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29.05.2009 11:11

Anstiftung zu Bürgersinn und gesellschaftlicher Verantwortung

Manuela Heberer Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Volkhard Knigge, Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, zum Professor für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit der Universität Jena berufen

    Jena (29.05.09) Hoher Staatsbesuch wird am 5. Juni in Weimar-Buchenwald erwartet - der amerikanische Präsident Barack Obama besucht die Gedenkstätte. Die Anfragen für Interviews sind für den Gedenkstättendirektor Volkhard Knigge kaum noch zu bewältigen. Für den neu ernannten Professor für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit der Friedrich-Schiller-Universität Jena ist das Ereignis auch ein Lehrstück, wie Politik und Medien historische Momente für die Öffentlichkeit kreieren.

    Wie stets macht sich der Historiker, der nach Forschungsaufenthalten in Paris und einer Tätigkeit am Kulturwissenschaftlichen Institut des Wissenschaftszentrums NRW 1992 als Dozent nach Jena kam, für Aufklärung und einen angemessenen Umgang mit dem historischen Ort stark. Und er sucht den Dialog - wenn möglich werden auch einige seiner Jenaer Studenten mit Obama diskutieren.

    Für seine Promotion (1986) hat sich Knigge mit geschichtsdidaktischen Konzepten vom "trivialen" Geschichtsbewusstsein beschäftigt. Statt die Faszinationspotenziale von Geschichte zu verwerfen oder didaktisch einzuhegen, versucht er, "Vergangenheitsbedürfnisse" zu verstehen und ernst zu nehmen. Jeder Impuls, sich mit Geschichte zu beschäftigen, ist für ihn ein Anknüpfungspunkt. "Wir müssen Menschen in ihrer Lebenswelt abholen, ohne die wissenschaftlichen Standards aufzugeben."

    Historische Vorstellungskraft ohne Emotion nicht möglich

    Über die Vorstellung, dass die Beschäftigung mit Vergangenheit stets nur ernste Mienen einfordere, muss er lachen. "Geschichte kann auch Vergnügen bereiten." Ohne Phantasie und Emotion sei keine historische Vorstellungskraft und Erkenntnis zu gewinnen. Nur dürfe man dabei nicht stehen bleiben. Wenn Geschichte nur mehr funktionalisiert oder als augenblicksbezogenes Event gefeiert wird, Geschichte zur beliebigen Ware wird und mediale Technologien und Formate die reflektierte Auseinandersetzung mit den Inhalten behindern, dann droht buchstäblich Ausverkauf, die Preisgabe jeden Anspruchs auf historische Erkenntnis, so der Jenaer Professor. Das sei nicht kulturpessimistisch gemeint, betont Knigge. Im Gegenteil, die Neuen Medien bieten wie die alten Medien auch interessante Potenziale für den differenzierten Umgang mit historischen Überresten und Darstellungen von Geschichte - sich darüber auch interdisziplinär zu verständigen, ist ihm ein wichtiges Anliegen.

    Im Sinne einer "Denk- und Berufswerkstatt" will sich Knigges Lehrstuhl der kritischen Erkundung signifikanter Entwicklungen der Geschichtskultur und neuer Arbeitsfelder für Historiker, ihren Grundlagen und Bedingungen widmen. Besonders die "Geschichtswirtschaft" müsse dabei als bislang weit gehend unerforschter Dimension mehr Aufmerksamkeit erhalten. Statt zu vermitteln, wie man den boomenden Geschichtsmarkt noch gewinnträchtiger bedienen könnte, soll erkundet werden, wie Historiker ihrer Rolle als Kritiker von Geschichte als Demagogie, Legitimation, Identitätspolitik oder Ware unter den aktuellen ökonomischen, politischen und ästhetisch-medialen Bedingungen gerecht werden können.

    Geschichtsbilder nicht als vorgegeben betrachten

    "Die intellektuellen Ressourcen der Gedenkstätte als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit" werden demnächst für ein Praktikum genutzt, das "überdurchschnittliche Studierende für einen festen Zeitraum in die Arbeit der Gedenkstätte integriert und sie mit dem nötigen Handwerkszeug für die Praxis vertraut macht". Bereits jetzt bezieht Knigge seine Studierenden in laufende Projekte ein, etwa bei Vorbereitungen für die erste Ausstellung in Deutschland über die Geschichte des GULags oder die internationale Wanderausstellung zur Geschichte der NS-Zwangsarbeit, die für 2010 geplant ist.

    Wie seit 1994 als Gedenkstättendirektor und Ausstellungsmacher möchte Knigge auch als Professor der Universität dazu beitragen, Geschichtsbilder nicht als vorgegeben zu betrachten, sondern Menschen dazu befähigen, kritisch und selbstreflektiert mit überkommenen und gegenwärtigen Vor- und Darstellungen von Geschichte umzugehen. Universitäre Lehre und Forschung soll eine ermutigende, praxisbezogene Anstiftung sein, als "citoyen" zu handeln: "Der Mensch ist nicht nur Geschichtskonsument, sondern Staatsbürger, der den Gang der Entwicklung mitgestalten kann."

    Kontakt:
    Prof. Dr. Volkhard Knigge
    Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Fürstengraben 13, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944480
    E-Mail: v.knigge[at]buchenwald.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Der neue Professor für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit der Universität Jena, Prof. Dr. Volkhard Knigge.
    Der neue Professor für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit der Universität Jena, Prof. Dr. Volkh ...
    Foto: Peter Scheere/FSU
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften
    regional
    Personalia
    Deutsch


     

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