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Wissenschaft
Institut am Universitätsklinikum Jena weist Infektionsrisiko bestimmter Berufsgruppen nach
(Jena) Schweinemäster, Schlachter und Tierärzte haben ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit Schweineinfluenzaviren. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle, noch unveröffentlichte Untersuchung, die am Institut für Virologie und Antivirale Therapie des Universitätsklinikums Jena (UKJ) durchgeführt wurde. In dieser Studie wurden 2008 und 2009 Serumproben von Schweinemästern, Schlachtern und Tierärzten aus Thüringen auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen Europäische Schweineinfluenzaviren getestet.
Durch den häufigen und engen Kontakt zu Schweinen gelten diese Berufgruppen als besonders infektionsgefährdet. "Das konnten wir jetzt wissenschaftlich belegen", so der Studienleiter PD Dr. Roland Zell. "Bei etwa einem Sechstel der Untersuchten fanden wir Antikörper gegen mindestens einen der drei zirkulierenden Virussubtypen." Die Jenaer Studie ist die erste Untersuchung, die seit dem Auftreten der Europäischen Schweineinfluenzaviren vor 30 Jahren aufgrund ihres Studiendesigns ein statistisch abgesichertes, signifikant erhöhtes Infektionsrisiko beruflich exponierter Personen nachweisen kann.
Man muss betonen, dass die Europäischen Schweineinfluenzaviren mit den derzeit in Mexiko auftretenden Viren nur entfernt verwandt sind. Die Wissenschaftler unterscheiden mindestens vier verschiedene Typen von Schweinegrippeviren aufgrund deren genetischer Ausstattung. Infektionen mit dem europäischen Typ verlaufen nicht tödlich und können mit einer milden Grippesymptomatik verbunden sein. "Die Häufigkeit dieser Infektionen bedeutet aber ein erhöhtes Risiko für die Bildung neuer Viruskombinationen nach einer Durchmischung mit menschlichen Influenzaviren", wertet Institutsdirektor Prof. Dr. Peter Wutzler die Ergebnisse der Studie.
Die Jenaer Virologen untersuchen seit 2005 Europäische Schweineinfluenzaviren. Ziel dieser Arbeiten ist ein vertieftes Verständnis der Evolution dieser Viren, die Erforschung ihres zoonotischen Potenzials und ihrer Empfänglichkeit gegenüber antiviral wirksamen Substanzen.
Kontakt:
Prof. Dr. Peter Wutzler
Institut für Virologie und Antivirale Therapie
Universitätsklinikum Jena
E-Mail: Peter.Wutzler[at]med.uni-jena.de
Hintergrundinformation zur Schweineinfluenza
Influenza-A-Viren sind behüllte Viren mit einem Genom aus 8 RNA-Segmenten. Sie kommen bei Menschen, Vögeln und verschiedenen Säugetierarten insbesondere Schweinen und Pferden vor. Wesentliches Charakteristikum der Influenzaviren sind Reassortierungen, also das Auftreten von Neukombinationen der Gensegmente nach Doppel- oder Mehrfachinfektion des Wirts.
Schweineinfluenzaviren lassen sich entsprechend ihrer genetischen Ausstattung in mindestens vier Gruppen einteilen:
1. Klassische Schweineinfluenzaviren (classical swine influenza viruses):
1 Subtyp: A/H1N1. Classical swine Viren wurden erstmals 1930 isoliert, aber als Erkrankung bei Schweinen schon 1918 während der großen Pandemie beschrieben. Nachweis dieser Viren zunächst in Nordamerika, Verbreitung auch in Asien und Europa. Zoonotische Infektionen des Menschen mit diesen Viren können Erkrankungen mit Influenzasymptomatik auslösen. 1976 und 1988 wurden auch tödlich verlaufene Infektionen mit diesen Viren beschrieben, Mensch-zu-Mensch-Übertragung nachgewiesen, Infektionsketten brachen aber bislang immer nach wenigen Tagen/Wochen ab.
2. Reassortanten der Klassischen Schweineinfluenzaviren:
3 Subtypen: A/H3N2, A/H1N2, A/H1N3. Diese Viren entstanden auf der Basis der Klassischen Schweineinfluenzaviren durch Reassortierung mit humanen H1N1- und H3N2-Viren und treten seit 1998 in Nordamerika auf. Diese Viren enthalten neben einigen Gensegmenten der Klassischen Schweineinfluenzaviren auch solche aviärer und humaner Viren. Zoonotische Infektionen des Menschen mit der typischen Grippesymptomatik wurden beschrieben. Keine Infektion verlief bislang tödlich.
3. Europäische Schweineinfluenzaviren:
3 Subtypen: A/H1N1, A/H1N2, A/H3N2. 1979 trat in Arnsberg erstmals ein neues Virus in Schweinen auf, das vom Vogel (wahrscheinlich Ente) komplett (alle 8 Segmente) auf Schweine übertragen worden war und sich sehr schnell in der europäischen Schweinepopulation ausbreitete. Dieses Virus wird deshalb als "avian-like" A/H1N1 bezeichnet. Das Arnsberger Virus wurde kürzlich in Jena komplett sequenziert. Reassortierungen des avian-like H1N1 mit humanen Viren führten 1984 zu einem "human-like" A/H3N2-Virus mit 2 humanen und 6 aviären Segmenten. Beide Subtypen verdrängten bis 1993 die in Europa zirkulierenden Klassischen Schweineinfluenzaviren. Weitere Reassortierungen ließen 1994 in England/Schottland schließlich ein "human-like" A/H1N2-Virus entstehen, ebenfalls mit 2 humanen und 6 aviären Gensegmenten. Alle drei Subtypen zirkulieren bis heute. Europäische Schweineinfluenzaviren sind weit verbreitet: In mehr als 80 % der deutschen Schweineherden hatten die Tiere Kontakt mit diesen Viren. Die europäischen Schweineinfluenzaviren haben eine Besonderheit: Sie sind alle seit 20 Jahren resistent gegen die antiviralen Substanzen Amantadin und Rimantadin. Zoonotische Infektionen des Menschen mit den europäischen Schweineinfluenzaviren wurden in Einzelfällen beschrieben. Eine 2008/09 vom Institut für Virologie und Antivirale Therapie des Universitätsklinikums Jena durchgeführte Studie zeigt, dass bei Schweinemästern, Schlachtern und Tierärzten aus Thüringen zoonotische Infektionen mit europäischen Schweineinfluenzaviren nicht selten sind: 15 % der beruflich exponierten Studienteilnehmer wiesen Antikörper gegen die getesteten Schweineinfluenzaviren auf, die Mehrzahl besaß Antikörper gegen zwei oder drei der zirkulierenden Subtypen. Die europäischen Schweineinfluenzaviren verursachen eine milde Influenzasymptomatik, Todesfälle kamen bislang nicht vor. Da Kinder ohne direkten Kontakt mit Schweinen infiziert wurden, ist eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung wahrscheinlich. Die Infektkette bricht aber schnell ab.
4. Neuartige Schweineinfluenzaviren aus Mexiko:
Subtyp A/H1N1. Diese Viren entstanden durch eine Reassortierung aus Viren der zweiten und dritten Gruppe. Sie enthalten Gensegmente, die ursprünglich aus aviären, porzinen und humanen Influenzaviren stammen. Sie besitzen die Amantadinresistenz der Europäischen Schweineinfluenzaviren, sind aber empfänglich für die Neuraminidasehemmer Tamiflu und Relenza. Das Virus ist von Mensch-zu-Mensch übertragbar. In Mexiko wurden zahlreiche Menschen mit diesem Virus infiziert. Es löst dort eine schwere Influenzasymptomatik mit zahlreichen tödlichen Krankheitsverläufen aus. Die in anderen Ländern bekannt gewordenen Infektionen verliefen milde ohne Todesfälle. Die Ursache hierfür ist noch unbekannt.
Als "Kuriosa" wurden bislang zwei Reassortanten aus Europäischen und Klassischen Schweineinfluenzaviren angesehen: 2004 wurde auf den Philippinen ein A/H1N2 und 2005 in Thailand ein A/H1N1 aus Menschen isoliert. Es handelte sich dabei um Einzelfälle. Über eine Verbreitung bei Schweinen ist nichts bekannt, obwohl sich diese Viren als Reassortanten darstellen aus 6-7 Segmenten der Europäischen Schweininfluenzaviren und 1-2 Segmenten des Klassischen Schweineinfluenzavirus. Beide Viren sind Amantadin-resistent.
Neben Infektionen mit Schweineinfluenzaviren werden Schweine häufig auch mit humanen Influenzaviren infiziert. Solche Transspezies-Infektionen ermöglichen erst Reassortierungen. Das Übertragungsrisiko für solche Infektionen lässt sich durch vorsorgliche Influenzaschutzimpfungen des Personals reduzieren, wenn auch nicht mit absoluter Sicherheit ausschließen.
Kontakt:
Prof. Dr. Peter Wutzler
Institut für Virologie und Antivirale Therapie
Universitätsklinikum Jena
E-Mail: Peter.Wutzler@med.uni-jena.de
http://www.med.uni-jena.de/virologie - weiterführende, ständig aktualisierte wissenschaftliche Informationen zum Schweineinfluenzavirus.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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