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Im Fokus der neuen Studie von Dresdner und Berliner Wissenschaftlern stehen aus adulten Stammzellen hervorgehende Körnerzellen des Hippocampus zusammen mit der Frage, wie diese die Verknüpfung von Erfahrungen und neuen Eindrücken beeinflussen.
Sie sind nur wenige Mikrometer groß und leisten Erstaunliches: Im erwachsenen Gehirn geborene Körnerzellen des Hippocampus. Sie ermöglichen ein flexibles Lernen in einer sich verändernden Umwelt und erlauben es dem Gehirn, selbst winzige Unterschiede gezielt wahrzunehmen und diese neben bereits gemachten Erfahrungen abzuspeichern. Diese Erkenntnisse sind das Ergebnis einer Studie von Forschern am Dresdner DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien (CRTD) und der Berliner Charité. In der interaktiven online Zeitschrift PLoS ONE stellen die Forscher ihre Analyse vor.
Die genaue Funktion von neuen, aus bereits vorhandenen Stammzellen geborenen Körnerzellen (Nervenzellen) im erwachsenen Hippocampus ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geklärt. Um etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen, entwickelte die Forschungsgruppe um Prof. Gerd Kempermann vom CRTD ein Analyseverfahren, welches ermöglicht, qualitative Aspekte des Lernens und die Rolle von Körnerzellen in diesem Prozess zuverlässig abzubilden. Dazu wurde die Neubildung von Körnerzellen im erwachsenen Gehirn von Mäusen unterdrückt. In einem Morris-Wasserlabyrinth mit versteckter Plattform beobachteten die Forscher danach fünf Tage lang das Verhalten behandelter und unbehandelter Mäuse auf der Suche nach einer im Wasser verborgenen Plattform. Die Schwimmmuster wurden mit einem Algorithmus statistisch ausgewertet. Die Forscher interessierte bei der Beobachtung nicht vorrangig wie schnell die Mäuse zur Plattform schwammen, sondern welche Suchstrategien die Tiere dabei verwendeten. "Beide Testgruppen fanden die Plattform, die behandelten Mäuse verwendeten jedoch weniger effektive Strategien, um sie zu finden", so Gerd Kempermann. "Nach drei Tagen änderten wir die Position der Plattform. Auch hier fanden beide Gruppen das neue Ziel, die behandelten Mäuse suchten allerdings für eine längere Zeit an der alten Position", erklärt Kempermann. "Wir schlussfolgerten daraus, dass der Mangel an neugeborenen Körnerzellen dafür verantwortlich ist, dass die Mäuse die neue Aufgabe zunächst nicht effektiv erlernen konnten. Die Tieren konnten auf das Auftreten einer neuen, jedoch sehr ähnlichen Situation nicht flexibel reagieren."
Die auf einem mathematischen Modell beruhende Hypothese der Wissenschaftler in dieser Studie ist, dass neue Körnerzellen im Gyrus dentatus (Teil des Hippocampus) das Risiko ungünstiger Wechselwirkungen zwischen bereits gemachten Erfahrungen und neuen Gedächtnisinhalten erheblich verringern. Ihnen kommt daher zur Aufrechterhaltung kognitiver Flexibilität eine wichtige Rolle zu. Dr. Alexander Garthe, Postdoc bei Kempermann, fasst die Ergebnisse der Studie zusammen: "Unsere Studie bestätigt, dass adulte Neurogenese, also das Entstehen neuer Nervenzellen im erwachsenen Gehirn, wichtige Aspekte des Lernens beeinflusst. Die neuen Körnerzellen werden gebraucht, um neue Informationen aus der Umwelt effizient mit zuvor gemachten Erfahrungen zu integrieren. Dies gilt besonders dann, wenn der Unterschied zwischen bereits vorhandenen Erinnerungen und neuen Inhalten nur sehr klein ist."
Es wird angenommen, dass adulte Neurogenese auch bei neurodegenerativen Erkrankungen des Menschen wie z.B. der Alzheimer Demenz eine wichtige Rolle spielt. Die Ergebnisse dieser Studie erweitern also nicht nur unser Verständnis der neurobiologischen Grundlagen von Lernvorgängen sondern sie können dazu beitragen, neue Therapien auf der Grundlage bereits im Gehirn vorhandener Stammzellen zu entwickeln.
Publikation: Garthe A, Behr J, Kempermann G. Adult-generated hippocampal neurons allow the flexible use of spatially precise learning strategies. PLoS ONE. May 7, 2009
Den vollen Artikel können Sie unter http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0005464 einsehen und herunterladen.
Hintergrund: DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD)
Das CRTD wurde im Oktober 2006 als das Exzellenzcluster der TU Dresden "From Cells to Tissues to Therapies" in der Exzellenzinitiative des Bundes bewilligt und ist bisher das einzige in den neuen Bundesländern. Die Forschung im Zentrum hat zum Ziel regenerative Therapien für Krankheiten, wie Diabetes, Parkinson, oder Herz-Kreislauferkrankungen zu entwickeln. Das CRTD hat einen interdisziplinären Netzwerkcharakter mit etwa 80 Mitgliedern aus verschiedenen Forschungseinrichtungen Dresdens und mehreren Partnern aus der Wirtschaft.
Kontakt für Journalisten:
Katrin Bergmann, Pressesprecherin CRTD
Tel.: 0351 463 40347, E-Mail: katrin.bergmann@crt-dresden.de,
Prof. Gerd Kempermann, Professor am CRTD
Tel.: 0351 463 40086, E-Mail: gerd.kempermann@crt-dresden.de
Dr. Alexander Garthe, Postdoc in der Gruppe von Prof. Kempermann
Tel.: 0351 463 40165, E-Mail: alexander.garthe@crt-dresden.de
http://www.crt-dresden.de Website des DFG-Forschungszentrums für Regenerative Therapien Dresden
Abbildung von Maus auf versteckter Plattform im Morris-Wasserlabyrinth. Im Bild ist auch ein Plot mi ...
Copyright: Prof. Gerd Kempermann und Dr. Alexander Garthe
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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