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Wissenschaft
Gegen Lösegeldzahlungen an Piraten versichert
Großbrände als weitere große Gefahr in der Vormoderne
Ähnlich wie heute am Horn von Afrika trieben ab dem 16. Jahrhundert nordafrikanische Piraten im Mittelmeer ihr Unwesen. Sie überfielen europäische Schiffe und ließen die Seefahrer nur gegen Lösegeld wieder frei. Gegen das Risiko solcher Zahlungen konnten sich die Schiffseigner allerdings schon damals versichern. Mit etwa 150.000 Euro fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ein Projekt zu Risikoversicherungen in der Vormorderne.
Das Team von Prof. Dr. Cornel Zwierlein (Juniorprofessur für Umweltgeschichte der Ruhr-Universität Bochum) untersucht auch die zunehmende Bedeutung von Feuersozietäten vor 1900. Das im Juni genehmigte Projekt "Risikozähmung in der Vormoderne" läuft rückwirkend ab dem 1.4.2009 zunächst bis 2011.
Eine Million Seefahrer wurden versklavt
Vor 1900 waren Städte ständig von der naturbedingten Totalkatastrophe, dem Brand großer Teile oder der ganzen Stadt, bedroht. Die Probleme nordeuropäischer Seefahrer dagegen waren menschgemacht: Ihnen drohte auf den Fahrten im Mittelmeer seit etwa 1500 ständig der Überfall durch nordafrikanische Piraten aus Tunis, Algier, Tripolis: Etwa eine Million christliche Seefahrer wurden in den drei Jahrhunderten vor 1830 versklavt - ein strukturelles Problem internationaler Sicherheit der Meere, in seiner Dimension weit bedeutsamer als die aktuell gerade wieder aufflackernde Piraterie-"Kultur" vor der somalischen Küste.
Hamburg als Scharnierstelle
Diese zwei unterschiedlichen Gefahren haben historisch eines gemeinsam: In den nordeuropäischen Hafenstädten wurden die frühesten Formen staatlicher Versicherungen für sie eingerichtet. Insbesondere Hamburg bildete hier eine Scharnierstelle der Entwicklung modernen Risikodenkens zunächst im staatlichen Rahmen. Die Schiffer zahlten Prämien ein, damit im Versklavungsfall ihr Lösegeld von der Kasse bezahlt würde; die Hauseigentümer versicherten ihre Häuser gegen Brand bei der Generalfeuerkasse. Hamburg und andere Hafenstädte waren hier Laboratorien eines neuen Zukunfts- und Risikodenkens. Beide Formen der staatlichen Versicherung breiteten sich im nordeuropäischen Raum und in Deutschland aus: die sog. Sklavenkassen nach Dänemark, Schweden und Ostpreußen, die Feuerkassen von Norden nach Süden in alle großen und kleinen Territorien des damals herrschaftlich noch zersplitterten Deutschlands. Oft bestanden die Feuersozietäten noch bis Ende des 20. Jahrhunderts, bevor sie privatisiert wurden oder in größere Versicherungen aufgingen, sie bildeten auch das strukturelle Vorbild für viele andere Versicherungsformen gegen Naturgefahren (Hagel, Überschwemmung), Lebensversicherungen usw. Die Sklavenkassen blieben demgegenüber ein auf die Hafenstädte begrenztes exotisches Phänomen, dessen Erforschung aber besonders gut Einblick auch in die Konstruktion des Risikos im europäisch-islamischen Kulturkontakt bietet.
Einzelförderungs-Programm der DFG
Beide Phänomene sind bislang unzureichend erforscht. Die nordeuropäische Sklavenversicherung hat seit Ende des 19. Jahrhunderts keine vertiefte, aus den Archiven erarbeitete Studie mehr erfahren. Auch die fundamentale, alltägliche Gefahr von Bränden im holzgebauten Europa der Vormoderne und die vielfältigen Arten der Vorsorge und Schadensnachsorge - von der Feuerpolizei bis zur Versicherung -, müssen unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Risiko-Geschichte dringend neu erforscht werden. Mit dem Projekt "Risikozähmung in der Vormoderne" werden die Lücken nun geschlossen. Es war bis März 2009 Teil des Sonderforschungsbereichs "Pluralisierung & Autorität" (SFB 573) an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Mit Berufung des Leiters Prof. Dr. Cornel Zwierlein an die Fakultät für Geschichtswissenschaften der Ruhr-Uni wurde es im Rahmen des Einzelförderungs-Programms der DFG neu beantragt und genehmigt. Gefördert werden zwei Doktoranden, Hilfskräfte sowie Sachmittel. Projektleiter Cornel Zwierlein ist dem SFB 573 weiter assoziiert.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Cornel Zwierlein, Juniorprofessur für Umweltgeschichte, Historisches Institut der Ruhr-Universität, Tel.: 0234/32-24684, E-Mail: Cornel.Zwierlein@rub.de, http://www.rub.de/umweltgeschichte
Redaktion: Arne Dessaul
Die brennende Burg Frankenberg
Foto: Anne Gold
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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