idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
18.06.2009 10:36

Von der Biophysik zur Neurobiologie - Ernst Bamberg erhält den Wissenschaftspreis des Stifterverbandes 2009

Barbara Abrell Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

    Der Biophysiker Ernst Bamberg wird für seine fundamentalen Arbeiten auf dem Gebiet der Membranbiophysik ausgezeichnet, die zur Entdeckung und neurobiologischen Anwendung lichtaktivierbarer Ionenkanäle, der sogenannten Channelrhodopsine geführt haben.

    Die Anwendung dieser einzigartigen Kanäle und der lichtgetriebenen Chloridpumpe Halorhodopsin hat eine Revolution in der Neurobiologie ausgelöst, da es jetzt möglich ist, Nervenzellen im Gehirn durch Licht ein- und abzuschalten. Mit der Entdeckung der Channelrhodopsine wurde das neue, inzwischen weltweit bearbeitete Gebiet der Optogenetik erschlossen. Im Rahmen der Jahreshauptversammlung der Max-Planck-Gesellschaft am 18. Juni 2009 in Mainz wird der Vorsitzende des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, Dr. Arend Oetker, den mit 50 000 Euro dotierten Wissenschaftspreis an Bamberg überreichen.

    Der Transport von Ladungen in Form von positiv und negativ geladenen Ionen über die Zellmembran spielt bei der Signalübertragung und Stoffaustausch in Zellen eine bedeutende Rolle. Ernst Bamberg hat sich seit Beginn seiner Forscherlaufbahn mit experimentellen und theoretischen Grundlagen zum Mechanismus des Ladungstransports über biologische Membranen beschäftigt, und dabei insbesondere Licht und durch Licht aktivierbare Moleküle eingesetzt. Schwerpunkt seiner Arbeiten war die Funktionsanalyse von mit den üblichen elektrophysiologischen Methoden schwer zugänglichen Transportern und Ionenpumpen.

    So gelang es Bamberg erstmalig, durch Licht freisetzbare, energiehaltige Moleküle zum schnellen Anschalten von Membrantransportproteinen in vitro und in situ einzusetzen, und somit über die elektrophysiologische Bestimmung einzelner Teilreaktionen wichtige Informationen zum Mechanismus dieser Proteine zu erhalten. Mithilfe der sogenannten Voltage-Clamp-Fluorometry konnte er bei bestimmten, äußerst wichtigen Membrantransportreaktionen unter physiologischen Bedingungen in einzelnen Zellen den Ionentransport und die Konformationsdynamik miteinander korrelieren.

    Darüber hinaus gelang ihm die elektrische und elektrophysiologische Charakterisierung der Licht-aktivierbaren mikrobiellen Rhodopsine, die Ähnlichkeiten mit den Sehpigmenten ("Rhodopsinen") des menschlichen Auges aufweisen. Die elektrophysiologische Beschreibung der beiden Ionenpumpen Bakteriorhodopsin und Halorhodopsin in eukaryotischen Zellen erlaubte, deren Tranporteigenschaften erstmalig direkt unter kontrollierten elektrischen Parametern zu bestimmen, wie sie in der natürlichen Umgebung vorkommen.

    Mit dieser experimentellen Vorgehensweise wurde die Entdeckung der Licht-aktivierbaren Ionenkanäle Channelrhodopsin1und 2 in den Jahren 2002 und 2003 möglich. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Licht-aktivierte Ionenkanäle unbekannt. Ernst Bamberg, sein ehemaliger Mitarbeiter Georg Nagel, der heute an der Universität Würzburg lehrt, und Peter Hegemann von der Humboldt-Universität, Berlin gelang es, diese einzigartigen Ionenkanäle aus der einzelligen Grünalge Chlamydomonas reinhardtii in Zellen von Wirbeltieren herzustellen und als die Zellen depolarisierende Kanäle zu beschreiben.

    Bamberg, Hegemann und Nagel erkannten das technische Potenzial der Channelrhodopsine für die Neuro- und Zellbiologie und dokumentierten dies in einer Patentanmeldung im Jahre 2002 im Detail. In Nervenzellen sollten sich Channelrhodopsin2 und die Licht-getriebene Chloridpumpe Halorhodopsin als lang gesuchtes Werkzeug für die Neurobiologie und die Hirnforschung erweisen. Die Herstellung von Channelrhodopsin2 in elektrisch erregbaren Zellen in Kultur oder in lebenden Tieren führt zu einer Licht-induzierten Anregung der Zellen. Dabei wird der Ionenkanal geöffnet und die Zelle durch den Einstrom von Natrium-Ionen depolarisiert. Als Konsequenz dieses Vorgangs beginnt eine Nervenzelle zu "feuern", d.h. Aktionspotenziale auszusenden.

    Die experimentelle Bestätigung an Neuronen und Muskelzellen gelang Bamberg und Nagel in Zusammenarbeit mit Alexander Gottschalk von der Goethe-Universität, Frankfurt und mit Karl Deisseroth von der Stanford University. Sowohl im transgenen Fadenwurm C. elegans als auch in kultivierten Hippocampus Zellen konnte eine präzise Lichtaktivierung bzw. Inaktivierung von Neuronen und Muskelzellen nachgewiesen werden. Mit diesen Arbeiten, von denen eine von der Fachzeitschrift Nature zu den Top Publikationen des Jahres 2007 gewählt wurde, gelang endgütig der Durchbruch für die Neurobiologie.

    Neben der Bedeutung als Werkzeug in der neurobiologischen Grundlagenforschung, bergen die Licht-geschalteten Kanäle auch ein großes Potenzial für medizinische Anwendungen, beispielsweise für die Wiederherstellung des Sehens bei bestimmten Erblindungen sowie bei der Behandlung von Parkinson und Epilepsie (Ersatz der stimulierenden Elektroden durch Licht mit allen oben skizzierten Vorteilen). Dies wurde in der Folge durch einige Aufsehen erregende Arbeiten anderer Forschergruppen bestätigt, so durch Studien zur Wiederherstellung des Sehens an Photorezeptor-defizienten Mäusen oder Arbeiten zu Licht induzierten Verhaltensreaktionen von Nagern.

    Der neue methodische Ansatz der Optogenetik beginnt, weite Teile der Neurobiologie zu revolutionieren, da in vielen Fällen die bisher üblichen stimulierenden Elektroden einfach durch eine nicht-invasive Belichtung ersetzt werden können. Auf Grund der sich jetzt abzeichnenden vielfältigen Möglichkeiten nicht nur in der Neurobiologie, sondern auch in der Zellbiologie bis hin zur Wirkstoffsuche, setzen inzwischen Hunderte von Labors weltweit Channelrhodopsine bei der Beantwortung ihrer Fragestellungen ein. "Die derzeitige Entwicklung lässt darauf schließen, dass Channelrhodopsine in der Zukunft eine ähnliche Bedeutung in der Neurobiologie erlangen werden, wie das ubiquitär eingesetzte Green Fluorescent Protein (GFP) heute in der Zellbiologie, für dessen Entdeckung und Anwendung 2008 der Nobelpreis für Chemie verliehen wurde", betont Bambergs Kollege Hartmut Michel.


    Weitere Informationen:

    http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2007/... - Licht steuert Nervenzellen
    http://www.mpg.de/video/Stifterverbandspreis2009.wmv - Video über Ernst Bamberg


    Bilder

    Ernst Bamberg
    Ernst Bamberg
    Max-Planck-Institut für Biophysik
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Physik / Astronomie
    regional
    Personalia, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).