5 Mio. DM, von dem nun 22,7 Mio über den DAAD an deutsche Hochschulen gehen: Rechnerisch, so die Überschlagskalkulation des DAAD, sinkt der Fördersatz je Student damit auf gerade noch 100 DM im Auslands-Monat ab. In Deutschland beteiligten sich insgesamt 240 Hochschulen an der Ausschreibung, die im Durchschnitt für das Hochschuljahr 97/98 nun 30.000 DM für ihre eigenen europäischen Aktivitäten erhalten und 100.000 DM die Auslandsaufenthalte ihrer Studierenden.
Trotz des überdurchnittlich guten Abschneidens der Kasseler Uni kann deshalb auch hier nur ein Bruchteil der europäischen Aktivitäten gefördert werden. Die Kasseler Studierenden, für die im Rahmen von Verträgen mit europäischen SOKRATES-Partneruniversitäten rund 300 Auslandstudienplätze zur Verfügung stehen, können je nach Umfang der einzelnen Austauschprojekte mit Beihilfen von mindestens 100 und maximal 400 DM pro Monat rechnen. BAföG-Berechtigte erhalten monatlich nur 100 DM, da sie zusätzlich Auslands-BAföG beantragen können. Alle Austauschstudierenden sind im Rahmen des Programms überdies von Studiengebühren an der Gasthochschule befreit und die akademische Anerkennung ihrer Studienleistungen im Ausland ist durch Vereinbarungen mit den Partner-Unis gesichert.
Im Rahmen des allgemeinen SOKRATES-Vertrags werden an der GhK mit den bewilligten Mitteln die Organisation des Studentenaustauschs, der Austausch von Dozenten, die Anbahnung neuer Aktivitäten sowie die Vorbereitung des ECTS für Studienangebote in den Fachbereichen Anglistik/Romanistik, im Fachbereich Elektrotechnik sowie im Fachbereich Erziehungswisenschaften gefördert. Die an der GhK geplanten Projekte in der europäischen Lehrplanentwicklung - wie Intensivprogramme, Studienprogramme für Fortgeschrittene oder die Entwicklung gemeinsamer europäischer Studien-Module mit Partneruniversitäten - fielen jedoch der rigiden Mittelknappheit des Programms zum Opfer und gingen leer aus.
,Für mich ist das europäische Engagement der Hochschulangehörigen im SOKRATES/ERASMUS-Programm bewundernswert, wenn man bedenkt, wie kärglich diese Bemühungen am Ende durch die EU gefördert werden", so Dr. Armbruster. Zwar sei - jedenfalls an der Kasseler Uni - von Europamüdigkeit wenig zu spüren, wobei allerdings die GhK auf ihre internationale Ausrichtung auch besonderen Wert lege. Europa-Frust könne sich allerdings auch bei den Engagiertesten breitmachen, wenn die Entscheidungsträger in Brüssel mit den intensiven Bemühungen der europäisch orientierten Unis nicht Schritt halten. So sei man nicht nur in Kassel empört gewesen, mit welchen Bedingungen, Auflagen und bürokratischen Kontrollen die EU-Kommission die Hochschulverträge zunächst habe verknüpfen wollen. Erst die Proteste und die aktiven Einsprüche der Hochschulen und ihrer Organisationen hätten schließlich die ,Entschärfung der schlimmsten bürokratischen Auswüchse" verhindert. Und auch der finanzielle Rahmen für das Programm müsse entschieden erweitert werden, ,wenn das europäische Zusammenwachsen im Hochschulbereich nicht an akuter Unterernährung eingehen soll".
Nichtsdestotrotz wird auch die Kasseler Uni an der mühsamen und spärlichen Brüsseler SOKRATES-Quelle weiterbohren: Der nächste Antrag für das Hochschuljahr 98/99 muß bereits im Herbst der EU-Kommission vorgelegt werden, letzter Termin für Anträge aus den Fachbereichen der GhK beim Akademischen Auslandsamt ist der 15. Oktober 1997.
Infos zum Thema: Dr. Armbruster, T: (0561) 804-2217
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