idw - Informationsdienst
Wissenschaft
Jena (27.03.01) Als einen frühen Vorreiter der "Globalen Ethik" hat der Jenaer Theologie-Professor Dr. Udo Tworuschka den Religionswissenschaftler Gustav Mensching (1901-78) entdeckt. Mensching untersuchte bereits zu Zeiten, als in Deutschland der Nationalsozialismus mit seinen ethnisch geprägten Wertvorstellungen vorherrschte, die großen Weltreligionen vorbehaltsfrei und erkannte eine Universalethik mit menschheitsverbindenden Werten. Davon handelt eines seiner Hauptwerke "Gut und Böse im Glauben der Völker", das 1941 ( 2. Auflage 1951) erschien. Am 6. Mai 2001 wäre Gustav Mensching 100 Jahre alt geworden.
"Seine Ethik ist gegen die rassistischen Ideologien geschrieben", bemerkt Tworuschka. "Vor allem ist es in der damaligen Zeit erstaunlich, dass er aus einem religionsvergleichenden Ansatz die ethische Verantwortung bereits bei einem entscheidungsautonomen Individuum sucht und nicht in das Kollektiv einer ,Volksgemeinschaft' verlegt." Damit steht Mensching im Widerspruch zu den Auffassungen seiner Zeit und nimmt bereits moderne Überlegungen vorweg, wie sie etwa der Tübinger Theologe Hans Küng anstellt.
Gustav Mensching hatte seit 1927 eine Professor in Riga inne, dann seit 1936 in Bonn und gilt als einer der maßgeblichen Begründer der "Religionswissenschaft des Verstehens" in Deutschland. Zu seinen Verdiensten gehört es, sein Fach gegenüber den Theologien einerseits und den orientalistischen Disziplinen andererseits etabliert zu haben. Auch wenn der Gelehrte betont, dass Religionswissenschaft keine Wahrheits- und Wertfragen beantworten kann, so ergibt eine Re-Lektüre seiner werke, dass sie eine starke ethische Ausrichtung besitzen.
"Damit hatte er vollkommen recht", erläutert Tworuschka. "Denn die grundlegenden Wertvorstellungen findet man in allen großen Weltreligionen gleichermaßen und nur in leicht unterschiedlichen Nuancen formuliert." So entspricht etwa dem christlichen Gebot "Du sollst nicht töten" der buddhistische Glaubenssatz "Ich will nicht töten". Auch der Koran bestätigt für die islamische Welt, dass wenn jemand einen Menschen töte, diese Tat genauso verwerflich sei wie ein Mord an der ganzen Menschheit. "Dahinter steckt die ethische Überzeugung, dass das Leben eines jeden Menschen an sich wertvoll und nicht aufrechenbar ist", erklärt Udo Tworuschka.
Ähnlich verhalte es sich mit anderen ethischen Werten, etwa der Toleranz oder der Menschenwürde. "Die großen Religionen sind die Hüter des menschheitlichen Ethos", fasst Tworuschka unter Berufung auf Mensching zusammen. Gerade in Zeiten eines grassierenden religiösen Fundamentalismus lohne es sich, die ursprünglichen Texte genau zu studieren - und darin die Illegitimität der fundamentalistischen Ideologien bestätigt zu finden. Gerade deshalb lohne sich aber auch, Gustav Mensching wieder zu lesen und neu zu entdecken.
Der Religionswissenschaftler Udo Tworuschka unternimmt dies in einem eigenen Forschungs- und Editionsprojekt. Sein Buch "Religionswissenschaft und ethische Verantwortung. Weltethos und Toleranz bei Gustav Mensching" soll im nächsten Jahr erscheinen. An der Universität Jena beginnt am 17. Mai um 18.15 Uhr eine Reihe mit "Gustav Mensching-Vorlesungen für religiöse Toleranz"; in Hörsaal 235 im Unihauptgebäude spricht Prof. Dr. Richard Friedli (Fribourg) über "Toleranz und Intoleranz als Thema der Religionswissenschaft".
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Udo Tworuschka
Lehrstuhl für Religionswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Tel.: 03641/941160 oder 941000, Fax: 941002
E-Mail: y5udtw@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Univeristät Jena
Dr. Wolfgang Hirsch
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Fürstengraben 1
D-07743 Jena
Telefon: 03641 · 931030
Telefax: 03641 · 931032
E-Mail: roe@uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Philosophie / Ethik, Religion
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).